Kolumnen_Zapped

Teilzeit

Manchmal erscheint sie, oft rentiert sie sich nicht, selten ist sie besser, zu oft wäre es besser gewesen, man hätte sie nie produziert. Aber wenn sie gar nicht kommt, bleibt die Frage offen: Was ist mit der Fortsetzung passiert?    25.04.2011

Es war an einem Freitag, kann aber auch Samstag gewesen sein: Ich hatte nichts vor außer einer Packung Chips und dem Hauptabendprogramm. Und da gleich zwei Sender für "Der goldene Kompass" plädierten, nahm ich den ohne Werbung und blieb hängen.

Ich hatte den Film schon vor ein paar Jahren gesehen, und je weiter die Geschichte voranschritt, desto unguter wurde mein Gefühl. Schon damals hat mich irgendwas gestört. Nur was? Waren es die sprechenden Eisbären? Die Gedankenpolizei, die Kindern ihre Seele stehlen will? Oder die brillant besetzte Nicole Kidman als unberechenbare Eisprinzessin? Nein. Es war das Ende. Die Protagonistin, ein kleines Mädchen, flieht in einem Luftschiff, um ihren Vater zu retten, Nicole Kidman heftet sich an ihre Fersen und ... aus.

 

Das ist vier Jahre her. Das Mädchen sucht bis heute nach ihrem Vater, Nicole Kidman verfolgt sie immer noch, und zwar so lange, bis die Produzenten den zweiten Teil herausrücken - aber der ist derzeit nicht absehbar.

Was kommt danach? Rettet das Mädchen ihren Vater? Wird die Gedankenpolizei in Gedanken bei ihr sein? Kollidiert das Luftschiff mit dem Cliffhanger und stürzt ab? Wir werden es nie erfahren ...

 

Immer öfter stellt man sich als Zuseher die Frage: Hat das denn niemals ein Ende? Egal ob ein gutes oder ein schlechtes, aber wir brauchen eines, und zwar bevor wir vergessen, wie der Anfang war. Wo bleibt die Fortsetzung? Und wenn es eine Fortsetzung gibt, warum hört die nie auf, sondern endet in Sequels und Prequels, die alles zerstören? Bringt denn keiner mehr irgendwas richtig zu Ende?

 

Manchmal wäre es natürlich besser gewesen, man hätte es einfach dabei belassen. Matrix 1 hat gereicht: Die Story war erzählt, der Kult geboren, lange schwarze Mäntel waren plötzlich ein Kassenschlager. Und dann kam Teil 2: Der Kult wackelte, die Mäntel wurden drastisch gekürzt, alle waren verwirrt. Teil 3: Die schwarzen Mäntel wurden verbrannt, der Kultstatus wurde aberkannt, die Leute waren sauer.

Terminator: Der erste Teil war schon zum Niederknien, Teil Zwei fast noch besser. Als Teil Drei in die Kinos kam, war allen ein wenig mulmig zumute: Kann man den zweiten Teil noch toppen? Jetzt wissen wir: Nein, kann man nicht. Also warum es zwanghaft versuchen?

Saw: Ein Ende, das noch den gewitztesten Filmkenner überrascht hat. Aber nach den anderen Teilen würde man sich am liebsten selbst die Hand absägen - und zwar diejenige, die den Bledsinn eingeschaltet hat.

 

Während einige Fortsetzungen stündlich in die Kinos kommen (siehe Twilight), hören andere Stories einfach auf, und den Rest kann man sich denken, aus den Fingern saugen, aufzeichnen und durchstreichen. Ein Beispiel gefällig?

 

Es war ein paar Wochen nach dem Ende von Lost. Der Stachel saß tief, ich war deprimiert und zappte lustlos vor mich hin, aber nichts kam nur annähernd an die beste Serie der Welt mit dem schlechtesten Ende der Welt heran. Ich war kurz davor, den Fernseher endgültig abzudrehen und ins Kloster zu gehen, da sah ich es: Flash Forward.

Eigentlich wollte ich nichts Neues anfangen, ich war noch nicht bereit für eine neue Bindung, aber ich konnte nicht anders: Es war Liebe auf den ersten Blick.

Kurz der Inhalt: Alle Menschen auf der Welt haben zur selben Zeit ein Blackout, währenddessen sie einen Ausschnitt ihrer Zukunft sehen. Im Laufe der ersten Staffel wird klar, wer für das Blackout verantwortlich ist, und jeder Charakter versucht auf seine Weise, seine eigene Zukunftsvision nicht wahr werden zu lassen, bzw. ein neues Blackout zu verhindern.

Die Bilder, die Charaktere, die ständige Frage, ob man seine Zukunft ändern kann oder ob alles vorherbestimmt ist - ich war hin und weg. Ich hab die erste Staffel auf einen Sitz konsumiert, ich hab nicht mehr gegessen, ich hab nicht mehr geschlafen, ich wollte einfach nur wissen, wie es weitergeht. Die einfache Antwort darauf: Gar nicht, die erste Staffel endete mit der Explosion des FBI-Gebäudes und einem zweiten Blackout, der zum Quotentod der gesamten Serie führte.

 

Zu der Zeit hatte ich selbst einen Totalausfall: Ich sah in die Zukunft des Filmes, und sie war düster. Ich sah Teil Vier von Herr der Ringe, ich sah Avatar 10, ich sah Rocky - Der Kampf im Altersheim, ich sah Alien vs. Terminator vs. Jack Bauer, und ich sah Twilight - Biss der Tod uns scheidet.

Und ich sah all die Serien, die ewig in der Luft hängenbleiben - oder so. Pushing Daisies bleibt zum Beispiel für immer sechs Fuß weit drunter. Was sich unter der Oberfläche abspielt, wird in Surface niemals ans Tageslicht kommen. Und ob Twin Peaks jemals ein Ende hatte, weiß man bei David Lynch sowieso nie so genau.

 

Schicksal? Oder kann man es noch endern? Wer weiß, aber ich kauf mir jetzt die Romanvorlage. Ich würde Ihnen dasselbe raten, denn auf ein Happy End können Sie hier lange warten.

Nina Munk

Kommentare_

Andreas Winterer - 28.04.2011 : 10.39
Sprach mir aus dem Herzen.

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