Kolumnen_Das Wort zum Samstag
Pimpf die Moral
Er begann seinen Dienst am Christenvolke im benachbarten Blog "ZiB21", bevor er aus Gewissensgründen zum EVOLVER wechselte. Bei uns läßt er jetzt gelegentlich wortgewaltige Predigten los - und der Vollständigkeit halber wiederholen wir jetzt die ersten sechs seiner sonntäglichen Episteln auf unseren Seiten. Am Samstag. Als (einstweilen) letzte Episode lesen Sie die vom 4. April 2009. 06.11.2010
"Man kann dem Herrn auch auf einem Crosstrainer dienen."
Mit diesem Argument brachte mich mein Arzt dazu, gelegentlich vom stillen Gebet Abstand zu nehmen und ein Fitneßstudio aufzusuchen. Dort führt man lebenserhaltende Maßnahmen auf Gerätschaften durch, wo selbst ständige Bewegung nur absoluten Stillstand bewirkt. Um von den philosophischen Implikationen dieser Tatsache abzulenken, ist an jeder der Maschinen ein Bildschirm angebracht. Und der spielt MTV, zwangsweise.
Nun weiß sogar ich, daß auf diesem Sender früher rund um die Uhr Musikvideos gezeigt wurden. Aber die Zeiten sind vorbei. Jetzt widmet sich die Jugendverbildungsanstalt scheinbar einzig und allein der perfiden Kupplerei, mit Shows wie "Wer will meine Exfreundin?", "Leg meine Mutter flach" oder "Der schnellste Weg zur HipHop-Schnalle".
Damit paßt MTV perfekt zur Zuhältermentalität, die sich seit den 90er Jahren in Politik, Wirtschaft und Medien breitgemacht hat. Man braucht sich nicht zu wundern, daß elfjährige Mädchen heute schon daherkommen wie gebrauchsfertige Strichkatzen. Schließlich soll das Volk begreifen: Ihr seid alle Huren (wahlweise: "bitches") - und wenn ihr in dieser Gesellschaft, wo ihr es auf anständige Art nie zu Geld bringen werdet, was werden wollt, dann probiert es doch als Pornodarsteller, Dealer oder Pimps (wenn auch hierzulande mit der Geisteskraft und dem Gefühlsleben der einstigen Pimpfe ausgestattet).
Selbst im staatlichen Jugendfunk und den "Qualitätszeitungen" gelten Sexualarbeiter (zum besseren Verständnis konsultieren Sie bitte meine Predigt vom vorvergangenen Samstag) mittlerweile als Helden, und die Pornoindustrie wird neben dem dummen Fußball - übrigens auch in öffentlich finanzierten Museen - zum legitimen Teil der Popkultur erklärt, auf daß das verpickelte Publikum guten Gewissens weiteronanieren kann. Dabei ist sie eigentlich der schwerste nur denkbare Schlag gegen die Emanzipation und die Menschenrechte im allgemeinen: Frauen und Männer werden in diesem Gewerbe zu Blasbälgern, Dildos und Lochapparaten degradiert, in ihren Lebensäußerungen auf ein unglaublich schmales Spektrum reduziert und zu einem angeblich ewig geilen, allseits verfügbaren Dasein als modernes, entwertetes Lumpenproletariat verurteilt. Und das enthirnte Kleinbürgertum (leider nicht nur das männliche) applaudiert dazu, während es mit dem Rest der Plebs in den Abgrund schlittert.
Geschieht euch recht, möchte man da am liebsten sagen. Aber das darf man als Geistlicher natürlich nicht ...
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