Kolumnen_Schein-Angriff #3
Außergerechnet
Im Zuge eines Projekts kommt für jeden Projektmanager der Punkt, an dem er am Projekt zu zweifeln beginnt. In der Fahrschule ist das jedes Mal der Fall, wenn ich das Wort "außer" höre. 13.08.2014
Selbst der eingefleischteste Grünwähler kommt irgendwann auf den Punkt. Mein Punkt tauchte vor einem Jahr auf, als der Schwedenofen beim besten Willen nicht auf den Gepäckträger gepaßt hat. Also mach´ ich ihn jetzt. Das große Abenteuer. Die große Freiheit. Mobilität per Gaspedal - den Führerschein. Und das in meinem Alter!
"Auf einer Vorrangstraße im Ortsgebiet dürfen Sie nicht umdrehen." Paßt. Merk´ ich mir. Heißt: Wenn ich das gelbe Schilderl sehe, werde ich mich vor einem plötzlichen Richtungswechsel hüten. Na bitte, ist ja nicht so schwer. "Außer ..." Und schon ist es da, das unbeliebte Wort. Denn die Ausnahmen haben die Regeln längst überholt und bilden eine starke Phalanx gegenüber der Norm.
Aber was ist schon normal? Im Straßenverkehr leider gar nichts. Nicht einmal Rot ist noch Rot, denn ein grüner Zusatzpfeil behauptet Gegenteiliges und erzeugt bei Nichtbeachtung ein wunderschönes Hupkonzert in D-Dur mit dem Namen "Wos fahrst denn ned, du Trottel?!"
Wieder bin ich es, die die Regeln beachtet und nicht die Ausnahmen. Dabei bestätigen diese längst nicht mehr Obiges, sondern sind die Regel. Unsere Welt ist kompliziert geworden. So kompliziert, daß uns ein Schilderwald - ein ganzer südamerikanischer Urwald samt Affen und Boas – den Straßenverkehr erleichtern soll. Nun sind es aber gerade die Affen und Boas, die uns zusätzlich verwirren; beziehungsweise die Wahlplakate, die sich zwischen die wirklich wichtigen Dinge im Leben drängen. Hab´ ich hier Vorrang? Egal, da schau her, was der Strache schon wieder für einen dummen Spruch auf den Lippen hat ...
Und schon quietschen die Reifen, und die Wiener Auto-Philharmoniker stimmen ihr liebstes Instrument. Apropos Hupe: Es gilt übrigens noch, das Hupverbot. Außer, um den Vordermann vor Gefahr zu warnen - zum Beispiel, wenn er heiratet.
Man wünscht sich fast wieder biblische Zeiten herbei. Damals, beim Herrn Moses, da war alles noch einfacher, ohne links und rechts und Gegenverkehr. Auf den steinernen Tafeln stand ja auch nicht: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib, außer es ist Heidi Klum. Wahrscheinlich, weil es extrem aufwendig gewesen wäre, all die Ausnahmen in Stein zu meißeln.
Moses war eher der schlichte Typ. Heute (dem technischen Fortschritt und industriell erzeugten Geboten sei Dank) steht hingegen geschrieben: Du sollst fahren nach der Rechtsverkehrsregel, außer du hast Vorrang. Außer bei einem Kreisverkehr, bei dem du Nachrang hast. Außer ... du siehst Heidi Klum auf der linken Straßenseite, dann darfst du auch auf einer Vorrangstraße links zufahren.
Heute habe ich die theoretische Prüfung. Außer ich hab mich im Schilderwald erhängt.
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