Kolumnen_Kolumnen, die die Welt nicht braucht #19
Was in der Kolumne vom letzten Mal stand
Niemandem ist es aufgefallen, daher geben wir es an dieser Stelle zu: Fast zwei Monate lang mußte die Welt verzichten: auf Kolumnen, die sie nicht braucht: Über die Hintergründe: Jetzt: Exklusiv: Live: 11.02.2010
Eigentlich sollte dies ja die bereits versprochene Sex-Kolumne werden, aber ich sage Ihnen: No fucking way. Vor sechs Wochen war erst Weihnachten! Da wollte ich eigentlich eine hippe "X-mas"-Kolumne schreiben. Sie wissen schon, das Übliche: daß wir unseren Sinn für das Christfest verloren haben, warum am 24. immer die gleichen faden Horrorfilme in der Dummglotze kommen (statt mal ein paar neue, etwa "The Midnight Meat Train") und was das mit den Mandeln im Spekulatius zu tun hat. Oder daß Jesus, wagte er sich im Dezember in ein großstädtisches Kaufhaus, sich freiwillig mit einer Schachtel Nägel unterm Kreuz einfände, einen Satz wie "Nimm mich, oh Herr, aber das Pack da, das erlöse bitte nicht" brummelnd.
Daß der Santa-Claus-Weihnachtsmann im roten Kostüm eigentlich von Coca-Cola kommt, hätte ich zum Beispiel nicht in diese Kolumne reingeschrieben, denn - meine Güte! - diese betagte Besserwisser-Story hat nun wirklich einen Bart, länger als der des Herrn auf dem Deckenbild der Sixtinischen Kapelle, wo er gerade dem lässig rumfläzenden Adam die elektrische Seele reintasert. Meine ungeschriebene, vor Klischees nur so dampfende Feiertagskolumne hätte so geendet: mit ein paar warmen Worten zu Familie & Werten; mit hilfreichen Hinweisen für optimale Geschenke (Zusammenfassung: Alles außer iPod & iPhone können Sie vergessen); mit einer Klage darüber, daß sich die Kinder heute nicht mal mehr über eine Tafel iSchokolade freuen. Was in Wahrheit ja der Hammer ist, wenn Sie sich mal ansehen, was die Spinner heutzutage für eine Tafel Schokolade haben wollen.
Ich bin - ehrlich gesagt - ganz froh, daß ich diese Weihnachtskolumne nicht geschrieben habe. Die brauchte wirklich kein Mensch. Die Neujahrskolumne hingegen, die wäre nötig gewesen. Die hätte Sie ins neue Jahr begleitet, auf eine heitere Art, wie man sie sonst nur von "Champagnermelodien" mit André Rieu kennt. Jedes Zeitalter kriegt ja den Paganini, den es verdient.
Und ich hatte wirklich fest vor, diese Kolumne - Notizen aus meiner Stoffsammlung: "Auf geht´s!" "Alles wird gut!" "Vorwärts!" – zu schreiben. Doch am Neujahrsmorgen ging es mir einfach unverhältnismäßig dreckig, ein Zustand, der sich hinzog, trotz massivem Aspirin-Ibuprofen-Paracetamol-Abwurf. Kurz dachte ich daran, einfach das Unnütze mit dem Unangenehmen zu verbinden und Alkohol- und Tablettenmißbrauch zum Thema zu machen. Das fand ich allerdings deprimierend und erwarb in der Apotheke eine Vorratspackung Johanneskraut, 900 mg. Jemand, der wie ich in der Öffentlichkeit steht, darf das natürlich nicht offen zugeben, aber Johanniskraut hat mein Leben verändert! Nie wieder plagten mich seitdem trübe Gedanken an postnukleare Kämpfe um Treibstoff, Wasser und Nahrung. Stattdessen genoß ich eine Reihe von Filmen mit Louis de Funès. "Das kann man sich doch nicht ansehen!" werden Sie nun sagen, aber ich schmunzle Ihnen heiter zu: "Kann man sehr wohl." "Brust oder Keule" hält jedem Vergleich mit zeitgenössischer Filmkunst statt, "Fisch oder Fleisch" ist ein rührendes Kleinod, und "Karambolage" (noch in Schwarzweiß) darf als seiner Zeit weit voraus bezeichnet werden, etwa so wie Caravaggio, zu dessen Werk übrigens ein toller neuer Bildband erschienen ist: "Caravaggio XL". (Den hätte ich in der Neujahrs-Kolumne nur nebenbei erwähnt.)
Aus Italien zurück zu den Franzosen, zu Louis de Funès nämlich. Natürlich glotzte ich mich auch durch den Gendarmen-Schrott. Lechzte zwischendurch im Web Bilder der jungen Claude Gensac an (tun Sie es auch - für solche Frauen ist das Wort "putzig" erfunden worden). Und ehe ich es mich versah, war schon die dritte Januarwoche angebrochen.
Ein neues Jahr - mit neuen Neuheiten. Schon in einer Kolumne, die 2009 nicht erschienen war, hatte ich ja prophezeit, daß Google-Bashing einer der kommenden Trends sein würde, ebenso scheinheilige Angebote aus dem Iran, flachere TV-Geräte, funktionsreichere Smartphones und generell: mehr Megapixel. Das trat, wie Sie als Kenner zweifellos bemerkt haben, alles ein. Davon angespornt, hätte meine nicht geschriebene Kolumne vom 14. Januar vor allem auf die großen Themen des Jahres 2010 eingehen sollen. Ich hätte die Megatrends ausgebreitet, ein wenig über die Hintergründe des "Next Big Thing" parliert und in klaren Sätzen verständlich dargestellt, wie Angestellte die kommenden, stürmischen Zeiten überstehen, mehr Geld verdienen und dabei auch noch Karriere machen könne. Und außerdem, was Unternehmen jetzt tun müssen, um die Welle zu reiten und im globalen Big Business zu einem der kommenden Key Player zu werden. Ich hätte ein wirksames Zehn-Punkte-Programm beschrieben, mit dem Politiker die ganze Welt zu Frieden, Glück und Wohlstand hätten führen können.
Hab´ ich zeitlich nicht geschafft, schade. Ich hatte einfach zu viel Streß.
Das Leben als Selbständiger ist nämlich die Hölle. Sie sitzen da und starren das Telefon an wie ein Privatdetektiv in einer Film-noir-Satire. Doch es klingelt nicht. Ergo beschließen Sie, doch einfach mal die Wohnung neu zu streichen. Muß ja auch mal gemacht werden; warum nicht jetzt, wo eine Auftragsflaute Ihnen den Wind aus den Segeln bläst? Kaum haben Sie den Boden abgeklebt und Farbe besorgt, die Wände vorgeschliffen, Fußbodenleisten und Türrahmen gesichert und so fort - schon klingelt das Telefon, und ein Auftrag rutscht rein. Er ist mies, der Auftrag, er bringt wenig Geld, der Auftrag, er ist verdammt viel Arbeit, der Auftrag, aber er ist besser als nichts. Also nehmen Sie Idiot, also ich natürlich, Sie nehmen also diesen Auftrag an, verbindlich, denn kleines Geld ist besser als großer Hunger. Es dauert keine Stunde, schon klingelt das Telefon, und der nächste Auftrag drückt rein, gute, interessante Arbeit, anständige, angemessene Bezahlung, leider dasselbe Abgabedatum wie die miese Arbeit, die Sie bereits verbindlich angenommen haben. Klar, wären Sie in dieser Situation, würden Sie, wie ich, auch diesen Auftrag noch mitnehmen, würden hier und da würdelos um Terminpuffer betteln ...
Um es kurz zu machen: Ich saß dann also da, inmitten von Abdeckplanen und Farbeimern, miese Arbeit für wenig Geld mit der linken, gute Arbeit für gutes Geld mit der rechten Hand verfassend, als das Telefon klingelte (natürlich piepte das E-Mail, ich meine das jetzt mehr metaphorisch) und wichtige Kurzaufträge bei neuen, wichtigen Must-Have-Wunschkunden ankündigte. Auch die nahm ich an, nicht ahnend, daß zur selben Sekunde - ich lüge Sie nicht an! - meine Waschmaschine den Geist aufgeben würde. Es setzte eine Kette von Haushaltsgeräteausfällen ein, die sich nach der Küche durch den sanitären Versorgungsbereich fraßen und meine gesamte Wohnung lahmlegten. Wo gerade etwas nicht leckte, überfror oder durchglühte, schossen Dampf oder Wasser heraus. Ich aber - und meine Auftraggeber wissen das zu schätzen - arbeitete konzentriert weiter, um mich herum knallende Sicherungen, explodierende Mikrowellen und zum Mieter unter mir durchbrechende Badezimmer. Zur Entspannung las ich in den Pausen gähnend Dantes "Inferno" und wünschte mich heiter glucksend in das Finale des Filmes "Menschenfeind" von Gaspar Noé.
Warum erzähle ich Ihnen das? Natürlich als Ausrede. Weil ich Ihnen all diese Probleme, die mich davon abhielten, die vergangenen vier oder fünf Kolumnen zu verfassen, eigentlich ausführlich in der Kolumne vom 28. Januar schildern wollte - doch auch die konnte ich nicht verfassen, aus den Gründen, die ich Ihnen, hätte es sie nicht gegeben, natürlich schon damals geschildert hätte.
Das alles hat ehrlich gesagt niemanden gestört. Ich mache mir da wenig Illusionen - meine Kolumnen hier braucht keiner. Dennoch bitte ich Sie, so dünn meine Ausreden auch sein mögen: Nehmen Sie bitte diese bescheidene geschriebene Kolumne als kleine Entschuldigung für die vielen nicht geschriebenen an, auch wenn sie alle besser und geistreicher gewesen wären als diese hier.
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Hier das Bild, das ich in den vergangenen, nicht geschriebenen Kolumnen mehrmals nicht veröffentlicht habe:
Kommentare_
Wow - alleine für den Tipp mit den Bildern von Claude Gensac ein großes DANKE! :-) Auch schon über 80 die Dame - unglaublich!
Die ist sicher auch mit 90 noch putzig.