Akzente_Il mondo della luna
Kommissar Rex auf dem Mond
Zum Abschluß des Haydn-Jahrs 2009 servierte das Theater an der Wien eine eher einfältige Inszenierung der Opera Buffa "Il mondo della luna" in einer wahrhaft luxuriösen Besetzung. Die musikalische Leitung hatte Nikolaus Harnoncourt, der grandios vom szenischen Unsinn ablenken konnte.
27.01.2010
2009 war ein Jahr der Jubilare. Neben dem Komponisten Joseph Haydn feierte auch der Parade-Steirer Nikolaus Harnoncourt am 6. Dezember seinen Geburtstag. Was läge da näher, als die beiden sozusagen zusammenzuspannen und daraus eine formidable (musikalische) Aufführung zu gestalten? Der 80jährige Maestro wirft sich ja geradezu in die Bresche, um beim Publikum die Begeisterung für Haydn-Opern anzustacheln. Nur hat Haydn leider nie wirklich "Opernblut geleckt", so grandios seine Musik in "Il mondo della luna" auch ist - eine richtige Operndramatik kommt leider niemals zustande. Für den Autor dieser Zeilen war das Werk nie mehr als ein nettes Singspiel.
Singspielhaft, mit barocker Überladenheit und oft ins (unfreiwillig) Komische abrutschend war die Inszenierung von unser aller Kommissar Rex - auch als Tobias Moretti bekannt. Das Haydn-Werk war Morettis zweiter Opernversuch (nach "Don Giovanni"), und auch damit konnte er seine Qualifikation als (Opern-)Regisseur nicht wirklich bestätigen. Schade irgendwie - viele seiner Einfälle waren einfach gut, witzig und intelligent, etwa die wiegenden Bäume bei der Schlafszene von Buonafede oder manche gefaketen Beamer-Projektionen bei einigen Szenen. Warum Moretti sich dann mit einigen anderen Szenen brutal lächerlich machen muß, bleibt unverständlich. Zum Beispiel, als die Schwestern auf einem Doppelsessellift mit der Aufschrift "Axamer Lizum" hereingeschwebt kamen: Jaja, wir wissen schon, daß Tobias Moretti aus Tirol kommt; die Faust aufs Auge hätte er sich sparen können.
In "Il mondo della luna" geht es um den reichen Italiener Signor Buonafede mit seinen beiden hübschen und unvermählten Töchtern Clarice und Flaminia. Buonafede geht dem Betrüger Ecclitico auf dem Leim, der ihm gemeinsam mit seinen Kumpanen Ernesto und Cecco suggeriert, sein Leben auf dem Mond verbringen zu können - aber erst nach Abgabe seines Vermögens an die Betrüger. Nebenbei stehen die Betrüger noch auf Buonafedes Töchter und seine Dienstmagd. Irgendwann kommt der lieb-naive Buonafede den Betrügern auf die Schliche, doch ein Happy-End gibt es trotzdem. Jeder bekommt die Frau (bzw. den Mann) seiner Wünsche, und Buonafede lebt glücklich und ohne Geld weiter dahin.
Haydn schrieb die Oper nach Carlo Goldonis Text für den Fürsten Esterhazy; sie wurde 1777 in Eisenstadt uraufgeführt. Der österreichische Komponist hatte zwar ein Faible für Musiktheater, erzielte aber nie echte Erfolge damit. Wenn man die Aufführung verfolgt, kann man das nachvollziehen. Trotz wundervoller Musik kommt nie wahrhaft mitreißende Dramatik wie bei Rossini oder Mozart zustande. Alle Musiknummern sind brav in Sonatenhauptsatz oder Rondoform komponiert - bei soviel Bravheit hat Haydn leider vergessen, daß er fürs Theater komponiert.
Nikolaus Harnoncourt ist dennoch der beste Anwalt, den man sich für Haydn nur wünschen kann - angefangen mit der brillant gespielten Ouvertüre (übrigens hat sich Haydn darin selbst zitiert, mit dem 1. Satz aus seiner 63. Symphonie in C-Dur, "La Roxelane"). Harnoncourt breitete den großartigen Sängern einen formidablen Klangteppich aus. Selten noch hat man seinen Concentus Musicus so einfühlsam spielen gehört. Unvergeßlich war das fast wispernde Pianissimo bei der Stelle, als Buonafede mittels Drogen-Cocktail in den Schlaf gewiegt wird. Die Sänger waren Harnoncourts Niveau ebenbürtig, allen voran der einzigartige Dietrich Henschel als Buonafede.
Wer über Harnoncourts Wirken als Operndirigent mehr wissen und nachlesen will, sollte sich übrigens das Buch "Oper, sinnlich" aus dem Residenz-Verlag zulegen. Die Autorinnen Johanna Fürstauer und Anna Mika beschreiben darin sehr detailliert Harnoncourts Opernkarriere und statten ihren Bericht mit berühmt-provokanten Zitaten des Maestros aus. Daß der Bildteil in der Mitte ausschließlich Aufnahmen von der "Idomeneo"-Produktion der Styriarte 2008 zeigt, wirkt jedoch mehr als einfallslos; da hätte es sicher mehr und interessanteres Bildmaterial gegeben. Trotzdem ist das Buch für Harnoncourt-Fans recht lesenswert.
Die Person Harnoncourts wiederum - mit Laudationes, persönlichen Anmerkungen von (künstlerischen) Wegbegleitern und äußerst interessanten Bildern - präsentiert das Buch "Being Harnoncourt" aus dem Verlag Styria. In aufgelockerter Form kann man hier vieles aus Harnoncourts Leben "neu" erfahren und vielleicht in einen anderen Blickwinkel bringen. Ein absolutes Muß!
Herbert Hiess
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