Måns Zelmerlöw: "Heroes"
Enthalten u. a. auf der gleichnamigen Single-CD (Metronome)
Diesmal wird kein Leserwunsch erfüllt - aber wie heißt es im "Anhalter durch die Galaxis" so schön? "Don’t panic". Das ist auch echt nicht nötig, denn die für heute geplante Kolumne über Herbert Grönemeyer ist fertig und erscheint am Mittwoch. 25.05.2015
Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?
In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.
Was mußte man im Vorfeld alles über die Qualität des 60. Grand Prix de Dingenskirchen lesen? Wie schlecht doch die Lieder in diesem Jubiläumsjahr seien, zum Beispiel. Richtig gut waren die Songs ja eher selten, und außer Abba, Udo Jürgens und Celine Dion ging es für fast niemanden karrieretechnisch nach oben. Cliff Richard war schon ein alternder Star, als er zweimal recht erfolgreich antrat, und Conchita ist außerhalb Österreichs allen herzlich Wurst. Magersüchtig ist übrigens nie gesund - auch nicht, wenn man das schmale Prince-Gesicht mit Bart zuklebt. Aber lassen wir das. Oder auch nicht: Udos "Merci Cherie", mit dem die kleine Alpenrepublik plötzlich gar nicht mehr so "unterentwickelt" (Helmut Qualtinger) schien, war um Längen besser als der Sieger vom vergangenen Jahr. Dem Vernehmen nach verkauft sich Conchitas CD grad ausgesprochen gut zwischen Eisenstadt und Bregenz, warum auch immer. An der Musik wird es eher nicht liegen. Vielleicht liegt es an dem Phänomen, das der gute alte Letterman mal in etwa so beschrieb: Je engstirniger, prüder und konservativer eine Gesellschaft ist, desto mehr ist sie - allerdings nur im geschützten Raum eines Konzertsaals oder vor der heimischen iTunes-Anlage - offen für schräge VögelInnen. Aber wehe, so Letterman, die stünden plötzlich bei einem vor der Haustür oder am Eingang zur Kemenate ...
Aber nun zurück zum Großen Preis von Wien: Wie schlecht waren die Lieder denn nun wirklich? Gar nicht mal so übel war das meiste, was man da zu hören und zu sehen bekam. Daß Deutschland wiedervereint mit Österreich jeweils mit einem "White Wash" aus der Halle geschickt wurde, ist zwar kaum nachzuvollziehen, weil es schon schlechtere Popsongs oder Beatles-Remakes gab. Apropos: Als "White Wash" bezeichnet man beim Darts-Spiel Matches, bei denen ein Player ohne Punkte bleibt. Fast ohne Punkte blieben auch die faden Franzosen mit ihrem altbackenen Chanson und die Briten, die doch eigentlich wissen, wie gute Musik geht. Aber irgendwie wollen die Stars sich halt nicht bei Usbeken, Armeniern oder anderen Hinterwäldlern sowjetischer Provinienz anbiedern. Was dann doch auch wieder ziemlich arrogant wäre. Wenn dem so ist, müssen den Job eigentlich andere machen - und die Schweden, Belgier, Zyprioten, Letten oder Litauer taten das sehr ordentlich. Daß die Australier (wegen des Jubiläums und weil angeblich so viele Quokkas da unten, wo die WC-Spülung verkehrt herum fließt, den ESC schauen) mithalten können, war zu erwarten. Der Bruno Mars von down under war wirklich sehr professionell und hitverdächtig. Die Teilnahme des fünften Kontinents kann man natürlich auch als logischen Akt kapitalistischer Wertschöpfung betrachten.
Lange sah es aber so aus, als ob das echt falsche Lied gewinnen würde, da ausgerechnet der kreuzfürchterliche Russensong lang an der Spitze lag. Und als dann die deutschen Putin-Versteher auch 12 Punkte für dieses Miststück zusammenkratzten, war mit dem Schlimmsten zu rechnen. Oder auch wieder nicht, denn das Ding wird kein Welthit. Daß dann doch der gar nicht mal so alte Schwede Måns Zelmerlöw gewonnen hat, war ebenso verdient wie klar. Das Lied ist ein echter Ohrwurm, fängt mit einer sanften Replik an Country-Klänge an und wird von pummeligen La-Linea-Gestalten begleitet. Doch, das hat wirklich was. Man darf natürlich nicht erwarten, daß sich beim ESC Innovatoren präsentieren, die gibt es eh nicht. Man muß halt nur, siehe zum Beispiel One Republic, gut mit den Ressourcen umgehen. Und genau das taten auch Elina Born und Stig Rästa; letzterer agierte tatsächlich als jugendliche Ausgabe von Serge Gainsbourg. Oder Aminata Savadogo, die für Lettland zeigen durfte, was man mit dem Archivmaterial von Björk alles anfangen kann. Das ungarische Friedenslied klang nach gutem alten Folk, aber nachdem die Common Linnets letztes Jahr mit recht ähnlich gestricktem Liedgut vorne mitmischten und sogar in die Hitparaden kamen, blieb dieses Mal nur Rang 20 - aber mit 19 Punkten mehr als Deutschland und Österreich zusammen. Den Preis für echte Innovation sollte man eigentlich auch mal vergeben. Verdient hätte ihn der recht jugendliche Belgier Loïc Nottet, dessen "Rhythm Inside" hinter den drei italienischen Tenören, der russischen Krawallschachtel und dem Wikinger auf Platz vier landete. Nottet jedenfalls war frisch, wavig und ungeheuer charmant. Der Song hat Brechungen und irrlichtert auf konsequente Art recht clubtauglich. Den Innovations-Award hat der junge, Casting-Show-erprobte Mann aus Courcelles natürlich nicht in puncto nachhaltiger globaler Musikerneuerung verdient - aber für den Grand Prix war das schon ein besonderer Moment.
Vielleicht bin ich altersmilde geworden, was ich aber nicht glaube. Doch dann muß es so sein, daß die Qualität der Songs doch besser war als befürchtet. Aber das sagte ich ja schon. Das eigentliche Wunsch-Miststück über "Der Weg" von Herbert Grönemeyer gibt´s diesmal ausnahmsweise am Mittwoch. Bis dahin ist der ESC im dunklen Märchenwald der Geschichte verschwunden.
Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER
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