Kolumnen_Unerwünschte Nebenwirkungen
Spätleser
Dr. Trash verordnet: Lassen Sie sich Zeit. Das Leben ist zwar kein langer ruhiger Stuß, in dem man als saturierter Nick-Cave-Hörer im Zeitlupentempo verkochtes Slow-Food inhalieren dürfte - aber eine derart ungesunde Hektik, wie sie uns die verlogenen Medien aufdrängen wollen, ist ja auch nicht nötig. Denken Sie lieber daran: Nichts ist so wertvoll wie die Zeitung von vorgestern. Außer die vom letzten Jahr ...
29.01.2018
Der Doc nimmt die oberste Zeitschrift vom Stapel. "Juni 2017" steht auf dem Umschlag.
Wir schreiben Ende Jänner. 2018. Genießerisch blättert Ihr Facharzt für Fragen der Psychohygiene die ersten Seiten der Illustrierten durch - und bleibt dabei absolut gelassen.
"Aber was da drinsteht, ist ja alles längst nicht mehr aktuell!" wird jetzt vielleicht mancher einwenden.
Richtig, antwortet der Doc. Und das ist auch gut so.
Er hat den Lügenmedien ohnehin schon längst entsagt, konsumiert seit Jahren keine Tages- oder Wochenzeitungen mehr, sieht und hört keinen Staatsfunk. Seit die senile Politmafia auch das Internet zensuriert, interessieren ihn selbst Nachrichten aus dem Online-Äther höchstens noch peripher. Die einzigen Medienerzeugnisse, denen er regelmäßig seine Aufmerksamkeit schenkt, sind ausgewählte Fachzeitschriften zu Themen und Genres der populären Kultur (Film, Musik, Science Fiction), vor allem in englischer Sprache.
Doch auch dabei sollte man nichts überstürzen.
Nach einer lange zurückliegenden und viel zu lange währenden Periode der künstlichen Hysterie, in denen der Doc hektisch Medien aller Art verschlang, um auf dem laufenden zu bleiben, erinnerte er sich gottlob an seine Jugend im vorigen Jahrhundert. Damals hatte er einen Schulfreund, der mit seinem Vater im transdanubischen Gemeindebau wohnte. Die Herren hatten eine der beiden seinerzeit ernsthaft zur Wahl stehenden Tageszeitungen abonniert. Allerdings kamen sie mit dem Lesen nicht richtig nach und schoben daher die jeweils aktuelle Ausgabe ganz unten in ihren Zeitungsstapel im Abstellraum, um sich sodann das oberste Blättchen herunterzunehmen und es ausgiebig zu studieren.
Und siehe da, es begab sich (und zwar immer wieder), daß besagter bester Freund auf den jungen Doc zuströmte und ihm aufgeregt eine Nachricht à la "Stell dir vor, in Indien war ein Erdbeben mit 500.000 Toten!" zubrüllte - worauf der Autor dieser Zeilen lakonisch entgegnete: "Ja, eh. Vor einem Dreivierteljahr."
Erst spät erschloß sich dem Wunderheiler Ihres Vertrauens die geradezu himalayanische Weisheit dieses Verhaltens: Die beiden waren praktisch nie aufgeregt über irgendeinen politischen, wirtschaftlichen oder Chronikteil-Unfug, der mit ihrem Leben nichts zu tun hatte. Wenn in China der bekannte, offenbar höchst wacklig montierte Sack Reis umfiel, war ihnen das wurscht - oder sie überflogen die entsprechende Meldung Monate später, damit sie ihnen erst recht wurscht sein konnte. Sie unterschieden sich in ausgesprochen erfreulicher Weise von einem entfernten (aber bis heute leider nicht wirklich entfernten) Bekannten des Doktors, der alle paar Tage im Bahnhofsbuchhandel einen Stapel Zeitungen und Illustrierte erwarb, um diese dann in seiner ranzig riechenden Junggesellenstube zu horten. Hauptsache, er wußte immer genau, was auf der Welt los war ... auch wenn sich der üble Geruch auf den Charakter auswirkte.
Da der Doc lernfähig ist und im Laufe seines Lebens erfahren hat, daß er - wie auch Sie, lieber Leser! - der Welt egal ist und die Welt daher auch ihm egal sein kann, hat er sich vor einigen Jahren endlich ein Beispiel am guten Freund aus Jugendtagen genommen und handelt nunmehr wie folgt: ein paar Zeitschriften kaufen oder abonnieren, nach Erhalt unten in den Illustriertenstoß schieben und dann immer die von ganz oben lesen.
Man muß schließlich nicht wissen, welche Platte gerade erschienen ist und warum sie genauso klingt wie eine viel bessere Platte vor 30 oder 40 Jahren. Man kann die Hype-Artikel für einen demnächst anlaufenden Kinofilm genauso gut auch lesen, nachdem man den Streifen im Kino gesehen hat und sich selbst ein Urteil bilden konnte. Und vor allem: Man braucht sich nicht dauernd aufzuregen, so wie all die Schreiberlinge, deren Beruf es ja ist, aufgeregt zu sein und ihre Leserschaft in Aufregung zu versetzen.
Stattdessen beobachtet man aus gesunder Entfernung die von der Journaille gepredigten Trends - es scheinen nach wie vor die neuen Schwachsinnigen-Religionen Diversity, Inklusion und Gender zu sein -, bestellt das eine oder andere Blättchen ab, wenn es sich allzu sehr zur feministischen Predigerkanzel wandelt, und harrt der Dinge, die da kommen mögen.
Wenn´s wichtig ist, wird man schon rechtzeitig davon erfahren. Glauben Sie Ihrem Trash. Der ist Doktor.
Dr. Trash
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