Akzente_Far East Film 2009

In weiter Ferne, so nah

Vom 24. April bis zum 2. Mai zelebrierte das Festival "Far East Film" das asiatische Kino. Neben etablierten Filmländern und bekannten Namen konzentrierte man sich in Udine auch auf bisher weniger erforschte Kinonationen.    08.05.2009

Seit elf Jahren widmet sich das Festival "Far East Film" im norditalienischen Udine dem asiatischen Kino. Mit "asiatisch" ist hier allerdings nicht der gesamte Kontinent gemeint, sondern hauptsächlich der südöstliche Bereich. Neben Filmexporten aus Ländern wie China, Japan und Korea bemühen sich die Macher des Festivals auch darum, Beiträge aus filmisch weniger erschlossenen Ländern wie Thailand, Indonesien und Singapur einzubeziehen. Stilistisch setzt "Far East Film" auf Vielfalt, wobei überwiegend Genrefilme und kommerzielles Kino auf dem Programm stehen. Neben den obligatorischen Action- und Horrorfilmen zeigt man dabei auch keine Scheu vor trivialen Genres wie RomComs, kitschigen Liebesdramen oder überdrehten Slapstick-Komödien.

Unter den wenigen Arthouse-Produktionen fanden sich heuer auch zwei prominente Beiträge. So stand unter anderem der soeben mit dem Auslands-Oscar prämierte, japanische Film Departures von Yojiro Takita auf dem Programm. Darin geht es um den arbeitslosen Cellisten Daigo, der nach der Rückkehr in sein Heimatdorf einem ungewöhnlichen, spezifisch japanischen Beruf nachgeht. Als Nokanshi erfüllt er in etwa die Tätigkeit eines Bestatters, vollzieht dies aber in einem sorgfältig choreographierten Ritual. Schon bald wird Daigo in seinem Umfeld mit Vorurteilen gegenüber seinem neuen Beruf konfrontiert.

 

Ein weiterer japanischer Film mit enormem internationalem Presseecho ist Sion Sonos Liebes-Epos Love Exposure. Dabei sollte man sich von den vier Stunden Laufzeit des Films nicht abschrecken lassen. Überraschend kurzweilig springt der Film zwischen extremen Gefühlszuständen, verschiedenen Genres und Handlungssträngen wild umher und fügt sich schließlich doch zu einem recht homogenen und auf jeden Fall einzigartigen Kinoerlebnis zusammen.

Wie es aktuell um den Hongkong-Action-Film steht, ließ sich anhand der Filme Connected von Benny Chan, Tactical Unit: Comrades in Arms von Wing-cheong Law und The Beast Stalker von Dante Lam beurteilen. Letzterer handelt von einem Polizisten, der den Tod eines kleinen Mädchens verschuldet hat und dessen Schicksal sich mit einem mysteriösen Geiselnehmer zu wiederholen scheint. Bei der Berlinale erwies sich "The Beast Stalker" als unterhaltsamer und solide inszenierter Genrebeitrag.

 

Im Gegensatz dazu widmete sich die diesjährige Retrospektive mit Ann Hui der Grande Dame des Hongkong-Autorenfilms. Gezeigt wurden ausschließlich Huis frühe Fernsehfilme, die im Westen bisher kaum zu sehen waren. Als Ergänzung dieser ambitionierten Reihe stand auch noch Huis aktueller Film, das Familiendrama The Way We Are, auf dem Programm.

Ein weiterer thematischer Schwerpunkt fand sich unter den acht thailändischen Filmen. Mit vier Beiträgen konnte man sich ein Bild davon machen, wie es mit dem Status quo des Muay-Thai-Cinema - Martial-Arts-Filmen, die sich dem Thaiboxen widmen - aussieht. Neben dem Eröffnungsfilm, der lang erwarteten Fortsetzung von Ong Bak, fanden sich verschiedene, eher kuriose Vertreter des Genres. In Chocolate etwa kämpft ein autistisches Mädchen gegen eine Gang von Ladyboys. Fireball zelebriert eine eigenwillige Mischung aus Thaiboxen und Basketball, und in Somtum mutiert ein australischer Tourist durch den Konsum des titelgebenden Papaya-Salats zu einer kriegerischen Kampfmaschine. Mit der Filmauswahl wurde auch ein Statement zur Authentizität von Kampfsportszenen gesetzt: Im Vergleich zu Martial-Arts-Filmen aus anderen Ländern kommen die vier thailändischen Beiträge ganz ohne unterstützende digitale Animationen aus.

 

Abgesehen von der Retrospektive und dem Muay-Thai-Schwerpunkt zeigte sich die Vorliebe der Festivalorganisatoren an thematischen Überbegriffen auch am "Horror Day", - jenem Tag, an dem ausschließlich Horrorfilme auf dem Programm standen. Neben der visuell beeindruckenden Wiederentdeckung A Bloodthirsty Killer aus dem Jahr 1965 gab es noch sechs aktuelle Genrebeiträge zu sehen. Vor allem die beiden indonesischen Filme Takut: Faces of Fear und The Forbidden Door sowie Rule #1 aus Singapur waren dabei aufgrund ihrer Herkunft interessant. Vielleicht kommen gerade aus diesen unerforschten Filmländern neue Impulse für den asiatischen Horrorfilm, der besonders durch den Hype japanischer Geisterstreifen allzu schematisch geworden ist.

Zum Abschluß des Festivals wurde am Samstag mit der Manga-Verfilmung Yatterman noch das neue Werk von Vielfilmer Takashi Miike gezeigt. Die Handlung dreht sich um den Sohn eines Spielzeug-Designers, der gemeinsam mit seiner Freundin und einem kleinen Roboter gegen die ebenso böse wie aufreizende Doronjo kämpft. Ob es sich bei "Yatterman" um eine von Miikes halbgaren, überladenen Arbeiten handelt oder ob es eines seiner seltenen Meisterwerke ist, muß wohl jeder für sich selbst herausfinden ...

Michael Kienzl

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