Kolumnen_Miststück der Woche IV/19 - Leserwunsch #29

DÖF: "Codo - düse im Sauseschritt"

Gibt es so etwas wie eine deutsch-österreichische Freundschaft? Wahrscheinlich hört die beim Geld auf. Früher war das so, wenn man - frei nach Sokrates´ Dahinscheiden - aus dem Schillingsbecher zu trinken hatte. Der kostete das Siebenfache des Dehmark-Preises in Austro-Dollar. Heute wäre das das 14fache in Euronen, rechnet Manfred Prescher.    23.03.2015

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

 

Des Mittelalters größter Depp war bekanntlich der gar nicht mal so edle Ritter Sepp. Daß die Dumpfbacken aber seitdem nicht ausstarben, ist bekannt, da muß man nicht nach "Zwegida, Nügida, Frigida" (Erwin Pelzig) schauen, da genügt ein Blick ins nächstgelegene Neanderthal. Oder auf einen anderen Stern, wie es eine Leserin tat. Zumindest wünscht sie sich das Lied vom "cosmischen Dolm" (Codo) bzw. eben dem kosmischen Deppen. Als solchen beschreiben ihn jedenfalls Joesi Prokopetz und Manfred Tauchen, die wir kennen und schätzen sollten, weil sie mit dem mittlerweile hochbeleibten Herrn Ambros nicht nur den "Watzmann", sondern vor allem eben auch "Schaffnerlos" und den "Augustin" verfaßten. An die Zeile erinnere ich mich zum Bleistift immer wieder schaudernd, aber gern: "Ja, ja, der Schleim schlatzt schlitzig aus dem Schlund, Schlund/Des is, des is, des is net gsund." Das stimmt, genau wie die Tatsache, daß "Schaffner" und "Schaffner" nicht dasselbe ist, weil man nun mal "ein Schaffner" oder eben "ein Herr Schaffner" sein kann.

 

 

Im Falle von Tauchen und Prokopetz kann man aber tatsächlich sowohl Kabarettist als auch vorübergehender NDW-Star sein. Und nachdem NDW-Stars ohnehin ein eher vorübergehendes gesellschaftliches Phänomen waren, kamen die beiden Österreicher kaum in Konflikt mit dem eigentlichen Job. Das galt auch für ihre Karriereabschnittspartnerin Inga Humpe, die mit den Neonbabies für Furore sorgte, auf den ganzen "Hustle um die Knete" keinen Bock hatte und sich später in ihre winzige Zweiraumwohnung irgendwo in Berlin zurückzog.

Vorher, genauer gesagt 1983, schrieb und sang sie als deutsches Element der völkerverbindenden Triole noch am Lied über den kosmischen Deppen mit, der ihrer Meinung nach ein ziemlich herzensguter Weltallkollege war. Denn, so Humpe, hatte er vor, Liebe, Lachen, Laune der besseren Sorte und so weiter auf der Hühnerleiter herumzustreuen, auf daß wieder Friede herrsche im Sonnensystem. Außerdem, so sagte sie mir seinerzeit im Interview, wisse man bzw. frau gar nicht, ob der Codo überhaupt ein Mann ist, für sie sei er geschlechtslos bzw. sei das Geschlecht undefiniert. Gut, das ist besser als gänzlich geschlechtslos zu sein, wenn man, frau oder sonstwas es mal einfach vom Lustfaktor aus betrachtet.

Jedenfalls kam der die das Codo zu uns heruntergesaust, daß es auf Maxisingle seine 5:11 Sekunden lange Art hatte, kämpfte gegen den Haß, der - wir wissen das, oder sollten es wissen - ziemlich häßlich ist. Aber so häßlich er auch sein mag, ist seine Fratze dennoch und bis heute überall zu sehen. Selbst eigentlich unschuldige Tiere bleiben nicht verschont und werden, so nicht noch was passiert, von irgendwelchen Idioten per App sehr real erschossen. Daß Codo nicht der größte Depp im Universum ist, sei damit bewiesen. Aber eigentlich bedarf es keines solchen Belegs des menschlichen Irrsinns. Und Codo? Der ging an seiner eigenen Gutgläubigkeit und an der doch allzu harmlosen Melodie zugrunde.

 

 

"Codo" war jedenfalls ein Riesenhit, aber einer von der Sorte, der mit einer gewissen Pestilenz - genau, "der Schleim schlatzt schlitzig aus dem Schlund, Schlund, des is, des is, des is net gsund" - zunächst auf uns zurollte, uns dann überrrollte und es schließlich doch nicht schaffte, uns sofort die Pershing samt der niederen Instinke auszutreiben. Das konnte zuvor auch Nena mit ihren "99 Luftballons" nicht. Den letzten habe ich übrigens am vergangenen Samstag beim Aufräumen des Autos der besten Liebespartnerin von allen und ihres Kindes gefunden - er sah ganz runzlig aus, irgendwie traurig, wahrscheinlich, weil er es nicht bis in die Ukraine oder nach Syrien geschafft hat. Dort hätte man ihn vermutlich eh für eine Drohne aus den USA, China oder von Google gehalten, aber ich hätte ihn wenigstens nicht entsorgen müssen. Vielleicht hätte sich aber auch ein "Tindlein" - "aber wenn das Tindlein größer/darf´s spazieren geh´n/Weil sonst tönnt´ das tleine Tindlein/Gar nie schöne Sachen seh´n" - sehr über das rosa Ding gefreut und wäre tanzend und singend, lachend und springend im Sauseschritt durch die jeweilige Gegend gedüst. Das hätte der Codo ganz sicher so gewollt.

DÖF ist sozusagen das zentraleuropäische Äquivalent zu DAF, der Deutsch Amerikanischen Freundschaft von Robert Görl und Gabi Delgado-Lopez, der übrigens nie beim FC Barcelona spielte - er heißt nur so, als könnte er dort gekickt haben. Nächste Woche geht es hier um deren Tanz auf dem Vulkan der Weltgeschichte: "Der Mussolini". Auch dieser politisch nicht besonders korrekte Früh-Techno-Ritt durch den verbotenen Finsterwald, in dem bekanntlich die Erinnerungen an die Despoten frostige Urständ feiern, ist ein Leserwunsch. Das Ding lief damals im "Kitsch" rauf und, vom DJ aus gesehen, rechts an der Bar wieder runter. Und wieder von vorn ... Es gab, aber damit endige ich jetzt, indem ich die klammen Fingerchen im Sausetempo über die Tastatur hineilen lasse, damals übrigens auch eine sehr witzige Variante der Kombo Mythen in Tüten. Die Hannoveraner forderten auf, den Tortellini und den Stracciatella zu tanzen, was wir ebenfalls gern taten.

Bis ihr darüber lesen könnt, seid lieb zu euren Mitmenschen und bedenket, was der große Philosoph Joseph Maria Dingenskirchen einst sagte: "Eine Ratte ist auch nur ein Mensch." In diesem Sinne, schaut, daß ihr gut riecht, gut denkt, gut handelt und gut liebt.

 

 

Redaktioneller Hinweis: Lesen Sie auch Manfred Preschers E-Book für die Ewigkeit: Verdammtes Miststück! Die ersten 200 Pop-Kolumnen aus dem EVOLVER

 


Manfred Prescher

DÖF: "Codo – düse im Sauseschritt"

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Enthalten auf der CD "DÖF" (Ariola Exp / Sony Music Austria)

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Kommentare_

mo - 25.03.2015 : 07.42
wie wärs mit dem ururenkel von frankenstein?
Der, der sich zurückerinnert .. - 02.04.2015 : 10.25
Irre ich, oder stand DÖF nicht für Deutsch-Österreichisches FEINGEFÜHL?

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