Kolumnen_Miststück der Woche III/97 - Leserwunsch #7

Andreas Dorau & die Marinas: "Fred vom Jupiter"

Es gibt Lieder, die sind so unverschämt einfach und eingängig, daß sie Jahrzehnte überdauern. Ein gutes Kinderlied etwa - eines wie dieses Kleinod, das sich ein Leser für diese Kolumne wünschte.    06.10.2014

Nun, ihr könnt euch ebenfalls Herzens- oder Sonstwas-Songs wünschen, die dürfen leicht oder schwer sein. Und das Beste: Manfred Prescher muß sie nicht mal mögen.

 

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Wie war das noch gleich 1981? Da muß ich doch mal ein wenig in den Tiefen der Gedächtnis-Vogesen blättern ... Damals war der große Scott Bradley gerade unterwegs, um den Kosmos leerzutrinken bzw. zu retten - was ungefähr auf das gleiche herausgekommen sein dürfte. An einem denkwürdigen Abend im "Restaurant am Ende des Universums" bestellte er sich seinerzeit diverse pangalaktische Donnergurgler und überlegte, ob er auf dem Rückweg mal beim Jupiter vorbeischauen soll. Natürlich wollte er nicht den antiken Gott heimsuchen, dessen Größe war ohnehin längst durch irgendwelche monotheistischen Glaubensrichtungen weithin verblaßt. Nein, er wollte sich darüber informieren, wie der Fred da drüben auf seinem an Stürmen reichen Planeten so zurechtkam. Angeblich ging noch während des Gelages die Wolle aus, und Bradley mochte sich danach partout nicht mehr daran erinnern, daß er vorhatte, auf dem ungastlichen Himmelskörper zu landen. Beim Katerfrühstück war keine Rede davon, allerdings hatte die zwölfköpfige Katze aus der Beteigeuze sein Gedächtnis voll im Griff. Nie und nimmer hatte er so einen Plan ins Triefauge gefaßt. Wo käme er denn da hin? In des Teufels windige Tiefkühltruhe wahrscheinlich, sprich auf den Jupiter. Und Stürme mit Geschwindigkeiten von 600 km/h und mehr - das hält die massivste Landestütze nicht lang aus.

 

Abgesehen davon hielt er den Fred für ein ähnliches Weltraumkindermärchen wie Mork vom Ork, Alf oder den dreibeinigen Nashornhund von Rigel 5. Aber wie kam Scott nun wirklich auf den Fred vom Jupiter? Nicht, daß ihr denkt, er hat irgendwo von ihm gelesen oder einen interessanten Film im gefühlsechten, interkosmischen 7D-Fernsehen gesehen. Nein, es war ein kleines Lied, das ihn mit der Figur konfrontierte. Es ging ihm seinerzeit nicht aus der von der Schwerelosigkeit, der ewigen Nacht mit seinen schwarzen Gähnlöchern und den Donnergurglern gezeichneten Denkmurmel.

Bei Lichte eines sonnigen Planeten betrachtet, hätte er den Besuch auf dem bitterkalten Jupiter ohnehin ankündigen müssen. Denn der Fred war - wenn wir dem Schlager glauben dürfen - viel unterwegs. Er mußte anno 1981 zum Beispiel auf der Erde notlanden, weil ihm der Sprit ausging. Und angeblich erwies er sich hier bei uns als "Schwarm aller Frauen" und wurde dabei von so vielen Damen mitgenommen, daß die Männer ihrerseits sauer wurden. So ähnlich jedenfalls ging das Lied und geht es auch heute noch. Allerdings hört man es aktuell fast nur auf alten Mixtapes - gut, die sind fast alle alt - oder auf Neue-Deutsche-Welle-Retroverblödungs-Parties bzw. im Spaceshipcassettenrecorder von Scott Bradley, was oft auf das gleiche herauskommt. Bradley ist schließlich ein Bruder in Freds Geiste. Allerdings nur in Bezug auf die amourösen Verwicklungen.

 

Das Lied entstand übrigens während der Musikprojektwoche einer Hamburger Gesamtschule. Der Text wurde geschrieben von Natalia, Nicole und Birgit, die Musik brachte der 16jährige Andreas Dorau ein. Als die Single auf den irdischen Markt kam, hat der Schlingel allerdings glatt vergessen, die jungen Frauen als Autorinnen zu erwähnen. Schlimme Sache. Seinen speziellen Charme verdankt das Stück den Schülerinnen Claudia, Michelle, Dagmar, Isabelle und Christine, denn die begleiten die doch eher spröde Stimme Doraus. "Fred vom Jupiter" wurde ein mittelgroßer Hit und Andreas Dorau, der kurz darauf mit seinem Filmstudium begann, lieferte uns danach via Ata Tak immer wieder nette Platten. Die wurden, wie schon "Blumen und Narzissen" - das Album zur Single - kaum wahrgenommen, hatten aber was. "Demokratie" (genau: "langweilig wird die nie") oder "Ärger mit der Unsterblichkeit" sind zwei wirklich nett kurzweilige LPs, die kaum einer mehr kennt. Ach - und da ist ja auch noch die Kurzoper (!) mit dem Namen "Guten Morgen Hose". Doch, doch, es gab mal Zeiten, da hießen Platten oder Songs so.

Einen Irrtum muß ich natürlich noch aufklären, weil Scott Bradley den Jupiter damals ja nicht besuchte: Dort heißen die Typen, wie man mittlerweile herausgefunden hat, Karl-Heinz, Knut-Olaf oder Hans-Otto, aber in der Regel nicht Fred. Ihr müßt das wirklich nicht überprüfen, denn diesen Eisplaneten kann man nur ertragen, wenn man genug Donnergurgler, wenigstens aber ausreichend südusbekischen Büffelwodka intus hat, denn er ist ein garstiger Ort. Dort eine offene Kneipe zu finden, ist genauso schwierig, wie seine Notdurft im Freien zu verrichten. Das wäre mangels beheizter Rastplätze allerdings dringend nötig. Schließlich ist der Jupiter das Größte, was unser Sonnensystem zu bieten hat.

 

 

 

Nächste Woche erfülle ich einen weiteren Hörerwunsch. Es mag vielleicht nicht der größte Song im Universum sein, aber die Künstlerin hat es - nicht zuletzt wegen ihrer Jazzplatte "Mingus", bei der sie mit dem Altmeister zusammen spielte - verdient, daß sie justament hier gewürdigt wird. Unzählige sehr meisterinnenmäßige Songs wie "Both Sides Now", "Turn Me On, I´m A Radio" oder "Chalk Mark In A Rain Storm" hat sie geschrieben. Und weil das so ist, erfülle ich den Wunsch gern: Das kommende "Miststück" dreht sich um "All I Want", fürwahr auch ein schönes Lied der kanadischen Musikerin. Bis es soweit ist, macht ihr am besten einen Bogen um den Jupiter, wärmt euch bei euren Liebsten und sucht nach Songs, die ihr euch wünschen könnt. Live long and prosper!

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

Manfred Prescher

Andreas Dorau & die Marinas: "Fred vom Jupiter"

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Enthalten auf der CD "Blumen und Narzissen" (Büro B/Indigo)

 

(Foto: Sönke Held)

Links:

Andreas Winterer - Scott Bradley

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EVOLVER BOOKS (Ö 2011)

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Kommentare_

Andreas Winterer - 06.10.2014 : 09.13
Danke Dir! Es bleibt der größte (Leichtpop-) Hit des Universums!

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