Depeschen aus der Provinz
Peter Hiess lebte mehrere Jahrzehnte in Wien. Dann entschloß er sich, in die Provinz zu übersiedeln. Wie sich das anfühlte, erfahren Sie hier.
Außerhalb der Großstadtgrenzen sprechen die Menschen nicht nur viel lustiger Englisch, sondern machen auch sonst alles anders - wie Ihr Kolumnist unter Schmerzen feststellen mußte. 14.06.2018
Verehrte Leser und -innen! Sollten Sie sich bei der Lektüre meiner vorigen Kolumne gefragt haben, ob da was fehlt, dann muß ich Ihnen leider sagen: ja. Es war die Schlußpointe, das letzte "eh", der alles entscheidende Gag, gnadenlos entfernt von einem müden Graphiker, der ins Wochenende gehen wollte und sich wahrscheinlich gedacht hat: "Wegen die zwa Buchstaben fang i ka neue Zeiln an." Wer mir schreibt (per Elektro- oder Schneckenpost), dem schicke ich das fehlende "eh" gern auf einer netten Ansichtskarte zu. [Anm. der EVOLVER-Redaktion: Wir haben den fehlenden Schlußgag natürlich in der vorigen Kolumne wieder eingefügt. Trotzdem wollen wir Ihnen mit diesen ersten Zeilen demonstrieren, wie sagenhaft blöd es in Zeitgeist-"Männermagazinen" zugeht ...]
Aber man macht sich ja doch seine Gedanken, wenn sowas passiert. Hassen die Wiener Zeitschriftenmacher uns Neo-Provinzler etwa so sehr? Oder war alles nur eines dieser Mißverständnisse, wie sie einem auf Schritt und Tritt begegnen?
Zum Beispiel damals, als ich im Sommer - bevor der wegen globaler Erwärmung bereits Mitte Juli behördlich geschlossen wurde - durch die Gassen schritt und mich fragte, ob meine neue Heimatstadt vielleicht am Äquator liegt, weil die Sonne hier zu jeder Tageszeit im Zenit steht. Ich erkundigte mich bei einer weisen Einheimischen, die mir zur Antwort einen zarten Fausthieb auf den Hinterkopf versetzte und sagte: "Du Depp, das liegt dran, daß wir hier so niedrige Häuser haben."
Eigentlich logisch. In der Stadt schleppt man sich zwar von einer schattigen Straßenseite auf die andere, schaut aber nie zu den oberen Etagen hinauf, weil einem sonst die Tauben auf die Stirn scheißen. Und dann nimmt man automatisch an, daß die Lichtverhältnisse überall so sein müssen. Klassisches Mißverständnis.
Ich denke da auch den Tag, als ich einen hochbegabten jungen Mann kennenlernte, der gerade seine selbstentworfene neue Wohnstatt bezogen hat - ein Passivhaus. Nun habe ich ja schon bei sogenannten Niedrigenergiehäusern stets vermutet, daß die Bewohner müde darin herumhängen wie ein stinkerts Gsöchts und nix weiterbringen. Aber gleich ein Passivhaus? Warten dort alle nur darauf, daß ihnen wer die Pizza bringt und sie nach dem Essen zum Geschlechtsverkehr aufeinanderlegt? Ein weiterer, schon etwas stärkerer Faustschlag klärte auch diesen Irrtum auf. Zwangsweise.
Um zu verhindern, daß meine Fontanellen aufplatzen, stelle ich einfach keine Fragen mehr. Auch dann nicht, wenn die Leute behaupten, daß sie eine "saure Jause" zu sich nehmen wollen – und ich fix damit rechne, daß gleich Essigwurst und Zitronenkracherl serviert werden. Weit gefehlt! Dort, wo ich jetzt wohne, werden sämtliche Geschmacksrichtungen, die nicht süß sind (also salzig, bitter, sauer und grauslich) unter "sauer" zusammengefaßt, sogar das gemeine Käsbrot.
Bei der Gelegenheit könnte ich Ihnen eigentlich auch erklären, welche kulinarische Perversion sich hinter dem Begriff "saurer Radler" verbirgt, aber da wird der Graphiker sicher wieder ab
Depeschen aus der Provinz
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