Depeschen aus der Provinz
Peter Hiess lebte mehrere Jahrzehnte in Wien und zwischendurch eine Zeitlang in der Provinz. Jetzt ist er in seine Heimatstadt zurückgekehrt. Endlich.
Solange der wirtschaftliche Aufschwung auf sich warten läßt, können Sie sich ja in der guten alten Tradition des Miststirlns üben. Das spart nicht nur Geld, sondern ist auch lehrreich. Nicht nur für Kolumnisten. 07.07.2020
In Wirklichkeit wollte ich ja diesmal was ganz anderes schreiben, aber oft überrollen einen die Ereignisse. Am Wochenende zum Beispiel, als ich nach dem Verlassen der Wohnung ausnahmsweise nicht gleich zum Haustor, sondern zum Altpapierkübel strebte. Bei Thomas Bernhard wurde aus solchen Umwegen gleich ein Roman, aber ich mach´s kurz, naturgemäß.
Ich öffne also den Deckel, um nachzuschauen, ob noch Platz beim Papiermüll ist. Aber nein - der Kübel ist nicht nur voll wie immer, sondern quillt geradezu über vor Klopapierinnenrollen. Sie wissen schon, dieses Pappendeckelzeugs, das überbleibt, wenn man das Häuslpapier aufgebraucht hat. Für das gibt´s übrigens scheinbar keinen eigenen Namen, also nennen wir es kurzerhand "Stapperln", weil es das Wort bei Google noch nicht gibt. Und im Papierkübel kugeln nicht nur zwei oder drei davon herum, sondern mindestens dreißig oder vierzig. Warum nur? frage ich mich da, weil ich wie so oft nix Gescheiteres zu tun habe, und male mir gleich ein paar Szenarien aus: Gibt´s vielleicht eine Hauspartei, bei der die Stapperln sich am Klo anhäufen, bis sie eine riesige Kartondüne bilden, die einem schon beim Öffnen der Tür zu des Kaisers letzter Zuflucht entgegendriftet? Und hat eine gestrenge Gattin ihrem Ehemann dann irgendwann geschafft, das Klumpert endlich wegzuräumen, damit sie bei der Verrichtung wieder ihre Füße sehen kann? Oder ist ein heimliches Heimwerkergenie auf die krause Idee gekommen, aus den Stapperln ein billiges Mobile für den Säugling zu basteln und ihm das Gebilde dann über die Wiege zu hängen (bis die gestrenge Gattin daherkam und - siehe oben)? Handelt es sich vielleicht gar um Zubehör für eine mir bis dahin unbekannte Variation des Liebesspiels, von der ich bitteschön gar nix wissen mag ...?
Als ich so dahergrüble, kommt von meiner eigenen gestrengen Gattin, die seit drei Minuten weggehfertig ausharrt, ein ungeduldiger Zischton, der mich zum sofortigen Aufbruch veranlaßt. Aber jetzt drehen sich meine Gedanken auch beim Sonntagsspaziergang logischerweise nur mehr um Mist.
Viele von Ihnen werden jetzt meinen, das sei nichts Neues - aber diese vielen können sich auch gern brausen gehen oder am Ort der Stille ein bissl mit ihren Stapperln spielen, während andere Leute ihr Gehirn beschäftigen. Der sogenannte Hausmüll ist nämlich alles andere als unwichtig. Denken Sie nur an die vielen Krimis, in denen sich der Ermittler als Miststirler betätigt, um Beweise für eine gar grausame Mordtat zu finden. Oder an die sensationshungrigen Reporter in Hollywood, die sich frühmorgens an den Kübeln der Promis vergehen, weil sie ihrem Publikum unbedingt verkünden wollen, ob das Starlet X jetzt zum Beispiel OB Extra verwendet, der Oscar-Preisträger Y einen ungewöhnlich starken Viagra-Verbrauch hat oder der hypererfolgreiche Regisseur Z sich zu Hause auch nur von Packerlsuppen ernährt, wie wir richtigen Menschen.
Der Müll läßt erstaunliche Schlußfolgerungen über seinen Verursacher zu. "Zeig mir deinen Mist, und ich sage dir, wer du bist", praktisch. Dieses Motto könnte man eventuell der Wiener Umweltstadträtin verklopfen, die seit Jahren der für unseren Abfall zuständigen MA48 ein cooles Image verpassen will - und dabei immer punktgenau danebenhaut. Aber egal. Bis die Beamten ein "Müll-Analyse-Tool" ins Leben rufen, mit dem jeder internetfähige Stadtbewohner sich anhand seiner Mistsackln ein Persönlichkeitsprofil erstellen lassen kann, wird´s noch dauern. In der Zwischenzeit dürfen Sie sich selbst Fragen stellen und die passenden Antworten darauf (er)finden.
So ist etwa die Annahme durchaus zulässig, daß ein Individuum, das seine Red-Bull-Dose in ein Blumenrabattl schmeißt, während ihm die ausgepreßten Gummibären aufstoßen, ein Volltrottel ist. Man darf auch vermuten, daß sich die Asche- und Tschikhalden im Rinnstein darauf zurückführen lassen, daß die Herren mit den erwähnten Gattinnen daheim nicht mehr rauchen dürfen, sich also im Winter ins Auto setzen, um ihrer Sucht erfrierungsfrei nachzugehen - und vor der nächsten Ausfahrt mit Fichtennadelspray und Aschenbecherdumping die Spuren beseitigen wollen. Aber warum bieten Medienmacher ihr Altpapier an U- und Straßenbahnstationen an, nur damit die Leute es ein paar Stationen weiter wieder in den Mist werfen (wo es ja auch hingehört)?
Sie sehen: It´s a mist-ery. Und das mußte jetzt sein ...
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