The Hollies: "The Air That I Breathe"
Enthalten u. a. auf der CD "The Air That I Breathe - The Very Best of" (EMI)
(Photo: Hollies © Michael Ochs Archives 1974)
Achtung, jetzt kommt "Kuschelrock", Teil 4.599 - denn dieses Lied, das für heute auf der Wunschliste steht, ist auf ewig dazu verdammt, zum Rumkuscheln rumsäuseln zu dürfen. Weil es halt eine solch bombastische Ballade ist, daß einem schier die Knie zittern vor Erbaulichkeit. Findet Manfred Prescher. 02.03.2015
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Diese Kolumne widme ich einem ganz besonderen Menschen und hoffe, daß derjenige, welcher sich das Liedlein gewünscht hat, nichts dagegen hat. Eigentlich ist mir das ja wurschtegal, ich laß mir beim Schreiben doch nicht mit der Schere über und durch den Kopf fahren. Gut, die Diskussion fange ich jetzt nicht noch mal an, sollen doch andere ihre unheiligen Kriege führen. Mir ist mehr nach "Schutz und Sicherheit im Zeichen der Burg", doch zurück zum Thema: Diese Kolumne gehört einer ganz besonderen Frau - fränkisch mit dreifach gerolltem "r", also "Frrrau" ausgesprochen. Diese ebenso kluge wie einfühlsame (und, auch das soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben) bezaubernde Person war justament in dem Moment zur Stelle, als ich das Gefühl hatte, direkt aus einem alten Nick-Cave-Song in den Schlund eines feurigen Höllenschlunds geworfen zu werden. Oder umgekehrt.
Die näheren, tieferen und sonstigen anderen Umstände tun hier nichts zur Sache, aber als ich zu fallen drohte, war sie einfach da. Mit Verständnis, Wärme und dem einen oder anderen Tritt in den Allerwertesten brachte sie mich auf Spur, wurde zu meiner Muse und zur besten Liebespartnerin von allen. Als ich das Gefühl hatte, die Luft, die ich einatme, sei entweder hochtoxisch oder schlicht und einfach zu dünn zum Leben, dachte ich an vieles, aber - zugegebenermaßen - nicht an "The Air That I Breathe". Eher an "Creep" von Radiohead.
Was das miteinander zu tun hat? Thom Yorke und seine Mitstreiter gaben und geben tatsächlich erkleckliches Geld an den Autor von "The Air That I Breathe" ab, weil Passagen in beiden Songs sich sehr ähneln. Radiohead haben von vornherein das Urheberrecht beachtet, wie ein Blick auf die Original-Single belegt. Dabei vermag der normale Mensch das mit bloßem Ohr nicht mal zu erkennen, aber ein geschulter Blick auf die Partitur zeigt die Nähe dann doch deutlich. Wahrscheinlich dachte ich seinerzeit auch nicht an die Rundfunkschädel mit ihrem Lied und schon gar nicht an die Hollies. Und wenn, dann etwas später an zwei Singles, die kurz vor "The Air That I Breathe" das kommerzielle Comeback einer Band einläuteten, die mit Hits wie "Bus Stop", "Carrie Anne" oder "Jennifer Eccles" in den sechziger Jahren konstant erfolgreich war: "Long Cool Woman" und "Magic Woman Touch" - aber um die Lieder geht es ja hier und heute nicht.
"The Air That I Breathe" wurde von Albert Hammond und Mike Hazelwood geschrieben. Das glaubt ihr nicht? Gut, wenn ich euch erzählt hätte, daß Hammond die gleichnamige Orgel erfunden habe, bestünde eure Skepsis zu Recht. Aber Hammond hat tatsächlich ein Händchen für mörderisch eingängige Balladen - auch das von Leo Sayer bekannte ("Kuschelrock", Teil 3.758) "When I Need You" ist aus seiner Feder.
Das recht folkige Original des heutigen Wunsch-Miststücks befindet sich auf der LP "I Never Rains In Southern California" und ist erst in der Hollies-Variante so anrührig, daß man es nutzen könnte, um via Augenflüssigkeit den Landstrich rund um San Diego künstlich zu bewässern. Sänger Allan Clarke, der die Band mit Graham Nash - genau, das ist der von Crosby, Stills, Nash & Young - 1962 gegründet hatte, singt aber einfach wunderbarlich über die volle Ladung an schwulstiger Instrumentenbeigabe hinweg. Und wirklich: Manchmal braucht man einfach etwas mehr als nur ein luftiges Arrangement, damit ein Stück atmen kann. Der Vergleich zu Hammonds karger Variante ist da echt angebracht.
Apropos Albert Hammond: Der hat 2010 die zweite CD der damals eigentlich recht angesagten Waliserin Duffy produziert und ihr mit "Too Hurt To Dance" einen Schmachtfetzen in bester "When I Need You/The Air That I Breathe"-Manier geschrieben. Mit dem Effekt, daß das Stück nicht auf einer "Kuschelrock"-CD landete und Duffy ganz plötzlich weg vom Fenster war. Hammond ist dagegen immer noch da, kassiert die Tantiemen für seine vielen Hits wie "Nothing Gonna Stop Us Now" von Starship oder die selbstvertonten "The Free Electric Band", "I´m A Train" oder "The Peacemaker", dem die folgende Zeile entstammt: "You´ll be the maker of the peace/I´ll be the peacemaker". In den meisten Beziehungen ist die Rollenverteilung freilich nicht ganz so eindeutig, da ist jeder und jede einmal der sechsschüssige Colt, der im Original übrigens ab 1873 für Unheil sorgte. Am ehesten ist eine Beziehung harmonisch zu führen, wenn man dem anderen the air zum breathen läßt. In diesem Sinne verabschiede ich mich für heute und verweise schon mal auf die nächste Wunschkolumne.
In der kommenden Woche geht es um Ennio Morricones Titelstück zum Eastwood-goes-to-Italy-Western "Zwei glorreiche Halunken", in dem Pistolen natürlich auch eine wichtige Funktion haben. Der Wünscher wußte freilich nicht, wie jenes tragend-einprägsame Lied heißt, drum sag´ ich das jetzt schon: "The Good, The Bad And The Ugly". Bis denne also.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
The Hollies: "The Air That I Breathe"
Enthalten u. a. auf der CD "The Air That I Breathe - The Very Best of" (EMI)
(Photo: Hollies © Michael Ochs Archives 1974)
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Kommentare_
Diese Frau kann sich glücklich schätzen!
https://www.youtube.com/watch?v=SWBRcWDsHkk
Whatever you want /Status Qou
FRAUEN:"EINFACH ATEMBERAUBEND. . .