Depeschen aus der Provinz
Peter Hiess lebte mehrere Jahrzehnte in Wien. Dann entschloß er sich, in die Provinz zu übersiedeln. Wie sich das anfühlte, erfahren Sie hier.
EVOLVER-Herausgeber Peter Hiess kam irgendwann auf die krause Idee, aufs Land - oder noch schlimmer: in eine Kleinstadt - zu ziehen. Was er dort erlebte, teilte er einer mehr oder weniger geneigten Leserschaft in seiner Kolumne "Depeschen aus der Provinz" mit. Und fragte gleich in der ersten: Wie bitte? Was haben Sie gesagt? Auf dem Land ist es viel ruhiger? KÖNNTEN SIE BITTE ETWAS LAUTER SPRECHEN?! 15.02.2018
Die erste Regel, wenn Sie aufs Land ziehen wollen, lautet: Ziehen Sie nicht aufs Land.
Denken Sie lieber daran zurück, wie Sie - von Geburt an und seit Jahrzehnten eingefleischter Großstädter - das erste und einzige Mal Urlaub am Bauernhof gemacht haben. An den Misthaufen vor dem Fenster. Die bösartigen Tiere, die nur darauf warten, einem ein paar Finger abzubeißen. Die hundertprozentig finsteren und deprimierenden Nächte, ohne Straßenlaternen und Neonschilder, als nur die Flucht ins Proletenfernsehen blieb. Und natürlich den penetranten Geruch nach Kuhstall, den Sie wochenlang nicht aus der Nase und den Kleidern bekamen.
Wer sein Leben in der Hauptstadt unvorbereitet und ohne Training gegen das in der Einöde ersetzt, wird entweder zum seelisch verwirrten Hippie, der Ziegenmilch anbaut und seine abgeschnittenen Zehennägel zu Kunsthandwerk für den Spittelberg-Weihnachtsmarkt verarbeitet - oder er implodiert. Wuuffff! und weg. Das ist etwa so, als würde man einen Steinzeitmenschen wochentags auf eine Kreuzung mitten in Manhattan teleportieren und dann Wetten darauf abschließen, nach wie vielen Sekunden er starr vor Schreck oder gleich tot umkippt.
Gut, das hätten wir also geklärt. Ziehen Sie lieber in eine Kleinstadt. Es kann ruhig eine kleine Kleinstadt sein, aber bitte eine, wo es Kaffeehäuser, eine Bahnstation und wenigstens das halbe Jahr über Touristen gibt. Irgendwas in der Wachau zum Beispiel. Und am besten mitten im Ort, in der Altstadt. Suchen Sie sich eine gutbürgerliche Wohnung in der Fußgängerzone, und tun Sie guten Mutes so, als befänden Sie sich nach wie vor in der Zivilisation. Schließlich will auch hier der Schein gewahrt sein.
Die zweite Regel, wenn Sie aufs Land ziehen wollen: Hoffen Sie nicht auf Ruhe.
In der Provinz kennt man sowas nicht. Der Städter, der irgendwo da draußen das stille Idyll aus den "Universum"-Sendungen zu finden hofft, wird selbst in der lauschigsten Fußgängerzone um sechs Uhr früh (SECHS UHR FRÜH!!!) von Müllautos geweckt, die gemächlich auf und ab brummen und ihre Kompressionsvorrichtungen knallen lassen, daß es eine Freude ist. Am nächsten Tag kommt dann - natürlich ebenfalls um sechs - eine Straßenreinigungsmaschine, die Sie in den Irrsinn treibt.
Diese organisierte Ruhestörung ist auf die abartigen Schlafgewohnheiten des Landmenschen zurückzuführen, der tatsächlich mit den Batteriehühnern schlafen geht und dann spätestens um fünf Uhr früh mit der Familie am Küchentisch (immer am Küchentisch) sitzt, sich über schlechtem Filterkaffee verzweifelt die Augen reibt und keine Ahnung hat, was er mit dem Tag anfangen soll. Also geht er - wenn es nicht gerade was kreiszusägen gibt - halt den Stadtmenschen quälen. Daraus folgt ...
Regel drei, wenn Sie aufs Land ziehen: Verlegen Sie Ihr Schlafzimmer nach hinten, mit Hofblick.
Wie in der Stadt eigentlich.
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