Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #35

Seligpreisung des Vergleichens

Nur wegen der "Kolumnen, die die Welt nicht braucht" finden Sie die Kolumnen von Konkurrenten gut. Denn das Mittelmäßige kann erst dann richtig schön sein, wenn man etwas Schlechtes danebenhält.    22.12.2011

Eine Seuche der Moderne ist das moderne Möbelhaus. Ein architektonischer Alptraum, dessen Inneres passenderweise die Alpträume der Innenarchitekten beherbergt. Damit auch Bürger, die den Schlaf der Gerechten traumlos hinter sich bringen, in den Genuß dieser Alpträume kommen, engagieren Möbelriesen käufliche Photographen. Die werden allenthalben als Künstler geschätzt und bewundert, anders als das Gesindel der Journalisten und Werbetexter. Dabei machen sie die gleiche unwürdige Arbeit. Im Fall der Möbelriesen photographieren Sie "Wandgarnituren" und "Wohnlandschaften" genannte Mutanten-Sofas so, daß garantiert völlig ausgeschlossen ist, daß Menschen gleich welcher Verstandesschwäche sich diese Möbel anschaffen möchten.

Das hat aber auch sein Gutes. Denn diese Prospekte läßt ein Möbelriese für Geld den örtlichen Zeitungen beilegen. Das nehmen diese eigentlich nur deswegen in Kauf, weil die pure Existenz dieser miesen Prospekte automatisch den mittelmäßigen redaktionellen Inhalt aufwertet. Das aber kriegt kein Leser mit, weil der ja sofort diese schäbigen Prospekte aus der Zeitung nimmt und sie wegschmeißt - und sich dann wundert, warum die Zeitung so trist und langweilig ist.

Merke also: Lassen Sie die Schweinebauchanzeigenprospekte in der Zeitung, dann liest sie sich einfach besser.

Denn das Mittelmäßige kann nur dann richtig schön sein, wenn man zum Vergleich etwas Schlechtes danebenhält. Die Wahrheit hinter dieser Entdeckung, die ich bescheiden auf mein sonst eher leeres Konto verbuche, sieht jeder ein, der schon einmal versucht hat, eine Gruppe von zwei, drei gutaussehenden Damen aufzutreiben. Von denen ist stets nur eine gutaussehend, und auch nur, solange die häßlichen dabei sind.

Hat man sie erst zu seinem Tête-à-tête ohne ihre Anstandsdamen überredet, wird man ihrer Mittelmäßigkeit gewahr. Meist hat man sie dann schon geehelicht und findet sein Leben eigentlich ganz in Ordnung.

Jedenfalls im Vergleich zum Leben eines venezualesischen Kläranlagentauchers.

 

Aus dem selben Grunde braucht die Welt auch sauschlechte Kolumnen. Die streut man ein, damit die anderen, mittelmäßigen dagegen im Vergleich wie Perlen der Kolumnistenkunst wirken.

 

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Das Bilderrätsel:

 

(Niveauvolle Schreiber wie Ihr Lieblingsautor [=ich] vermeiden allerdings den totalen Bodensatz. Daher habe ich die eigentlich für heute geplante Kolumne mit der Überschrift Klolumnen: eine Scheißidee sang- und klanglos begraben. Sowas würde einfach den Rahmen dessen sprengen, was Sie vom Karl Kraus der Neuzeit [=mir] erwarten dürfen. Alles darin wäre ja bloß irgendwie fäkal gewesen, ein einziger Haufen feuchter Mist mit darin wachsenden Kürbissen, dazu dezente Hinweise auf Klosprüche wie Wie Adolf Hitler sitz' ich hier, die braune Masse unter mir ... Das wäre nicht lustig, und das brachiale Ende des Textes, das als einziges Schlimmeres vermeiden würde, käme dann ziemlich abrupt.)

Andreas Winterer

Kommentare_

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