Kolumnen_Schein-Angriff #1
Kommen lassen!
Viel zu lange haben uns die Beiträge unserer Lieblingskolumnistin Nina Munk im EVOLVER gefehlt - aber sie ließ uns wissen, daß sie momentan so viel anderes zu tun hat. Jetzt haben wir endlich herausbekommen, was: sie macht den Führerschein! Und natürlich haben wir sie gleich dazu vergattert, auch darüber etwas zu schreiben … 20.06.2014
Selbst der eingefleischteste Grünwähler kommt irgendwann auf den Punkt. Mein Punkt tauchte vor einem Jahr auf, als der Schwedenofen beim besten Willen nicht auf den Gepäcksträger gepaßt hat. Also mach´ ich ihn jetzt. Das große Abenteuer. Die große Freiheit. Mobilität per Gaspedal - den Führerschein. Und das in meinem Alter!
Auch begeisterte Öffi-Fans wissen es längst: Mit dem IKEA-Regal ist nicht gut U-Bahnfahren. Das ist natürlich nicht der einzige Grund. Es war Gruppenzwang: endlich mitreden, wenn sich alle aufregen. Es war der Drang nach Unabhängigkeit: Muß ich mich wirklich dauernd vom Freund kutschieren lassen? Und es ist praktikabel: Er darf trinken, ich muß nicht unbedingt.
Also los. Anmeldung bei der Fahrschule - sehr kompliziert. Soviel Auswahl, alles individuell buchbar, aber auch alles einzeln zahlbar. Am besten ist ein Intensivkurs, kombiniert mit einer Extraportion Fahrstunden, und wenn ich es dann noch nicht überrissen hab´, vielleicht doch das große L in den Wagen stellen. Solange, bis ich mit einem süffisanten Lächeln zur praktischen Prüfung komme. Aber wozu das alles eigentlich? Ich bin ja nicht auf der Nudelsuppe dahergeschwommen.
Der erste Feldversuch beweist bereits, daß es so einfach auch wieder nicht von der Hand geht. Oder vom Fuß, der hat anscheinend kein Gefühl fürs Kommenlassen. Außerdem weiß ich trotz wiederholter Aufforderung des Geübten am Beifahrersitz noch immer nicht, was das eigentlich heißt: kommen lassen. Warum muß ich das Gas kommen lassen? Braucht´s eine Einladung? Wenn ich draufsteig´, sollte es doch gehen, nicht kommen - und schon gar nicht hüpfen. Warum tut es das? Fragende Blicke zur Seite werden nur mit Angstschweiß belohnt. Und einer Hand, die zitternd zur Handbremse wandert.
Zweiter Feldversuch, diesmal auf betoniertem Feldweg. Klar, es lag sicher am Schotter, der kann die Testfahrten ja nur bremsen. Und jetzt hab´ ich auch Sportschuhe an, die Bergschuhe waren fürs Gefühl so zuträglich wie ... naja, Sie wissen schon, Sexmetapher.
Tatsächlich, ich lasse kommen. Ist ja wirklich nicht so schwer, was brauch´ ich da einen Schein, bin eh schon ein Führer. Aber jetzt, wirklich perfide und nur, um mich wieder mal aufzublattln, kommen vom Beifahrer verschärfte Regeln: fahren, stehen bleiben, reversieren, einschlagen, in die andere Richtung fahren. Der Weltfremde hat den Film nicht verstanden - so was kommt in der Praxis doch sicher nie vor.
Ab sofort unterschreibe ich jede Petition für Kreisverkehre. Ich plädiere für Straßen, die geradeaus und in einer schönen, langen Schleife zum Ausgangspunkt zurückkehren. Es gibt einfach zu viele Ecken im Straßenverkehr, wer hat das eigentlich erfunden? Reversieren wird ab sofort gestrichen. Genauso wie Blinken und Kommenlassen. Wir müssen uns mehr aufeinander zubewegen anstatt kommen zu lassen! Die Kupplung ist asozial, und das Gas macht munter mit, das ist die harte Realität im Fahrgeschäft. Soll ich mich diesem Egoismus wirklich beugen?
Fortsetzung folgt. Hoffentlich.
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