Kolumnen_Zapped

Liebestöter

Bekommen Sie in diesem Sommer plötzlich romantische Wallungen? Kein Wunder, bei dem Sauwetter können Sie eh nichts anderes machen. Ein heißer Tip, um eine sprunghaft ansteigende Geburtenrate im nächsten Frühjahr zu vermeiden: Liebesfilme - wenn da die Geigen fiedeln, herrscht zu Hause garantiert ...    15.08.2011

Folgendes Szenario: kuscheliger Abend zu zweit, Taschentücher und Schoki für sie, für ihn ein Bier, damit er’s durchhält - und dann "Titanic". Irgendwann taucht unweigerlich die Frage auf: Warum bist du nicht so wie Leo? Ausgesprochen oder unausgesprochen: Liebesfilme vereinen nicht, sie trennen - die Geschlechter und die Beziehung.

Ganz einfach: Niemand ist so, und keine Beziehung kann dem standhalten, was die Traumfabrik uns weismachen will. Denn wo Schmalz und Balz im Fernsehen aufhören ("Ja, ich will!"), fängt der Alltag im echten Leben an ("Warum wollte ich eigentlich?").

Aber wenn es schon den medialen Guide zum Traumprinzen gibt, warum dann nicht auch für den Rest der Show? Weil’s dann fad wird. Weil’s dann keiner mehr sehen will, weil die Komödie dann zur Tragödie wird und aus Pretty Woman wieder die Hure, die niemals weiterkommt.

 

Unfair, sagen Sie? Sicher, die Schablone paßt nur auf einen Teil der Filme, und zwar auf folgenden: A und B haben Blickkontakt, A und B wollen sofort heiraten, aber A hat ein Geheimnis, B erfährt es, A und B weinen, dann regnet es und B hält A ab, die Stadt zu verlassen, meistens am Flughafen. Abspann. Und dann?

Kann ich Ihnen sagen: B räumt nie das Geschirr weg, A klaubt jedes Staubflunserl vom Boden auf. A findet, daß Bs Freunde konservative Volltrottel sind, während B findet, daß As Freunde linke Asoziale sind. Dann will A das Kind mit der Flasche aufziehen, Bs Mutter ist dagegen, und irgendwann endet alles mit C.

 

Die Liebe im Film ist natürlich anders: Sie reißt soziale Schranken ein, sie pfeift auf Altersunterschiede, sie hält Bomben und Granaten stand und überwindet mit frechem Wimpernaufschlag sogar den Tod. Ihr Helfer Amor ist sowieso komplett im Öl: Seine Pfeile schießen wahllos irgendein Paar ab, das garantiert nicht zusammenpaßt und trotzdem damit fertigwerden muß. Ich meine hier Filme wie "Der Date-Doktor": Sie ist schön, klug, sexy, bescheiden, reich. Und er ist Kevin James - der Pfeil ging wohl direkt ins Auge.

Und Sie sitzen als glückliches Paar vor dem Fernseher und müssen es ausbaden: "Warum schmeißt er sich eigentlich nicht aus dem brennenden Flugzeug, um mir seine Liebe zu beweisen?" Und auf der anderen Seite der Couch: "Warum haben wir eigentlich nicht so oft Sex?"

 

Das Problem bei den Liebesfilmen mit dem extra rosaroten Mascherl ist, daß jeder schon einmal verliebt war, ist, oder es demnächst vorhat. Aber wie viele Leute kennen Sie, die sich in eine berühmte Schauspielerin verliebt haben und glücklich mit ihr zusammen sind ("Notting Hill")? Wie viele Pärchen gibt es, die Beauty und Beast vereinen (bitte sagen Sie jetzt nicht Lugner und seine Viecherl!)?

Und kennen Sie irgendjemanden, der sich am Flughafen - Gepäck bereits aufgegeben, Ticket in der Hand; Karriere, ich komme! - von ein paar blöden Rosen und einer g’schmeidigen Erklärung zum Dableiben bewegen ließ?

 

Aber wegen des Wahrheitsgehaltes sehen wir uns diese Filme ja nicht an, sondern wegen des Sehnsuchtpotentials. Und darin liegt die Gefahr, denn bei einem Horrorfilm will keiner selber in die Situation kommen. Bei einem Kriegsfilm steht die Chance ebenfalls schlecht. Bei fast allen Genres leidet man mit den Charakteren, aber bei Liebeskomödien will man sein wie sie.

Es ist das Vielleicht, das die Zuseher verzweifeln läßt: Vielleicht, auch wenn ich noch so erfolglos, so blöd, so häßlich, so schüchtern bin. Vielleicht, wenn er erkennt, daß ich eigentlich seine wahre Liebe bin. Vielleicht, wenn ich in einem anderen Jahrhundert geboren wäre?

Die arme Liebe, was haben wir aus ihr gemacht? Wir fordern von ihr, daß jeder Tag mit dem Frühstück im Bett beginnt und mit Rosenblättern zum Bett endet. Wir verlangen, daß wir uns ohne Worte verstehen und trotzdem über alles reden können. Wir stressen sie mit unserem Wunsch nach permanenter Abwechslung, nach Geborgenheit und Abenteuer, nach Freundschaft und Leidenschaft, nach Freiheit und Nähe.

 

Die arme Liebe! Aber wenn sie nicht an Überforderung gestorben ist, lebt sie glücklich bis ans Filmende.

Nina Munk

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