Akzente_Konzert-Tip: Backyard Babies

Schweinerock aus Hinterhöfen

Den Einzug in Stadion-Rock-Sphären haben die Schweden-Poser mit ihrem dreckig-verschwitzten Rock zum Glück noch nicht geschafft. So kann man sie weiter in kleineren Venues erleben.    29.05.2006

Wie viele der über hundert Millionen Zuseher beim Eurovision Song Contest am vergangenen Wochenende mit dem Triumph von Lordi zum bösen Rock verführt werden konnten, läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht genau abschätzen. In drei Tagen vielleicht: Dann haben etwa hundert Millionen Zuseher die finnischen Sieger dieses Events wieder vergessen. Oder kennt noch irgendjemand Gewinner vergangener Jahre – freilich mit Ausnahme von Udo Jürgens?

Dennoch läßt sich eines nicht von der Hand wischen: Skandinavische Bands treten in regelmäßigen Abständen – qualitativ wie quantitativ – mit geballter Kraft zutage und sorgen nicht nur in den Alternativ-Charts des europäischen Festlands gehörig für Wirbel.

Was einerseits daran liegt, daß man den kurzen, arschkalten Tagen im Norden nur mit düsteren Stromgitarren und melancholischen Songs entgegen treten kann. Andererseits unterstützt vor allem Schweden in großem Ausmaß und mit staatlichen Mitteln seine Musiker.

Die Backyard Babies zählen zu den Pionieren der Art von skandinavischer Rockmusik, die heute in Form von The Hives oder Mando Diao die europäischen Festivals verfeinert. 1989 gegründet, nützten die Jungs rund um Frontsau Nicke Borg und Bühnen-Derwisch Dregen die kostenlosen Proberäume in der schwedischen Kleinstadt Nässjö und hämmerten auf staatlich subventioniertes Equipment ein, als gäbe es kein Morgen. Schweinerock at its best, mit Rock-Attitüden, die selbst Glam-Rock-Veteranen wie Hanoi Rocks, L.A. Guns oder Faster Pussycat zur Ehre gereichen würden.

Obwohl sie die explosive Intensität ihrer Live-Gigs nicht in vollem Ausmaß auf Silberlinge pressen konnten, wurden die Backyard Babies für ihre beiden Alben "Making Enemies Is Good" (2001) und "Stockholm Syndrome" (2004) in Schweden mit jeweils einem Grammy geehrt. Schließlich war es aber vor allem ihr rotzfrecher, räudiger Rock in verschwitzten Shirts, versteckt hinter Bühnennebel und gleißendem Licht, der die Herren von AC/DC und Velvet Revolver auf die Band aufmerksam machte: Auf persönliche Einladung hin tourten sie im Vorprogramm von Angus Young, Slash und Co.

Spannend wird die Live-Umsetzung ihres aktuellen Albums "People Like People Like People Like Us" daher allemal: Songs wie der gleichnamige Opener oder "The Mess Age" laden zum vielfachen Mitgröhlen ein. Und wenn alte Kracher wie "I Love To Roll" oder "Brand New Hate" angezupft werden, klebt längst schon das schweißnasse T-Shirt an den verzückten Körpern der Besucher. Besser als in einem Stadion, oder?

David Krutzler

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