Akzente_Silvesterkonzert: Die Schöpfung
Haydnischer Jahresausklang
Das Theater an der Wien beging das Ende des Haydn-Jahres 2009 mit einer fulminanten Aufführung. Mit einem exzellenten Solistentrio und einem tollen Ensemble bewies Adam Fischer, wie man den Komponisten zelebrieren kann - und das trotz der problematischen Konzertakustik des Hauses.
08.01.2010
Eigentlich sind Jubiläumsjahre meist nur ein schlecht getarnter Aufruf für Alibiaktionen diverser Konzertveranstalter und der Tonträgerindustrie. Gerade Joseph Haydn braucht kein solches Gedenktreiben, weil er einer der zeitlosesten Komponisten ist, die es je gab (und es auch bleiben wird). Doch wenigstens ist das offizielle Erinnern stets ein Anlaß, prominente Künstler für spezielle Aufführungen einzuladen.
Haydns berühmte "Schöpfung" ist ohnehin (auch ohne Jubiläen) eines der meistgespielten Oratorien, das von den größten und bekanntesten Sängern und Dirigenten ins Standardrepertoire genommen wurde - legendär waren hier etwa die Aufführungen von Karajan, Bernstein, Böhm und Solti.
Mittlerweile sind ja die (Schein-)Puristen in der Klassikszene so dominierend, daß anscheinend nur mehr Originalklang-Ensembles akzeptiert werden, obwohl etwa Harnoncourt und Gardiner superbe Aufführungen der "Schöpfung" gebracht haben. Der österreichisch-ungarische Dirigent Adam Fischer schafft den Spagat zwischen "Konventionalität" und Originalklang perfekt. Als musikalischer Proponent des Haydn-Festivals in Eisenstadt war er der richtige Mann für diese wichtige Aufführung am Silvesterabend 2009 im Theater an der Wien. Fischer führte das Oratorium schon bei "seinem" Festival auf und hatte im Wiener Haus eine noch prominentere Besetzung.
Die große Überraschung war die Sopranistin Annette Dasch. Die bildhübsche Berlinerin mit den sinnlichen Lippen konnte den EVOLVER-Klassikexperten erstmals völlig überzeugen. Ihr immer wunderschön klingender Sopran strahlte die beinahe zwei Stunden dauernde Aufführung über; ihr Timbre ist sowieso immer wunderschön und glockenhell. Großartig waren diesmal ihre Diktion, ihr Ausdruck und vor allem die Perfektion, mit der sie alle Verzierungen aussang. Genauso souverän kamen der Tenor Michael Schade und vor allem der Baß-Bariton Hanno Müller-Brachmann zur Geltung, der mit seiner wunderschönen, dunkel timbrierten Stimme glänzte. Wenn er jetzt noch an seiner Pianokultur feilen könnte, wäre er perfekt.
Wie immer wunderbar einstudiert war der Arnold Schoenberg Chor, und recht anständig - trotz einiger technischer Mängel - schlug sich das Freiburger Barockorchester. Vor allem im Schluß des zweiten Teils, wenn Holzbläser die Solisten begleiten, hörte man jedoch manche Unstimmigkeiten. Maestro Fischer mit seiner quirligen Art aber hatte nicht nur das Geschehen vom Anfang bis zum Schluß unter Kontrolle, sondern verzauberte das Publikum auch mit seiner intellektuellen und gefühlvollen Interpretation.
Bleibt nur noch, das Publikum dieses Jahresausklangs zu erwähnen: Beim Konzert hatte man den Eindruck, klassische Musik sei eine aussterbende Kunst. Der Autor dieser Zeilen, der selbst bald sein fünftes Lebensjahrzehnt vollendet, senkte den Altersdurchschnitt ganz allein um locker fünf bis zehn Jahre. Schön, daß auch Vizebürgermeisterin Renate Brauner anwesend war - vielleicht könnten sich sie und ihre Kollegen (sowie -innen, natürlich) grundlegende Gedanken um die Zukunft von Kunst und Kultur machen ... Abgesehen von diesem frommen Wunsch für 2010 wäre es wohl auch ratsam, die Musikschulen der Stadt Wien mit ihrem superben Ruf in den Mittelpunkt des (Bildungs-)Interesses zu rücken statt das Niveau an allen Fronten immer weiter zu senken.
Und ganz zum Schluß noch ein privater Wunsch des Rezensenten an die Intendanz des Theaters an der Wien: Bitte tun Sie doch endlich etwas gegen die fürchterliche Konzertakustik Ihres Hauses! Es ist jammerschade, wenn die besten Ensembles zu Konzerten eingeladen werden und die musikalische Wirkung im wahrsten Sinne des Wortes im Schnürboden verpufft. Das Haus an der Wien ist in vieler Hinsicht einzigartig und eigentlich das bessere Opernhaus - wieso verzichtet man dann freiwillig auf einen ebensolchen Status als Konzertbühne?
Herbert Hiess
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