Kolumnen_Zapped
Hast keinen Basilikum?
Die Zutaten für eine gelungene Kochshow: ein Eßlöffel Kräuter, ein hungriger Zuschauer, ein Spritzer Dekadenz - und schon haben wir den Salat. Wer kann’s nachmachen? 23.01.2012
Neulich beim Essen mit Freunden wurde folgende, vernichtende Frage an die Gastgeberin, also mich, gestellt: "Hast keinen Basilikum?" Hatte ich, sicher, hat doch jeder. Und mit selbstbewußtem Grinsen schob ich die 2006er-Edition Marke Trockenpulver über den Tisch.
Na, mehr hab ich nicht gebraucht! Schon erhob sich die Küchenpolizei und schleuderte mir geballte Essensregeln ins Gesicht. Und das schlief mir sofort ein, und zwar beim Wort "frisch". Bei "Im Billa rechts vor dem Obst" lag mein Gesicht bereits im Koma, und für tot erklärt wurde es bei "regional".
Zu diesem Zeitpunkt war ich froh, daß ich das Maggi weggelassen habe – da hat mich der Hausverstand gut beraten. Aber getrocknetes Basilikum? Wie komm ich bloß auf die schwachsinnige Idee, mein Basilikum nicht selbst zu rupfen, zu gießen, wachsen zu sehen und es auf eine Privatschule zu schicken?
Die Antwort liegt auf der Hand: Ich hab zu wenig Kochshows gesehen. Das liegt daran, daß ich hungrig nicht fernschauen mag und meistens hungrig werde, wenn ich Kochshows sehe. Oder noch fataler: Ich bin schon hungrig und schau mir dann begeisterte Küchenchefs an, wie sie unisono "Mhmmmm" machen und über die Vorteile von linksgedrehtem Camembert schwadronieren.
Und dann zupft mich mein Magen am Ärmel und verlangt jetzt, auf der Stelle, nach ebenjenen Menüs, die stets locker-flaumig aus dem Ofen kommen, drinnen weich schmelzend, außen knusprig und immer, immer in 15 Minuten fix und fertig. Weitere 15 Minuten vergehen zwar mit der Aussprache des Locker-Flaumigen, weil jedes Blättchen Oregano zu Recht einen Platz auf der Speisekarte verdient hat, aber dann wird endlich serviert - jedem Gast in der Kochsendung, nur leider mir nicht, dabei hätt’ ich schon die Serviette umgebunden.
Anderen Leuten beim Kochen zuzusehen ist schon schlimm genug, aber müssen sie auch noch essen? Da hilft’s nix, daß ich meinen Magen trösten will - das ist bloß der Futterneid, wir sind gar nicht hungrig –; der knurrt nur.
Soll er doch kochen lernen, vielleicht bei Jamie, das geht wenigstens schnell, nur 15 Minuten. Außerdem hat der einen ganzen Kräutergarten samt Vogelscheuche in seiner 400 Quadratmeter-Küche, den hat er sicher vom Billa gleich rechts vor dem Obst. Wie peinlich, daß meine Küche keinen Kräutergarten beherbergen kann. Wie peinlich, daß ich bis jetzt dachte, rechts vor dem Obst stehen Blumen. So kann ich nicht weiterleben.
Das wichtigste Utensil jeder guten Kochshow ist das Messer. Ohne das geht gar nichts und vor allem nicht schnell. Immer wieder wird den Experten am Herd die Messertechnik ans Herz gelegt: Ja nicht zu heiß waschen, ja nicht in den Geschirrspüler, und wenn, dann nur bei 30 Grad für Feines.
Aber was nützt das schärfste Messer, wenn ich nicht weiß, wohin damit? Jamie macht es vor: Zwiebel schneiden für Anfänger. Ganz easy schaut’s aus beim Engländer, zack zack, immer locker aus dem Handgelenk und rein in die Pfanne. Bei mir geht’s noch einfacher: Zack zack, immer locker ins Handgelenk und rein ins Spital. In nur 15 Minuten!
Eigentlich sollte ich jetzt weiterzappen, aber ich bleib dran, jetzt will ich genau wissen, wie der Butterkringel auf dem Martinigansl schmilzt. Das kann er gut, das hat er geübt, da gehen wir gleich mit der Kamera ganz nah hin und schauen ihm zu, wie er genüßlich über die knusprig braune Hülle rutscht – mhmmm, buttrig ...
Aber spulen wir zurück: Leider hab ich den Teil mit dem Ausnehmen nicht ganz durchschaut. Ich soll WO hineingreifen, um WAS rauszuholen?? Da pfeif ich auf die Maronifülle – was in der Gans ist, bleibt in der Gans. Mein Magen wird es mir nie verzeihen: "Butterkringel!!" schreit er verzweifelt, in der Hoffnung, die Unbelehrbare zu belehren. Ich knurre nur.
Zur Ablenkung bau’ ich mir Luftschlösser: Ich muß nicht kochen können, um mich zu ernähren. Ich hab’ was Besseres zu tun, als Brotkreise dünn mit Butter zu bestreichen und mit dem Messer zu einem Schirmchen zu formen. Ich bin auch dann ein guter Steuerzahler, wenn ich keine Schrägflächen-Multireibe habe. Ich bin nicht faul, nur weil ich meine Nudeln nicht selbst drehe.
Und es geht mir total am Popo vorbei, daß der Lanz jetzt ein ganz authentisches Rehpflanzerl mit Apfelspalten, Waldpilzen und Rühreibrot gekocht hat – wo bleibt eigentlich die Zensur, wenn man eine braucht? Im Fernsehen dürfen Köche ungeniert das brutzeln, was das Auge sehnlichst mitessen will, aber wehe, in der U-Bahn lutscht irgendein armes Würstel ein Salzstangerl, wird schon aufgeschrien wegen der Belästigung. Selber schuld, wenn er keinen Basilikum mithat.
Meiner blüht übrigens wie der frische Morgentau. Ich nenne ihn Franzi – mein Magen mag ihn.
Kommentare_
"Wo bleibt eigentlich die Zensur, wenn man eine braucht?" - köstlich!