The Toxic Avengers Band: "Puttla"
Enthalten auf der CD "From the Vaults of Dub" (9 Pm)
(Fotos © 2014 Toxic Avenger Band/Fotografen:Detlef Knispel, Fred, Privat)
Was waren das noch für Zeiten? Damals wollten wir gepflegt die Welt aus den Angeln heben und sie etwas cooler wieder einhängen. Lang ist es her, aber an den Spaß, den wir dabei hatten, erinnern wir uns immer noch gern. Findet jedenfalls Manfred Prescher - und erzählt von einem Wunsch-Song, mit dem es zurück in die fränkische Vergangenheit geht. 01.12.2014
Ihr, liebe Leser, dürft euch übrigens weiterhin Songs wünschen. Der Kolumnist bestellt sich derweil einen Cuba Libre und schwelgt in alten Zeiten.
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Das Gedächtnis läßt langsam nach, so ist das, wenn man persil wird. Ich weiß zwar nicht mehr, ob Wolle sich seinerzeit "Poppa W" oder "Papa W" (Dabbeljuh) nannte, oder ob Michael Aitch tatsächlich als "Aitch-Bomb" unterwegs war, aber ich erinnere mich doch gut daran, daß ich schon damals froh war, daß Mike Neun als "Captain Kitzmann" und nicht als Commander Tucher oder so auftrat. Oberst Steinbach ginge für einen echten, bierliebenden Erlanger wahrscheinlich auch noch, aber so wie es war, war es gut.
Der Captain und Frontmann der Toxic Avengers - kennt noch jemand die reichlich obskuren Filme, nach denen die Band benannt wurde? - beglückte uns zur Punkzeit zuerst mit den Suicides. Die waren nicht verschwägert, wohl aber verwandt mit dem US-Elektro-Hardcore-Duo Suicide, hinter dem Martin Rev und Alan Vega standen. Und dann mit seiner Radioshow "Rastaschock" und den Toxies, die quasi die Urväter des deutschen Raggamuffin-Dancehall-Dingenskirchen waren. Was hab´ ich seinerzeit, zufällig beim selben Sender als Musikredakteur tätig, mit Kollegin Plesch über diese Gruppe diskutiert!? Ach, reichlich. Dafür borgte ich mir von ihr jetzt das Wort "Dingenskirchen" aus. Danke – und R.I.P., liebe Tine.
Mit Captain Kitzmann und den Toxic Avengers ging das alles los. "You can make a lot of zasta, mann, if you´re a good Rastaman!" Reich geworden ist der Kapitän mit seinem Reggae-Style zwar doch nicht, aber das liegt meiner Meinung nach an mehreren Dingen: Erstens glaubte der extrem gute Mann schon damals nicht an die Wiedergeburt von Haile Selassie, Lasse Reinbøng, Lassie oder den großen Kürbis, sondern eher an Vincent Price und Christopher Lee. Zweitens nannten sich die Genre-Stars seinerzeit Shabba Ranks, Nardo Ranks oder Tom Ranks, und drittens kamen die Toxies für die Weltkarriere viel zu früh. Sie waren besser, als Seeed je werden können, ihre regionalen Erfolge waren weniger nervig als heutige Hits wie "Oh Natschinu" von Alle Farben, sie sahen besser aus als Bono und waren doch Männer des Volkes. Und sie hatten mit "Dancehall Queen" die tanzenden Abba-Mädels tatsächlich zum Reggae bekehrt.
Die Livekonzerte der Toxies waren legendär, das Bier floß in Sturzbächen über die Zäpfchen der Party People, der Schweiß in Strömen auf die Bretter, die "just for one day" (David "Bowie" Ranks) die Welt bedeuteten, und die Songs machten jedem Laune, der nicht bis drei unter der Erde war. Wer wollte, konnte von den Toxies auch lernen - im Lied "Puttla" zum Beispiel. Zeitgenossen, die des Fränkischen mächtig sind, werden anmerken, daß der Nürnberg-Fürth-Erlanger niemals "Puttla", sondern "Buddla" sagen würde. Außer natürlich, er oder sie versucht einen Anrufbeantworter möglichst hochdeutsch zu betexten, was freilich zum Scheitern verurteilt ist.
Die beste Liebespartnerin von allen findet unseren Dialeggt lustig, aber halt nicht "doddal erohdisch" (Willy Astor). Aber das zählt nicht, sie wurde ja als "zugereiste" Studentin von den Würzburchern nachhaltig sprachlich versaut. Mer wees ja, wie die Essigtrinker da so ticken. Dort heißen mehrere Brote schließlich "Bröter", oder natürlich "Bröder" ... OK, das ist auch süß. Doch zurück zum "Puttla" bzw. "Buddla": Damit bezeichnet der Franke kleine Hühnchen jeder Provenienz, also Küken aller Rassen und Gattungen, aber auch erwachsene Hühner werden so gerufen. Weil man hierzulande sowieso alles verkleinert. Um das ein für allemal zu (er)klären, haben die Reggae-Bübla um Mike Neun den Song geschrieben, aufgenommen und zigmal live gesungen. Musikalisch versierte Leutchen erkannten früh die Nähe zu Louis Jordans Klassiker "Ain´t Nobody Here But Us Chickens", die anderen hatten ihren Fun und gelernt, daß der Franke die süßen kleinen Hühnchen "buddlabuddlabuddlabuddla" ruft. Schneller als Mike kriegt das allerdings zwischen Bamberch und Weißenburch bis heute keiner hin. Das war und ist amtlich.
Jetzt, als ich den Text so vor mich hinschreibe, erinnere ich mich doch auch an Einzelheiten, etwa an den Erlanger Prä-Techno-Hit "Gebt´s ma no a Bier" oder daran, daß mich "Superhartmut" Tommi Linz, das Nürnberger Gegenstück zu Marvels Iron Man, im Radiostudio besuchte und mir erklärte, warum ich als Franke mit dem "R" rolle wie ein holpriger alter Rasenmäher und es nie nie anders hinkriegen werde können. Kurz darauf war meine Zeit beim Sender abgelaufen. Mit einem Wäschekorb voller Post und vielen auf Karten bzw. Briefen geklebten, gemalten oder gestempelten "R" zog ich dann nach München weiter. Dort gibt´s Breznknödel (lecker), den FC Bayern und reichlich überspannte Einwanderer - aber eben weder Captain Kitzmann noch "Buddla". Preisfrage zum Schluß: Wie heißt das Hühnerbein in Franken? Rrrrrrichtig: "Buddlasbaa".
Nächste Woche geht es hier um Prince und "When Doves Cry". Da freu´ ich mich schon mal drauf, denn das Zwetschgenmännlein, das - glaube ich zumindest - aus der Gegend von Münnerstadt/Unterfrangen kommt, mochte ich in den Achtzigern sehr gern. Ein echtes Genie war der. Wer wissen will, ob Prince noch lebt und was er so treibt, wenn die "Täubla" mal nicht herumschreien, der sollte am kommenden Montag hier reinlesen. Bis dahin haltet eure Liebespartner und -innen fest und macht die Mantelknöpfe zu, es wird kalt. Und wer was wirklich Warmes braucht, höre derweil "Puttla".
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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