Akzente_Air & Style

Brot und Spiele

Unten ist oben und links manchmal rechts. Snowboarder haben mit dieser Tatsache zu leben gelernt. Und verbeugten sich zum letzten Mal vor einer Menschenmenge in Seefeld.    15.12.2004

Skibrillen, Hosen oder Pullis sind für Skifahrer Gebrauchsgegenstände. Gestandene Snowboarder sagen hingegen "Accessoires" zu den hippen Moden, die im Lifestyle-Hype des Freestyle-Snowboard-Sports in immer schrägeren Varianten von ihrem ursprünglichen Zweck abweichen und neue Ziele erfüllen.

Wenn also die freakigen Snowboarder im gleißenden Scheinwerferlicht des Seefelder Casino Stadions beim "Nokia Air & Style" total verrückt über die "Big Air" heizen, so haben sie zwar eine Snowboard-Brille auf; die muß aber nicht zwingend die Augen schützen, sondern - lässig um die Stirn gebunden - höchstens die extravagante Mütze am Kopf festhalten.

So gesehen ist die Welt der freestylenden Snowboarder manchmal verkehrt. Und das nicht nur, wenn sie wie in Seefeld in waghalsige Drehungen auch Salti einbauen, um nach etwa 30 Metern in der Luft so sanft auf der pickelharten Piste zu landen wie ein Turmspringer - kerzengerade und ohne Spritzer. Insgesamt 26.000 Zuschauer zollten vergangenen Freitag und Samstag bei eiskaltem, wunderschönem Winterwetter den wahnsinnigen Sprüngen der weltbesten Snowboarder Tribut und sorgten ihrerseits im vollen Stadion für spannungsgeladene Stimmung. Zwar konnten sich so viele Österreicher wie noch nie für den Finaltag des "Nokia Air & Style" qualifizieren, doch von den vier heimischen Sportlern Friedl Kolar, Sani Alibabic, Stefan Gimpl und Chris Kröll rettete sich nur letzterer ins Finale der Top Five und ersprang dort den fünften Platz. Den "Ring of Glory" holte sich mit 711 Punkten wie schon im Vorjahr das 18jährige Snowboard- und Skateboard-Wunderkind Shauwn White (USA) vor dem Schweizer Alex Müller (682 Punkte) und dem Finnen Jussi Oksanen (674).

So partygeil und locker, wie sich die Snowboarder auf der Tribüne der sogenannten "Friends Area" zeigten, ging es in der "Rock & Roll-Area" auch in den Pausen und nach dem Snowboard-Event zu: Frenetisch applaudierend, kreischend und springend quittierte die in insgesamt 35.000 Pullis und ebensoviele Schals gehüllte Fan-Gemeinde die Auftritte der deutschen Beatsteaks und Fantastischen Vier. In strahlend weiße Pelzmäntel gehüllt, legten die Mannen rund um Thomas D. einen grandiosen Gig hin und überzeugten selbst bei rockig eingefärbten Nummern. Während die Fans "troy" bis zum letzten Song abgingen, hatten die schwedischen Punkrocker Millencolin nach dem Reggae-Meister Gentleman ein etwas härteres Los gezogen und mußten noch vor Festival-Ende Hunderte von Zusehern in Richtung der Seefelder Clubs davonziehen lassen.

Kritikpunkt und auf den ersten Blick unlogisch waren höchstens wieder einmal die verschiedenen Zugangsberechtigungen - vom V.I.P. zum Super V.I.P. und Hyper Mega V.I.P. Access. Am einfachsten hatten es da die Rock & Roller im gleichnamigen Bereich: Sie konnten aus nächster Nähe Shauwn White bejubeln und auf Tuchfühlung mit Gentleman und Co. sein, während sich die "Friends-Ticket"-Besitzer zwar sehr wichtig fühlen durften, für ihre sauteuer erworbenen Tickets die Bands aber aus fünf Kilometer Entfernung anschauen mußten und keinen bzw. nur "erkämpften" Zugang zur Rock-&-Roll-Area erhielten. Die Sicherheitsbestimmungen so streng einzuhalten ist aber zum Teil lobenswert zu erwähnen - man hat aus dem schrecklichen Unglück am Bergisel vor fünf Jahren anscheinend Lehren gezogen. Dennoch sollte im Vorfeld bessere Aufklärung hinsichtlich der verschiedenen Zugangsberechtigungen stattfinden.

So schön es war, so schade ist es, daß es nicht mehr sein wird: Nach 12 Jahren "Air & Style" in Innsbruck und Seefeld wird ab dem nächsten Jahr der Rasen des FC Bayern im Münchner Olympiastadion von den Air&Style-Fans zerpflügt. Eine gigantische Rampe soll im Stadion wieder Arena-Flair wie damals im Innsbrucker Bergisel-Stadion versprühen lassen und dem Festival wieder mehr urbanen Charakter geben. Neben dem bereits üblichen Programm sollen die (neuerdings) "Air & Style Winter Games" Freestyle-Motocross, Ski-Freestyle und Skidoo-Demos beinhalten.

David Krutzler

Nokia Air & Style

ØØØØ 1/2


Fr., 10. 12. 2004 - Sa., 11. 12. 2004

 

Casino Arena in Seefeld/Tirol

 

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