Kolumnen_Miststück der Woche IV/15 - Leserwunsch #25

STS: "Da kummt die Sunn"

Echt jetzt - Manfred Prescher will wieder ham in sei Fürstenfeld. Weil ihm das hier so fürchterlich fremd vorkommt: Steirische Buam covern die Beatles. Aber da muß er jetzt einfach durch, schließlich war es ein Leserwunsch.    23.02.2015

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Die beste Liebespartnerin von allen würde wahrscheinlich "Du, die Geschichte hast du gewollt" sagen und mich drauf hinweisen, daß ich wirklich jeden Leserwunsch und jede Leserinnenwunschin erfüllen wollte. Aber sie ist ja erstens auch ein Brumisateur, und zweitens hätte sie das Recht auf ihrer Seite. Denn wer großmäulig ankündigt, über alles und jedes zu schreiben, muß das zwangsläufig auch tun. Aber zuerst muß ich wohl Aufklärungsarbeit leisten und erklären, was ein Brumisateur ist: Ihr kennt Evian? Ja, das kann man trinken oder zum Blumengießen verwenden, als Putzwasser hingegen ist es zu teuer. Erst recht, wenn es in eine Winzflasche gefüllt wird, auf der sich ein Deospray-Zerstäuber befindet. Dann kostet das Zeug so viel wie ein Sixpack mit 1,5-Liter-Bottles Evian, aber es erfrischt die Haut, wenn man sie damit besprüht. Früher hat man sich stattdessen einen kupfergekühlten Eimer Leitungsheimer oder ein paar Schneebälle in die Visage kippen bzw. werfen lassen, aber die Zeiten werden filigraner. Natürlich ist meine Freundin viel größer und spritziger als so ein Flascherl Evian, aber wir fanden, die Bezeichnung wäre ein passender Spitzname.

 

So, das war das Private für den heutigen Tag, jetzt kümmere ich mich mal um die Herren Gert Steinbäcker, Günter Timischl und Schiffkowitz, der eigentlich Helmut Röhrling heißt. Die drei haben sich 1975 zusammengetan, um zu musizieren. Bei der Wahl des Gruppennamens waren sie freilich nicht so besonders kreativ, aber gut. Die Anfangsbuchstaben zusammenzupuzzeln ist allemal besser, als sich Böhse Onkelz zu nennen. Obwohl: Der Name ist eigentlich bei weitem nicht so dämlich wie die Gruppe - und bei Lichte betrachtet bzw. vom musikalisch-historischen Ballast aus Rassismus und Irrsinn befreit, auch recht originell. Zumindest für eine Punkband ...

Punks waren STS sicher nie; sie sind Steirer, und wahrscheinlich schließen sich Punksein und diese spezielle Herkunft irgendwie weitläufig aus. Aber vielleicht ist es auch gut, wenn man recht hübsch bewaldet zwischen Weingärten und Kirchturmspitzen, vulgo abseits vom "Weltengetriebe" (Udo Jürgens, geborener Kärntner) aufwächst. Nun, sei dem, wie es sein mag: Ich erfülle diesen Wunsch ja auch einem Steirer - und der ist seit Jahr und Tag als Koautor von Musikbüchern mit mir freundschaftlich-beruflich verbandelt. Ihn zieht es aktuell von München und mit Umweg über die Toskana tatsächlich wieder retour in die alte Heimat. Man muß und kann das gut verstehen: "Home is schließlich where the heart is", sagte schon der große Bobby Womack selig. Mich hat es aus eben jenem Grund ins Allgäu verschlagen; ich brauche mich also, umgeben von mehr Milchvieh als Homo Dingenskirchens, nicht über die Steiermark zu mokieren. Auf jeden Fall will mein Koautor wieder heim in sein Fürstenfeld, was bei ihm Graz heißt und ein Dorf ist, das für österreichische Verhältnisse wahnsinnig aus dem ländlichen Idyll rausgewachsen ist. Und mit Verlaub: In Graz ist es echt schön.

 

STS jedenfalls haben sich von der Steiermark aus in die Welt hineinbegeben und sind dabei mindestens bis Hamburg gekommen. Wahrscheinlich, so vermute ich zumindest, waren sie immer stolzer auf ihre Herkunft, je weiter sie sich von der heimischen Scholle weggewagt haben. Das ist irgendwie normal, geht sowohl mir als auch meinem Koautor genauso. Jeder hört uns praktisch überall an, daß wir nicht von hier, da oder dort, sondern von anderswo sind.

Das Trio STS scheint mir die Karriere mit Straßenmusik begonnen zu haben, was in höchstem Maße ehrenwert ist. Außer natürlich, man kann nicht mit den Instrumenten umgehen oder pfeift auf der Panflöte "El Condor Pasa". STS sind musikalisch aber sehr versiert, jedes Gruppenmitglied spielt hervorragend Akustikgitarre, und ihr Dreigesang ist sehr harmonisch. Da hört man in den Fußgängerzonen von St. Veit oder Obereinherz gern länger zu und wirft ein paar Drachmen in den Hut.

Spurenelemente ihrer - vermuteten - musikalischen Umtriebigkeit finden sich auch auf dem 1981er-Debütalbum "Gegenlicht", das gleich drei freilufteerprobte Coverversionen enthält: Dylans "Mr. Tambourine Man", das natürlich hier in der Byrds-Variante wiedergegeben wird, "Helplessly Hoping" von Crosby, Stills & Nash sowie "Here Comes The Sun", von George "Drittes Rad am Beatles-Motorrad" Harrison. Und genau das Lied hat sich mein Koautor gewünscht. Warum, erschließt sich mir nicht so ganz. STS singen den altbekannten Gassenhauer wirklich schön nach, aber die Variante ist textlich und musikalisch so nah am Original, daß ich mich frage, wozu es diese Aufnahme eigentlich braucht. Wo doch auf dem ersten Album von Steinbäcker, Timischl und Schiffkowitz wirklich sehr nette, eigene Stücke wie "Zehn Minuten still", "Anfach schön mit dir" oder "Daniela" sind.

 

Aber andererseits ist "Here Comes The Sun" immer schon irgendwie tröstlich. Denn "Immer, immer wieder geht die Sonne auf" (Udo Jürgens, kein Ex-Beatle). Und das ist wirklich schön, um einfach mal in den Poeten-Klischee-Modus zu wechseln: Man ist deprimiert, hat Streß mit dem Hund, Streit mit dem/der Herzallerliebsten, im Auto hockt ein Marder, und das Kreuz tut einem mindestens so weh wie dem Jesus seinerzeit (Wolfgang Ambros, Niederösterreich, Ex-Dylan und Ex-Waits). Draußen regnet, stürmt und schneit es - und das hagelt einem zusätzlich ins Gemüt. In solch einer Situation wäre es schon gut zu wissen, daß die Sonne wieder aufgehen und sich all der Bockmist in Luft auflösen wird. Der Streit wird begraben, mit dem Hund läuft man wieder friedlich seine Ländereien ab, das Kreuz erholt sich auch langsam durch das wärmende Licht der Sunn, und der Marder ist vertrieben. Das hat zwar ein bissl was gekostet. Aber wie sagte der für mich zuständige Finanzbeamte so schön? "Ist ja nur Geld." Eben.

 

 

Das war es für heute erstmal. Nächste Woche beschreibe ich hier einen weiteren Wunsch: Es geht dann um ein Lied, das angeblich von Radiohead in "Creep" verwandelt wurde: das von Albert Hammond geschriebene und von den Hollies zum Hit hinballadierte "The Air That I Breathe". Bis es soweit ist, könnt ihr euch noch Songs überlegen, die hier besprochen werden sollen. Ein paar Plätze im Wunschkreis sind noch frei. Ich hol´ derweil meinen Brumisateur ab und geh mit ihr raus an die frische Luft, denn die Sunn scheint grad wirklich schön. Womit dieses und das nächste Miststück praktisch ohne erkennbare Naht miteinander verbunden wären. Servas, macht´s es guat.

 

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

STS: "Da kummt die Sunn"

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Enthalten auf der CD "Gegenlicht" (Polydor/Universal)

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Kommentare_

Herta Brebolek - 05.03.2015 : 11.57
Lieber Herr McPrescher! Mein Sohn, der scharfäugige, nennt Sie so, weil'S auf dem Misstückfoto ausschaun wie der McGeifer beim "Blinde Kuh" spielen. Bitte sind'S doch so lieb und schreims was über den Fritze mit der Spritze von der Gruppe MAGIC, das is dem Buam sein Lieblingsschlager - er darad sie sicher sehr gfrein, danke, danke!
Manfred Prescher - 08.06.2015 : 16.23
Hallo gnädige Frau,

McGyver wird in Kürze über das Lied schreiben!

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