Kolumnen_Schein-Angriff #2
Der platonische Schein
Vor dieser ersten Woche Fahrschule bin ich gleich zwei gewaltigen Irrtümern unterlegen. Erstens dachte ich, daß mein Alter ein Vorteil wäre. Und zweitens, daß Verkehrsregeln logisch sind. Jetzt weiß ich, daß ich nichts weiß. 01.08.2014
Selbst der eingefleischteste Grünwähler kommt irgendwann auf den Punkt. Mein Punkt tauchte vor einem Jahr auf, als der Schwedenofen beim besten Willen nicht auf den Gepäckträger gepaßt hat. Also mach´ ich ihn jetzt. Das große Abenteuer. Die große Freiheit. Mobilität per Gaspedal - den Führerschein. Und das in meinem Alter!
Macht man den Führerschein, wenn man weit über 30 ist - aber immer noch unter 40, das sei hier festgehalten! -, dann hat man im Laufe des Lebens ja schon einiges gesehen. Von absoluter Weisheit bin ich vielleicht noch ein, zwei Jahre weit weg, aber ich erkenne einen Volltrottel im Straßenverkehr, wenn ich ihm begegne. Aufgrund dieser während der absolvierten Lebenjahrzehnte gewonnenen Erkenntnisse ist es jedenfalls logisch, daß ich die weltbeste, am meisten qualifizierte Fahrerin überhaupt sein müßte, oder?
Schmecks.
Ich sitze also im IK 1 HG um 13Hundert (Hürde 1: die Kürzel. IK heißt Intensivkurs, der Rest ist nur Deko). Vor der Stunde bin ich noch ziemlich zuversichtlich, das Programm mit links zu schaffen, da mir das alle bestätigt haben, die ich mit meinem Plan konfrontiert habe: "Schaffst locker." "Des is ja a ka Atomwissenschaft." "Easy cheesy." Nach der Theoriestunde hab ich mir überlegt: Die, mit denen ich da gesprochen hab´, haben den Führerschein vor 30 Jahren gemacht, als gerade die Kopfstütze und der Sicherheitsgurt in Mode gekommen sind. Und zwar in Sigridsgstetten an der Langweil. Und ich mache den Führerschein in der Weltmetropole Wien zu einer Zeit, in der man gerade darüber nachdenkt, die Helmpflicht auch für Fußgänger einzuführen. Und besagte Freunde wollen mir erzählen, wie leicht man den Führerschein macht?
Wenn ein Raumschiff von rechts kommt und Prinzessin Leia auf einem weißen Schimmel von links, während die Lichtanlage vor uns ausgefallen ist und Ronald McDonald den Verkehr regelt - wer hat dann Vorrang? Und darf man Raumschiffe als mehrspurige Kraftfahrzeuge bezeichnen?
Wenn ich mit 130 km/h auf der Autobahn fahre, ist der Bremsweg 130dividiertdurch10mal130dividiertdurch10. Der Reaktionsweg ist 130dividiertdurch10mal3. Wie lange ist der Anhalteweg, der sich aus Bremsweg plus Reaktionsweg errechnet? Und wen interessiert das, wenn ich durch die kleine Rechenaufgabe so abgelenkt bin, daß Prinzessin Leia eh schon auf der Motorhaube pickt?
Und dann wieder folgende Prüfungsfrage: Was muß ich tun, wenn ich merke, daß ich während der Fahrt müde werde? A: das Radio laut aufdrehen. B: auf der Mittelspur herumkrebsen. C: anhalten und ein Schläfchen halten. D: ein Schnapserl trinken.
Ich schwanke noch zwischen Schnapserl und aufgeben.
Was hat mich bloß geritten, jetzt noch den Führerschein zu machen?
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