Akzente_Osterklang/Mozart-Symphonien
Mozarts Herrgottsschnitzer
Nikolaus Harnoncourt durfte im Mozartjahr das beliebte Musik-Festival mit den Philharmonikern eröffnen. Leider blieb die Qualität seines Konzerts weit unter den Erwartungen.
13.04.2006
"Osterklang" wurde vor zehn Jahren gegründet und war eigentlich ein Ableger des sommerlichen "Klangbogens". Als traditionelles Eröffnungsensemble des Festivals konnten die Wiener Philharmoniker gewonnen werden, die diese Aufgabe seit nunmehr einem Jahrzehnt wahrnehmen.
Österlich bieten sich natürlich die Passionen von Bach und andere sakrale Chorwerke an - ein gutes Konzept, mit dem heuer zum ersten Mal gebrochen wurde. Anläßlich des Mozartjahres gab es erstmals kein Chor-Orchesterkonzert, sondern ein reines Orchesterkonzert.
Nikolaus Harnoncourt hat das Festival schon einige Male mit Chor und Orchester eröffnet. Diesmal standen allerdings die letzten drei Symphonien des 2006er-Maskottchens Amadeus auf dem Programm. Der Dirigent, der besagte Symphonien im Mozartjahr 1991 mit dem Chamber Orchestra of Europe aufführte, entschied sich diesmal für die Philharmoniker, wie es die Tradition gebietet. Und leider wurden die sehr hohen Erwartungen des Publikums alles andere als erfüllt.
Der steirische Maestro weckte das Gefühl, einem kunstvollen Puzzle-Schnitzer bei der Arbeit zuzusehen - und zwar beim Anfertigen eines Geduldsspiels, bei dem jeder Teil perfekt geschnitzt ist, das aber zusammengesetzt ein schräges und eigentümliches Bild ergibt.
Man hörte, daß Harnoncourt mit dem Orchester akribisch und detailverliebt geprobt hatte. Die Philharmoniker ließen jedoch viel von ihrer gewohnten Klangqualität vermissen - wahrscheinlich aus Gründen der Arbeitsüberlastung. Wer Harnoncourt kennt, der weiß nämlich, daß der Mann alle klassischen Symphonien mit ALLEN Wiederholungen spielen läßt, ob sie nun passen oder nicht. War die Aufführungsdauer von Zweidreiviertelstunden schon für das Publikum ein Brachialakt - wie muß sie dann für die Musiker gewesen sein? Wohl nicht so ohne, wie man hörte.
Wie es sich für einen ordentlichen Schnitzer gehört, waren Einzelstellen und Passagen wunderbar geprobt und spannend; insgesamt jedoch klang das Orchester eigentümlich untransparent und unangenehm laut. Ob manch mangelhafte Präzision Harnoncourt oder den Philharmonikern zuzurechnen war, ist fraglich. Man wünschte sich oft strahlendere Trompeten oder singendere Kantilenen und eine weniger dicke Streicher-Sauce.
Insgesamt war das Konzert zwar sehr interessant, aber letztlich doch entbehrlich. Alle drei Symphonien konnte man mit anderen Dirigenten mit dem Wiener Meisterorchester schon besser und interessanter hören. Schade!
Als Ausgleich dafür wird Nikolaus Harnoncourt mit seinem Concentus Musicus Wien an drei Tagen hintereinander im Theater an der Wien den ersten Teil des geistlichen Singspiels "Die Schuldigkeit des Ersten Gebots" dirigieren, das er mit elf Jahren komponiert hat. Diese Serie wird ein Familienprojekt, da sein Sohn Philipp die Inszenierung mitgestaltet. Von der Papierform her sollte es eine superbe Aufführung werden - hoffen wir nur, daß Harnoncourt hier genug Ruhe findet und den negativen Eindruck der Mozart-Symphonien wieder zum Verschwinden bringen kann.
Herbert Hiess
Mozart-Symphonien
ØØØ
Mozart-Symphonien
Wiener Philharmoniker/Nikolaus Harnoncourt
7. und 8. April 2006
Musikverein, 1010 Wien
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EVOLVER-Programmtip:
Die Schuldigkeit des Ersten Gebots
Erster Teil des geistlichen Singspiels, KV 35 (1767)
Musikalische Leitung: Nikolaus Harnoncourt
Inszenierung: Philipp Harnoncourt
Ausstattung: Renate Martin & Andreas Donhauser
Concentus Musicus Wien
Christ: Christoph Genz
Christgeist: Michael Schade
Weltgeist: Patricia Petibon
Barmherzigkeit: Juliane Banse
Gerechtigkeit: Elisabeth von Magnus
Neuproduktion des Theater an der Wien
im Rahmen des Festivals OsterKlang Wien
Theater an der Wien
12.,13. und 14. April 2006
Kartenreservierungen: Tel. +43-1/588 85
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