Kolumnen_Das Wort zum Samstag
Raumkrank
Er begann seinen Dienst am Christenvolke im benachbarten Blog "ZiB21", bevor er aus Gewissensgründen zum EVOLVER wechselte. Bei uns läßt er jetzt gelegentlich wortgewaltige Predigten los - und der Vollständigkeit halber wiederholen wir ab sofort die ersten sechs seiner sonntäglichen Episteln auf unseren Seiten. Am Samstag. Und nun: Nr. 1, Februar 2009. 28.08.2010
Wenn Sie schon im Internet herumlümmeln, kennen Sie sicher auch MySpace, einen der Auswüchse des unsäglichen "Social Web", dem auch zeitvergeudende Maßnahmen wie Facebook oder Twitter angehören.
MySpace gibt - wie der Rest des geschwätzigen Web 2.0 - in durchaus philanthropischer Weise jungen und älteren Menschen die Gelegenheit, "Hier bin ich!" zu rufen. "Hallo, hier bin ich und habe nichts und weiß nicht weiter!" Dabei erinnern Programmierung und Layout frappant an die Buntpapier-Collagen, die Kinder früher in der Volksschule anfertigten: grob ausgerissen, ohne Gespür für Form und Farbe zusammengefügt und, weil neue Medien, gern mit katastrophalen Klängen unterlegt.
Vor diesem Hintergrund der Unfähigkeit gibt jeder, der so eine Seite betreibt, der Welt nicht nur Biographisches, sondern auch noch seine banalen Vorlieben bekannt - die Auswahl reicht von Elfriede Jelinek über Bob Dylan bis Buddhismus (für Intellektuelle); von Michael Köhlmeier über Bob Dylan bis Antifa (für Halbgebildete); von Charlotte Roche über Bob Dylan bis Komasaufen (für hoffnungslose Kretins). Man will das alles nicht wissen und erfährt es trotzdem, während der Soundtrack eines verpatzten Lebens im Hintergrund weiterdudelt.
Das angeblich Soziale an MySpace und Konsorten ist jedoch, daß man dort Millionen Freunde finden und keilen kann. Irgendwelche Fremdlinge, die unter unhygienischen Verhältnissen in ihren Jugendzimmern dahinvegetieren (mit 38 Jahren, wohlgemerkt!), zwischen Pizzaresten und faulenden Socken, schicken Anfragen durch den Äther, die da lauten: "Schmuddel38 möchte dein Freund werden." Wenn einen auf der Straße jemand so anspräche, dürfte man ihn per Stalking-Verordnung zu schwerem Kerker mit Dunkelhaft verdammen. Aber nein: Man ist im Internet, also klickt man "Ja!" und findet einen neuen Freund. Und alle zusammen fühlen sich dann sauwohl in ihrer globalisierten Schlammpfütze.
Hätte ich eine MySpace-Seite, so sähe die anders aus. Nach einer strikten Verweigerung privater Daten käme die Rubrik "Was ich hasse", eine schier endlose Aufzählung, die beim ORF anfinge und mit Dylan noch lange nicht zu Ende wäre. Das Hauptgewicht der inhaltlichen Gestaltung würde jedoch auf der Liste erklärter Feinde und abgelehnter "Freunde" liegen - weil man sich’s ja ruhig mit dem Rest der Welt verderben kann, wenn man kein Beamter ist, sondern ein Mann Gottes.
Nur: Wer hat für sowas Zeit? Ich nicht. Deshalb kriegen Sie in Zukunft hier, was Sie brauchen. Jeden zweiten Samstag, pünktlich um sieben.
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