Akzente_Grafenegg: Neueröffnung
Neue Heimat?
Wer sich vergangenen Samstag im neuen Auditorium von Grafenegg auf eine interessante Aufführung der "Großen C-Dur"-Symphonie von Franz Schubert freute, wurde bitter enttäuscht. Umso besser hörten sich die Werke von Maurice Ravel und Bela Bartok an.
23.05.2008
Robert Schumann beschrieb Schuberts "Symphonie Nr. 8 in C-Dur" einst mit den Worten: "Und diese himmlische Länge der Sinfonie, wie ein dicker Roman in vier Bänden etwa von Jean Paul, der auch niemals endigen kann ..."
Mit diesem Kommentar vor Augen und vielen meisterlichen Interpretationen im Ohr war die Grafenegger Aufführung der nämlichen Symphonie unter der Leitung des Amerikaners Hugh Wolff der Tiefpunkt des Abends. So lieblos heruntergedroschen hat man dieses Werk noch selten gehört. Offenbar stand man unter Zugzwang, es ja nicht "altmodisch" klingen zu lassen, und verheizte Schuberts Klänge aus diesem Grund derart. Ja, man mußte sogar annehmen, daß Wolff jedem der schönen Themen bewußt ausweichen wollte. Dadurch wurde die Aufführung so belanglos, daß man sie bereits beim Verlassen des Saales vergessen hatte - glücklicherweise.
Ein ganz anderes Kaliber (und auch besser für den Dirigenten geeignet) waren da die "Valses nobles et sentimentales" von Maurice Ravel und vor allem Bela Bartoks "Konzert für zwei Klaviere, Schlagwerk und Orchester". Die Niederösterreichischen Tonkünstler waren dabei in absoluter Hochform. Man hat den Eindruck, daß es oft keine Unterschiede mehr zwischen Philharmonikern, Symphonikern und eben Tonkünstlern gibt.
Bartoks spätromantisch-impressionistisches, dreisätziges Opus ist genial instrumentiert; faszinierend, wie sich die bildhübschen Önder-Zwillinge und das Schlagwerkduo Grubinger/Schmidinger geniale Dialoge lieferten. Das hochvirtuose Werk (sowohl für Pianisten als auch Schlagwerker) ist eine Herausforderung für die Künstler. Es war interessant zu hören, wie der knapp 25jährige Leonhard Schmidinger seinem ehemaligen Lehrer Martin Grubinger dabei um nichts nachstand. Die Schwierigkeit bei Bartoks Werk sind vor allem die kammermusikalischen Passagen, die die vier Solisten bravourös bewältigten.
Das neue Auditorium in Grafenegg ist den Architekten ausgezeichnet gelungen. Als Verbindung zwischen Reitschule und Schloßtaverne wurde es als zentraler Spielort für Konzerte konzipiert. Es bietet bis zu 1300 Besuchern Platz; die Architektur ist atmosphärisch bestens gelungen und die Akustik ausgezeichnet. Sogar auf den Plätzen über dem Orchester (Chorgalerie) klingt das Orchester superb verteilt - nicht so wie in anderen Konzertsälen, wo den Hörer je nach Platz entweder das Schlagwerk in den Boden stampft oder ihm die Kontrabässe in den Ohren brummen.
Man kann zudem sicher sein, daß die Plätze, die man derzeit noch als halbfertig bezeichnen muß (kahle Wände, Betontreppen, Durchgänge), bald im geplanten Zustand zu sehen sein werden. Wenn die Tonkünstler den Saal endgültig als ihre musikalische Heimat betrachten könnten, wäre diese Umgebung eher angemessen als das Festspielhaus in der "toten Stadt" St. Pölten.
Ganz glücklich kann man aber erst dann sein, wenn das Publikum wieder auf gewohntem Niveau ist ... Applaus zwischen den Sätzen mag zwar als freundliche Geste für die Künstler gedacht sein; daß aber aufmerksame Hörer (und auch die Musiker) damit aus der Stimmung gerissen werden können, sollte sich mittlerweile herumgesprochen haben.
Herbert Hiess
Kommentare_
Der ehemalige Lehrer war nicht Grubinger sondern Schmidinger. Grubinger war sein Schüler. Also genau anders als im bericht.