Schrenz: "Da Petrus"
Enthalten auf der EP-CD "Schrenz-Kur"
Es hätte auch ganz anders kommen können - und deshalb ist Manfred Prescher richtig froh. Was wäre denn, wenn sich Andrea-Helene Fischer-Berg ein eigenes Liedlein gewünscht hätte? Wenn man mal von der eher moralischen Frage absieht, ob sich jemand Selbstverfaßtes wünschen darf, ist der Song hier deutlich besser. 15.12.2014
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Der eine sucht seinen Geldbeutel, die andere ihr Smartphone, der unsichtbare Dritte nach dem Sinn des Lebens. Und "Da Petrus"? Der hat, wenn wir Schrenz glauben wollen, den Schlüssel verloren. Es gibt freilich keinen Grund, der österreichischen Post-Grunge-Punk-Kombo zu mißtrauen, denn schließlich ist der Typ, der angeblich am Himmelstorpfosten lehnt und "ey, Alder, du kommst hier ned rein" sagt, genauso nach Gottes - oder Göttins - Ebenbild aus der Matsche geformt wie wir "armen kleinen Sünderlein" (Volkslied, berüchtigt unter anderem durch Rudi Carrell und Hans Moser).
Daß Schrenz eventuell Petrus mit dem alten Schweden Gottvaterson verwechseln, könnte gut sein. Denn der allererste Papst ist bekanntlich nur für das Öffnen oder Verschließen des Paradiestors zuständig. Für den Planeten, den wir nur von den Dinosaurieren geleast haben, ist der Herr selbanderweise verantwortlich. Und weil wir davon ausgehen müssen, daß sich der Himmel selten oder nur bei zufälligen Glückskonklusionen auf Erden befindet, ist Petrus sicher der falsche Adressat der giftig-deprimierenden Zeilen dieser gar nicht so sehr Felix-mäßig klingenden Mitmenschen aus Austria.
Aber vergeßlich sein kann der hochheilige Türsteher natürlich schon. Ist ja auch schon alt, der bärtige Urchrist. "So einen Bart" hat die Musik von Schrenz allerdings irgendwie auch. Nicht, daß ihr mich falsch versteht: Der Song ist nicht schlecht, aber irgendwie erinnert mich "Da Petrus" an Abwärts und die Stücke der ersten beiden Alben "Amok Koma" und "Der Westen ist einsam". Die sind so steinalt, daß sie sich leicht wieder als Referenz zum Texten und Aufs-Instrument-Eindreschen eignen. Würd´ mich glatt interessieren, wie Herr Eisenmenger und seine Kumpane auf den naseweisen Vergleich mit den rockenden Polit-Punks um Frank Z. und FM "Mufti" Einheit reagieren. Vielleicht mag man ja nicht mit irgendwelchen Hamburger Piefkes in einen Gulaschtopf geworfen werden. Aber ehrlich, Jungs, der Vergleich hinkt weit weniger als Marco Reus, nachdem er wieder mal vom Gegner "weggerätscht" wurde. Das liegt auch daran, daß sich am Zustand der Welt seit 1979 oder 1982 wenig verändert hat. Es kommt einem sogar so vor, als würde alles immer nur noch schlimmer und schlimmer, was aber doch auch an der wachsenden Nachrichtenflut und unserer Rezeption derselben liegt.
Im Song "Computerstaat" von Abwärts hieß es jedenfalls in grauer Vorzeit so: "Montag klopft es an die Tür, Arafat, der steht vor dir/Dienstag gibt es Probealarm, Paranoia in der Straßenbahn/Mittwoch ist der Krieg sehr kalt, Breschnew lauert in der Badeanstalt/Donnerstag, du weißt es schon: 1000 Agenten in der Kanalisation/Freitag gehört der Mafia, das Radio legt los aus Florida/Samstagabend Irrenanstalt, der KGB im deutschen Wald/Sonntag, da ist alles tot, weil vor Mallorca der Weltkrieg tobt." Tauscht man Breschnew gegen Putin aus, Arafat gegen die IS und den KGB durch die NSA, dann würde das Ganze wieder perfekt zu Schrenz und damit ins Jahr 2014 passen. Natürlich hat Frank Ziegert damals nicht höchstens seinen WG-Küchentisch gewienert, bis die Tasse mit der Melange vom Platzerl springt, aber sonst gibt´s doch Parallelen: "Geister fliehen im Spiegelbild/Da Wilhelm Busch, der führt was im Schild", "Ein Nacktmodell wart´ auf den letzten Akt" oder "In jedem Apfel war der Wurm". Das kann ich allerdings nicht bestätigen. Ich hab´, während ich mir Schrenz anhörte, ein Apferl verspeist - und es war kein Tierchen drin.
Plakativ und bedrohlich wirken die Texte von Thomas Eisemenger, der - wenn ich mich nicht irre - mit Schrenz seine Gedichte vertont. Aber was ein Schrenz ist, muß offen bleiben. Haben sich die Wiener nach einem weithin unbekannten Nest in Sachsen-Anhalt benannt? Wahrscheinlich nicht. Eher wahrscheinlich ist es, daß die gleichnamige Graupappe, die sich zwischen Vorder- und Rückdecke eines Bucheinbands befindet, Pate stand. Schließlich hat die Buchbinder-Nomenklatur doch eher was mit Gedichten zu tun als ein prosaisches Kaff im Niemandsland.
Nächste Woche verabschiedet sich der Rezensent in den wohlverdienten Umzugs- und Weihnachtsurlaub - und das natürlich mit einem Wunsch. Und zwar mit "She´s Always A Woman" und "Just The Way You Are" im Doppelpack. Denn beide Songs stammen von Billy Noel, äh, Billy Joel, und dessen famoser LP "The Stranger" - und sie passen auch gut zusammen. Die Lieder könnt ihr dann den für euch besten Liebespartnern von allen widmen. Bis dahin macht´s gut. Die Ohren braucht ihr nicht steifzuhalten, das erledigt schon die Kälte für euch. Und falls ihr auf der Suche nach Geldbeutel, Schlüssel oder Smartphone seid, denkt an das, was irgendein weißbärtiger Zausel - Moses? Gandalf? Sean Connery? - einst sagte: "Das Haus verliert nix." Der Himmel, liebe Schrenzler, vermutlich auch nicht.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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