Kolumnen_Al Cook im EVOLVER #2

The Blues Is Still Alive

Der EVOLVER gibt sich die Ehre: Der österreichische Musiktraditionalist Al Cook verfaßte für eine heimische Blues-Website fast 80 Folgen einer Kolumne über sein Lieblings- und Lebensthema. Da die Texte heute leider nicht mehr online sind, haben wir ihm angeboten, sie bei uns neu zu veröffentlichen. Und wir beginnen, wie sich das gehört, ganz am Anfang.    25.01.2018

Liebe Blues-Fans!

 

Ich freue mich sehr, daß mir bei euch eine Webseite offeriert wurde. Für mich alten Hasen, der vor ein paar Jahren das Internet noch für eine Geheimdienstorganisation gehalten hat, ist diese Möglichkeit, mich einem breiteren Publikum vorzustellen, ganz großartig.

Viele junge und dazugestoßene Fans wissen nicht, daß ich es war, der vor nunmehr fünf Jahrzehnten dem Blues im deutschsprachigen Raum ein seriöses Gesicht gegeben hat. Bis Mitte der Sechziger galt diese Musikrichtung selbst in "eingeweihten" Jazzkreisen als bedeutungslose Baumwollpflückermusik, die zumindest die ethnologische Etikettierung "primitiv" über sich ergehen lassen mußte. Blues und Boogie-Woogie hatte etwas Halbseidenes an sich und wurden sogar von Schwarzen als Teufelsmusik abgetan.

"Du kannst nicht mit einer Hand Gott dienen und mit der anderen dem Teufel", sagte der Mississippi-Bluesman Son House einmal. In der Tat schickte ihn seine Frau aus dem Haus, wenn er die Gitarre zur Hand nahm ... Ich erkor den Blues dennoch zu meiner künstlerischen Muttersprache. Das war 1964, nachdem die Beatles meinem Idol Elvis Presley den Todesstoß versetzt hatten und die Musik zu swingen aufhörte.

 

Als ich am 27. Februar 1945 geboren wurde, galt das Konsumieren sogenannter undeutscher "Niggermusik" als Hochverrat. Viele Jazzfans der ersten Stunde können ein Lied davon singen, wie sie in kalten Schweiß gebadet unter der Bettdecke amerikanische Soldatensender hörten, die sowieso nur harmlose Glenn-Miller-Hits spielten. Der Blues hatte damals auch im weiß dominierten Amerika keine Stimme. Die schwarzen Stars, die wir zu hören bekamen, waren durchwegs geölte Nachtclubtypen vom Kaliber eines Nat King Cole. Und wenn es wirklich hoch herging, wurde sogar Louis Jordan gespielt.

Dem Blues wurde - wie seinen Erfindern - zu allen Zeiten Unrecht angetan.

Als die Giganten des Country-Blues noch auf Erden wandelten, kam ein Musical-Komponist namens George Gershwin auf die Idee, schwarze Folklore in den Aspik pseudoklassischer Orchesterarrangements zu binden. Auf dem Mississippidampfer sangen sodann schwarze Halbsklaven mit ausgebildeten Opernstimmen und wurden pauschal als unglückliche, kindische Wesen dargestellt, die sich im großen und ganzen nur selbst bemitleideten. Sogar der großen Bessie Smith unterlegte man einen Schmalzchor, als sie den "St. Louis Blues" zum Herzzerreißen schön sang.

Heute ist das nicht viel anders. B. B. King, der die alten Tage noch als Kind erlebt hatte, mußte mit Popmusikern kollaborieren, um sich im Geschäft zu halten, und das große Geld machten Eric Clapton & Co. Ich war oft in harte Diskussionen mit Clapton–Fans verwickelt, weil die nicht wahrhaben wollten, daß ihr Idol eben nur ein Exponent der Populärkultur und kein Bluesmusiker im authentisch-historischen Sinn ist. Ich habe aber nie ein Qualitätsurteil über Clapton abgegeben - dazu habe ich zu wenig Beziehung zur Popkultur. Ich trete nur gegen den scheinbar unbesiegbaren Etikettenschwindel auf, mit dem die Medien das Publikum indoktrinieren und unsereinem jede noch so kleine Marktchance zunichte machen.

 

 

1965: Ich fasse den Entschluß, mich nicht mehr als Elvis für Arme mißverstehen zu lassen und mache durch meinen Nachbarn Bekanntschaft mit dem authentischen Blues. Da mich diese Musik bis ins Knochenmark fasziniert, adoptiere ich den Blues als persönliche Ausdrucksform. Es genügt mir nicht, bloß Musikstücke zu interpretieren, sondern ich integriere durch autobiographische Texte auch meine Persönlichkeit.

Da ich aber selbst mit größter Anstrengung nicht schwarz werden kann, behalte ich mein 50er-Outfit bei - und es ist bis zum heutigen Tag mein Markenzeichen geblieben.

Es folgen lange Jahre der Konfusion des Publikums, das mich aufgrund meiner Erscheinung trotzdem noch für einen billigen Elvis-Imitator hält und mit meiner Blues-Auffassung nicht zurechtkommt. Doch mit dem Erscheinen der britischen Blues-Welle und der Woodstock-Bewegung kommen die Zuhörer auch meiner Musik näher. Schnell werde ich zur lokalen Berühmtheit, und viele junge Blues-Fans können den Sound ihrer Platten durch mich live erleben.

Wie ich aber retrospektiv feststellen muß, baute mein Erfolg eher auf einer Art Alien-Effekt auf, der in unserer schnellebigen Zeit bald an Anziehungskraft einbüßte. So mußte ich mir also noch eine Portion missionarisches Sendungsbewußtsein zulegen.

So weit, so gut. Solltet ihr diesen Beitrag interessant finden, dann bekommt ihr bald mehr über verschiedene Themen des Blues zu lesen, die vielen Fans bis heute unbekannt sind - zum Beispiel das "Teufelsmärchen" um Robert Johnson.

Also, nicht vergessen: The Blues Is Still Alive

 

Euer

Al Cook

Al Cook im EVOLVER


Unverfälscht, traditionsbewußt und weitab vom Kommerz-, Radio- und Social-Media-Mainstream: So wie Al Cook Musik macht, schreibt er auch - und zwar exklusiv im EVOLVER. Lesen Sie hier seine sehr persönliche Einführung in die Welt des authentischen Blues-Genres und zu seiner Position im populärkulturellen Musikgeschehen.

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Al Cook


Pionier und Legende ... auf seiner Website können Sie CDs und die Autobiographie des Künstlers bestellen und erfahren auch seine aktuellen Konzerttermine.

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