Der EVOLVER veröffentlicht die Kolumne, die der heimische Blues-Traditionalist Al Cook jahrelang für eine heimische Website schrieb, auf seinen Seiten neu - nicht nur, damit die Texte nicht verloren gehen, sondern weil sie so gut sind. Diesmal erfahren Sie, warum Bluesman und Frauenheld Robert Johnson zum Idol junger weißer Europäer wurde.
01.11.2018
Am 20. Juni 1937 trat Robert Johnson seine letzte Plattensession an. Diesmal wählte man Dallas, wieder Texas. Offensichtlich hatte er mit einigen seiner Lieder Erfolg gehabt - und man entschloß sich, wieder nach Robert zu suchen und ihn vors Mikrofon zu setzen.
Um auf Nummer sicher zu gehen, nahm er Lieder im bekannten Erfolgsmuster auf und versuchte sich an Lonnie Johnson und schlußendlich an Leroy Carr, einem kommerziell äußerst erfolgreichen Singer-Songwriter und Pianisten. "When The Sun Goes Down" war ein sehr populäres Thema, das von vielen interpretiert wurde, und Robert wollte da nicht nachstehen. Eine seiner zahlreichen Bettwirtinnen war eine gewisse Willie Mae Powell, der er offenbar sein "Love In Vain" widmete. Als sie von John Hammond Jr. lokalisiert und interviewt wurde, schmunzelte sie mit leerem Blick vor sich hin, während er ihr die Aufnahme vorspielte. Ja, sie seien ein paar Monate miteinander gegangen, und das war´s dann auch. Offensichtlich trug ihr der arme Robert nicht die Koffer zum Zug, sondern verschwand - wie so oft von Johnny Shines beschrieben - einfach im Morgengrauen auf Nimmerwiedersehen aus dem Blickfeld seiner Geliebten. Willie Mae, die schmerzlich Verlorene, hat "Love In Vain" nie direkt von ihm zu Gehör bekommen.
Vielleicht ist sie ihm während der Aufnahmen eingefallen, weil die Produzenten mit einem Hit à la Leroy Carr ein paar sichere Bucks (Dollars, Anm. d. Verf.) machen wollten. Dasselbe passierte Son House bei seiner legendären Session am 28. Mai 1930, als er unbedingt etwas wie Blind Lemon Jeffersons "See That My Grave Is Kept Clean" aufnehmen sollte. Das bis heute verschollene "Mississippi County Farm Blues" ist eine der gesuchtesten Relikte der Bluesgeschichte.
Aber nun wieder zu Robert Johnson.
Seine manchmal klagende Slide-Gitarre, wie sie in "Hellhound On My Trail" oder in "Milkcow´s Calf Blues" - seiner letzten Nummer - zu hören ist, macht mir eher den Eindruck, als habe Robert hier die richtigen Töne gesucht. Das pentatonische Erbe afrikanischer Musikauffassung ließ in manchen Positionen keine klare Intonation zu. Zwar kannte man die Blue Notes, die irgendwo zwischen großer und kleiner Terz lagen, aber da gab es noch viel mehr - und diese Tonalität klang für europäisch-abendländische Ohren wie klagendes Weinen.
Später machte man aus Robert Johnson einen von Teufeln und hundsgemeinen Weibern gequälten Landgockel, der verzweifelt nach Liebe und Seelenfrieden suchte, aber dabei nur draufzahlte. Meiner und auch Johnny Shines´ Meinung nach war er vielmehr ein unsteter, bindungsunfähiger Egomane, dem eigentlich egal war, wie eine Frau aussah - Hauptsache, er hatte einen vollen Magen und eine Schlafstätte mit femininem Thermophor. Wenn man sich das Bild seiner zweiten Frau Caletta Craft ansieht, kann man nicht gerade von einer Ebenholzperle sprechen. Er verließ sie auch, wie er sie geheiratet hatte, um dann mit Robert Lockwoods Mutter eine neue Zweckbeziehung einzugehen.
Caletta, die ihren Robert vergötterte, starb kurze Zeit später, wahrscheinlich an gebrochenem Herzen oder an Syphilis, die ihr möglicherweise von ihrem Gitarrero angehängt wurde (siehe nächste Folge: "Robert Johnsons Glück und Ende").
Robert Johnson war somit der perfekte James Dean des Blues. Wer den Zerrissenen in seinen Filmen gesehen hat, wird mir beipflichten. Es sollten aber noch mehr als 20 Jahre vergehen, bis ein gewisser Eric Clapton, der später Gitarrist bei der Beat-Gruppe The Yardbirds werden sollte, sich in einem Plattengeschäft die legendäre "King Of The Delta Blues" zulegte. Ein Jüngelchen namens Alois Koch, das sich von nun an Al Cook nannte und ein paar Monate älter als der gute Eric war, tat das gleiche. Die Liner Notes von Frank Driggs waren reißerisch geschrieben, und der Inhalt der Platte hielt, was das Cover versprach. Für unsere Generation, der Elvis bald nicht mehr wild genug war, offenbarte diese LP den totalen Wahnsinn. Viele Musiker aus der klassischen Rock´n´Roll-Ära waren von Johnsons Gesang und seinem schneidenden Gitarrenspiel total von den Socken - und die meisten, wie auch ich, glaubten die phantastischen Schauergeschichten um seine Person. Die postpubertären Bubis, die wir damals waren, sahen in Robert Johnson einen Typ, wie Marlon Brando ihn in dem Film "Der Mann in der Schlangenhaut" darstellte ... nur schwarz und viel wilder.
Eines schönen Tages aber mußte Robert Johnson seine Zeche an das Schicksal bezahlen. Der Tag seines Todes nahte. Son House, der ihn ein gutes Stück seines Weges begleitet hatte, war der Ansicht, daß es an ein Wunder gegrenzt habe, daß Robert überhaupt so alt (27!) wurde und man ihn nicht schon früher umgebracht hatte.
Aber darüber will ich euch dann in der nächsten Episode erzählen. Dort erfahrt ihr, welche neuen Erkenntnisse es über Johnsons Tod gibt und wie Popmusiker mit seinem Namen Blutgeld verdienen.
Unverfälscht, traditionsbewußt und weitab vom Kommerz-, Radio- und Social-Media-Mainstream: So wie Al Cook Musik macht, schreibt er auch - und zwar exklusiv im EVOLVER. Lesen Sie hier seine sehr persönliche Einführung in die Welt des authentischen Blues-Genres und seiner Position im populärkulturellen Musikgeschehen.
Der EVOLVER veröffentlicht die Kolumne, die der heimische Blues-Traditionalist Al Cook jahrelang für eine heimische Website schrieb, auf seinen Seiten neu - nicht nur, damit die Texte nicht verloren gehen, sondern weil sie so gut sind. Im folgenden Beitrag setzt Mr. Cook sein Großprojekt "komplette Diskographie" mit dem zweiten Album "Slide Guitar Foolin´" aus dem Jahre 1973 fort.
Der EVOLVER veröffentlicht die Kolumne, die der heimische Blues-Traditionalist Al Cook jahrelang für eine heimische Website schrieb, auf seinen Seiten neu - nicht nur, damit die Texte nicht verloren gehen, sondern weil sie so gut sind. Im folgenden Beitrag geht es weiter mit der Cookschen Diskographie, und wir erfahren alles über das legendäre Plattendebüt "Working Man Blues".
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Der EVOLVER veröffentlicht die Kolumne, die der heimische Blues-Traditionalist Al Cook jahrelang für eine heimische Website schrieb, auf seinen Seiten neu - nicht nur, damit die Texte nicht verloren gehen, sondern weil sie so gut sind. Im folgenden Beitrag widmet sich Cook der Blues-Legende John Lee Hooker, die mittlerweile auch schon einige Zeit im Himmel Gitarre spielt (oder an dem Ort, wo es weniger langweilig ist ...).
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