Kolumnen_Miststück der Woche IV/17 - Leserwunsch #27

Ennio Morricone: "The Good, The Bad And The Ugly"

Eigentlich war der Western Mitte der 60er Jahre mindestens so mausetot wie so mancher Revolverheld, der in den Pferdeopern einer Kugel im Weg stand. Aber mit einem Schlenkerer über Italien kam das Genre dann sogar wieder in die USA zurück. Schuld daran waren - vor allem - ein Regisseur, ein Soundtrack-Spezialist und ein frühzeitig abgehalfterter US-Schauspieler, wie Manfred Prescher weiß.    09.03.2015

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Welcher der vielen Italowestern nun der beste und sehenswerteste ist, ist natürlich Geschmackssache. Für mich ist es Corbuccis "Leichen pflastern seinen Weg" mit einem famos-bösen Kinski. Aber natürlich haben die Meisterwerke von Sergio "Once Upon A Time In America" Leone ihre Plazierungen in meinen "Top 100 der besten Filme aller Zeiten" sicher. Speziell die sogenannte "Dollar-Trilogie", die in den Jahren 1964 bis 1966 das Genre neu definierte, gehört zum Feinsten, was bis dato durch - in diesem Falle freilich europäische - deserts schoß. "Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar mehr" und das Prequel zu diesen beiden Streifen, "Zwei glorreiche Halunken", verblüffen noch heute mit ihrem verschleppten Tempo, das die Anspannung und die quälende Pein im Zeitlupentempo erfühlbar macht. Lange Einstellungen, sehr knappe Dialoge und eine Welt, die eben nicht die schnieken Wohlstandscowboys im Stile eines Henry Fonda oder Gary Cooper - nichts gegen die beiden großen Schauspieler - hervorbrachte, sondern eine feindliche, zu heiße und sehr ärmliche Drecksgegend mit gestrandeten Gestalten.

Inmitten dieser Einöde galoppiert ein einsamer, tatsächlich namenloser Mann, wortkarg und eigentlich ziemlich mißmutig herum. Und den spielt einer, dessen Zeit mindestens ebenso abgelaufen schien wie die der "klassischen" US-Western: Clint Eastwood, der zwischen 1959 und 1965 den Cowboy Rowdy Yates in der Fernsehserie "Rawhide" - genau, "rolling, rolling, rolling, all the streams are swollen ..." - bzw. "1000 Meilen Staub" gab. Eastwoods Vertrag lief aus, die Serie wurde nach immerhin sieben Staffeln eingestellt, und von "Dirty Harry" oder der mehrfach Oscar-gekrönten Karriere als Regisseur war wahrscheinlich nicht mal in Clints Phantasie die Rede. Doch dann kam Sergio Leone, der Sohn des italienischen Stummfilmregisseurs Roberto Roberti, und schuf die Figur, der Clint eigentlich zeitlebens irgendwie treu blieb.

Was für ein staubtrockenes und hartes Leben man im eher harschen als Wilden Westen führen mußte, kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Wir haben praktisch alles, was man braucht, und vieles, was man nicht braucht - etwa "Wellness-Schinken". Sowas gibt es wirklich, wenn wir der Angebotsdurchsage im Supermarkt glauben wollen - und zwar für weit weniger als eine Handvoll Dollar. In den Leone-Filmen geht es natürlich um Geld, das sagen schon die deutschen Verleihtitel, aber was man mit dem gestohlenen oder erbeuteten Knaster anfangen kann, bleibt eigentlich unklar. Denn mehr als ein Pferd, eine Pfanne mit irgendwelchem undefinierbaren Zeug ab und zu, ein paar Zigarren und seine Revolver braucht eigentlich nicht mal der böse, von Eli Wallach gespielte Tuco in "Zwei glorreiche Halunken". Man kann - und muß - die Leone-Western also auch als Absage an den Kapitalismus und die Sinnlosigkeit des Mammon-Anhäufens verstehen.

 

 

Besondere Wirkung erzeugen Leones Filme, wenn sich Handlung und Bildsprache mit den Sounds von Ennio Morricone verbinden. In "Zwei glorreiche Halunken", der eigentlich "The Good, The Bad And The Ugly" heißt, wird die Musik eingesetzt, um Spannung und Entspannung zu schaffen. Das Titellied ist überdies so bekannt, daß es selbst Leute zu summen oder mitzupfeifen verstehen, die den Film nicht kennen. Der Song, der mit typischen Morricone-Chören, Hall, unerbittlichem Rhythmus, Kojotengeheul und anderen schrägen Tönen, die etwa an in der Mittagshitze auf das Ende des Showdowns und damit hoffentlich einhergehenden Wellness-Schinken wartende Geier oder deren Geräusche erinnern, ist - wie der Leone-Streifen selbst - zur absoluten Stilikone geworden: Oft zitiert, in Songs gesamplet oder etwa von wilden Rappern bzw. von Damon Albarn als Projektname verwendet, ist "The Good, The Bad And The Ugly" ähnlich zeitlos wie das Titelstück zum "Dritten Mann", wie "High Noon (Do Not Forsake Me Oh My Darlin´)" oder das Fast-Instrumental aus Colonel Bogeys "River Kwai March", das auf fränkisch "Bärbel, du hast mein Rengschirm gschdohln" heißt.

Die "Dollar"-Trilogie steht, das sei mein Fazit, auch für die geniale Trinität von Gott Sergio, seinem eingeborenen Sohn Clint und dem heiligen Geist Ennio. Und die haben mit biblischen Bildern und adäquater Musik tatsächlich immer noch gesellschaftlich relevante Dinge zu sagen. Denn worum geht es all den Heuschrecken hier und heute immer noch? Um eine Handvoll blutverschmierter Dollar. Geld stinkt übrigens doch ...

 

 

Und wo ich schon bei Westmännern bin: Ich hab´ vor kurzem einem Konzert des großen, sehr einmaligen Kinky Friedman beiwohnen dürfen, der frisch und frei über Gott, die Welt oder Amerikaner, die es heute nicht mehr gibt - er nannte Abe Lincoln, Martin Luther King und Neil Young - erzählte, eine Geschichte über seinen wirklich unglaublichen Vater las und witzelte: Er sei, behauptete er, mal mit dem Zug durch Österreich gefahren und im kleinen kotelettförmigen Land mit dem größten Alpenanteil innerhalb einer handgestoppten halben Stunde an den Geburtshäusern Mozarts, Hitlers und Schwarzeneggers vorbeigekommen. Kinkys Kommentar: "That´s the evolution of mankind in 30 minutes." Und wohin hat diese Evolution geführt? Zu Wellness-Schinken zum Beispiel. Na denn.

Ach, eh ich es vergesse: Daß diese Kolumne geschrieben wurde, lag am EVOLVER-Chefredakteur; der Mercenario aus einem Wiener Vorort hat sich dieses Stück gewünscht. Natürlich trage ich nächste Woche wieder eine Song-Bestellung auf eure Tablets oder sonstwohin: Dann wird es um Harry Belafontes "Love Love Alone" gehen, dem eine sehr merkwürdige, königliche Geschichte zugrundeliegt. In diesem Sinn: Denkt nicht so viel an Dollars - sondern an Menschen, die ihr liebhabt.   

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Ennio Morricone: "The Good, The Bad And The Ugly"

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Enthalten u. a. auf dem gleichnamigen Soundtrack (Capitol)

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Kommentare_

ULLA - 15.03.2015 : 17.06
SUPERSCHÖN... Das Ukulele Orchestra
DANKE

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