Kolumnen_Linientreu #7
Im Schweiße des Fahrplans
Der vergangene Winter ist uns mehr als genug auf die Nerven gegangen. Es wurde höchste Zeit für eine Veränderung - für eine Christa Kummer, die endlich den Frühling einläutet. Doch die Probleme hören nicht beim ersten Vogelzwitschern auf. In den Öffis beginnen sie jetzt. 22.04.2013
Straßenbahn, U-Bahn, Autobus - die öffentlichen Verkehrsmittel (im Wiener Werbefirmen-Dialekt "Öffis" genannt) sind social ohne network, die dringend nötige Pause zwischen Streß im Job und Streß zu Hause, der bekanntlich viel interessantere Weg zum ohnehin immer gleichen Ziel. Nirgendwo sonst liegen Freud und Neid, Tanzschule und unterste Schublade, Hoffnung und Verspätung so eng nebeneinander. Und die Wahrheit lauert stets irgendwo im Spalt zwischen U-Bahntür und Bahnsteig. Vorsicht beim Einsteigen!
Sie können sich nicht mehr erinnern, stimmt´s? Ein halbes Jahr Mütze und Schal hat das Gedächtnis gelöscht, oder? Aber es muß gesagt sein: Im Sommer ist nicht alles eitel Sonnenschein, schon gar nicht in der U-Bahn. Jetzt, da es wieder wärmer wird, hört das Sudern der Kolumnistin keineswegs auf - denn schon nahen die vier Reiter der Apokalypse, die jede Fahrt zum Höllenritt machen.
Das glauben Sie nicht? Aufgepaßt! Hier steht es geschrieben:
1) Drecksviecher
Die Fenster sind dicht, aber irgendwann muß der Fahrer die Tür aufmachen. Und dann kommt alles rein, was kreucht und fleucht - und ein paar Insekten noch dazu. Die haben keine Jahreskarte, und es fragt sie auch keiner danach. Trotzdem sind sie die widerlichsten Reisegefährten. Schon summt so ein Viech neben dem Ohr, es krabbelt in die Sandale, es fliegt vom vorderen Fenster sicher genau zu dem neben mir, von wo es mich hämisch angrinst mit seinen schiachen Fühlern und den spitzen Beinen. Jetzt Ruhe bewahren. Keine Blöße geben. Nicht hysterisch werden, sonst heißt es wieder: "Typisch." Aber wenn mich das Monster anspringt, hat der Spaß ein Ende, dann pfeif´ ich auf die Kinderstube. Das hat ja auch sein Gutes: Wer im Bus panisch herumfuchtelt, hat bald freie Platzwahl.
2) Lauter Irre
Im Sommer haben die Irren alle Ausgang. Während der kalten Jahreszeit waren sie noch fest und bombensicher in der geschlossenen Abteilung verwahrt; aber kaum steigen die Temperaturen, gönnt man ihnen ein bissl Freiraum. Und den nützen sie auch. Endlich können sie wieder herzeigen, was sie da unten haben, hurra! Nur nicht mir, bitteschön. Der nächste, der mir in aller Öffentlichkeit sein Zumpferl vorführen mag, wird kastriert. Schließlich war ich im Winter auch nicht untätig: Die Messer sind gewetzt und gerade stumpf genug, daß es richtig weh tut.
3) Privatsphäre ade!
Wintermäntel schützen nicht nur gegen Kälte, sondern dienen auch als Bollwerk gegen unangenehme Sitznachbarn. Man kann sich in sie verkriechen, wenn´s nebenan peinlich wird. Man kann in den Schal hüsteln. Und die eigenen Flatulenzen werden im Keim erstickt, bevor sie in die große, weite Welt entweichen können. Im Sommer geht das alles nicht. Es passen zwar mehr Menschen in ein Abteil, weil sie dünner angezogen sind, aber wer will sich schon Haut an Haut an wildfremde Leute schmiegen? Eben. Und der Furz entkommt durch die dünne Sommerhose schneller. Was uns zu Punkt 4 bringt ...
4) Odeur horrible
Wenn es draußen stürmt und schneit, erkennt man die vermeintliche Geruchsbelästigung eventuell schon am Aussehen; eine vorzeitige Flucht ist möglich. Im Sommer ist das nicht so einfach: Auch ein Nadelstreif kann transpirieren. Wie immer macht´s die Menge aus: Schweißfüße, verschwitztes Leiberl und triefende Achselhöhlen sind die geeigneten Zutaten für einen frühzeitigen Ausstieg. Was auch immer manche Menschen machen, bevor sie sich neben mich setzen - bitte keine Marathonläufe mehr! Keine Zwiebeln mehr zum Frühstück! Und weg mit den Plastik-Flipflops! Die stinken schon, wenn man sie kauft ...
Ich weiß ja nicht, wie es Ihnen geht - aber ich kann den Sommer kaum erwarten.
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