evolver.at || Miststück der Woche IV/8

Kolumnen_Miststück der Woche IV/8 - Leserwunsch #18

Billy Joel: "She´s Always A Woman" & "Just The Way You Are"

Der "Piano Man" aus der Bronx ist einer der erfolgreichsten amerikanischen Künstler der 70er und 80er Jahre. Er hat weltweit mehr als 150 Millionen Tonträger verkauft. Zu Recht, sagt Manfred Prescher - und erfüllt mit dem Liebeslied-Doppel einen weiteren Leserwunsch. 22.12.2014

Manche Dinge ändern sich einfach nie: Du wachst morgens auf - und noch bevor sich das Hirn einschaltet, singst du, daß du nur noch die Welt retten mußt oder daß Geld guat brenna tuat. Widerstand ist absolut zwecklos, das Miststück setzt sich in dir fest. Begleitet dich ins Bad, zum Frühstück und in den Job. Manchmal freust du dich, weil dir zufällig ein alter Bekannter durch die Denkmurmel stromert, manchmal ist es dir schlicht peinlich. Wer will schon gern über sieben Brücken gehen oder von Jürgen Drews in den Tag geleitet werden?

In dieser Kolumne geht es um hinterhältige und fiese Lieder, die sich in dir festsetzen.

Ich wurde - wie die meisten Fans von Billy Joel - erst mit dessen fünftem Studioalbum "The Stranger" auf den Künstler aufmerksam. Was war bzw. ist das aber auch für eine geniale Platte! Sie umfaßt nur neun Songs, ist etwas mehr als 42 Minuten kurz, aber tatsächlich vom ersten Ton von "Movin´ Out (Anthony´s Song)" - nur echt mit Hühnergegacker - bis zum Fadeout von "Everybody Has A Dream/The Stranger (Reprise)" perfekt. Das Teil müßte auf eine einsame Insel mit, zumindest, wenn ich selbst auf diesem Eiland gestrandet wäre. Wahrscheinlich würde es sogar taugen, um einen bengalischen Tiger zu bändigen, sollte man mal zufällig mit einem solchen Raubtier auf einer Nußschale über den Ozean schaukeln müssen. Ihr seht, meine lieben Leser und Leserinnen zwischen Obereinherz und Unterstinkenbrunn, "The Stranger" ist für mich wirklich ein Kleinod - und eben nicht nur für mich.

Insgesamt sechs der neun Songs wurden auf fünf Singles ausgekoppelt, und auch die beiden Liebeslieder, um die es hier und heute geht, wurden zu Hits. Schon damals mochte ich "Just The Way You Are" und "She´s Always A Woman" sehr, doch erst jetzt entfalten sie ihre kolossal herzerwärmende Energie. Das liegt natürlich daran, daß ich sie, zusammen mit Neil Youngs neuem und genauso famosem "I´m Glad I Found You" der besten Liebespartnerin von allen widme. Kennt Billy Joel diese Lady etwa? Das kann ja nicht sein, denn als "The Stranger" am 29. September 1977 auf den Markt kam, war sie noch nicht mal sechs Jahre alt. Also hat der New Yorker die Songs für seine eigene Liebespartnerin geschrieben - und damit zugleich sehr vielen Leuten aus den Seelen gesprochen. Was mich natürlich für euch und den Rest der Menschen hoffen läßt, denn jeder sollte eine beste bzw. einen besten Liebespartnerin bzw. Liebespartner finden. Das muß vor dem Fest der Liebe einfach mal konstatiert werden.

Dabei ist speziell "She´s Always A Woman" zwar wunderbarlich und sanft, die besungene Lady hat es aber faustdick hinter den hübschen Ohren: sie stiehlt, kann mit einem Lächeln töten oder verletzen, sie lacht, wenn er verletzt am Boden liegt, sie kann dem Mann zeigen, was Liebe ist, ihn aber auch gleich darauf verlassen. Irgendwie ist das schon eine Matz, wenn wir dem Sänger glauben wollen. Zumindest ist diese Ausgabe der "Poison Ivy" in Beziehungsdingen doch recht ambivalent unterwegs.

Positiv betrachtet zeigt sich die Frau aber sehr selbstbestimmt, frei in Gedanken und Tun und ist daher auch mit all ihren Konturen wahrnehmbar. Billy Joel, der sich, wie er in einem Interview betonte, das ich in den 90er Jahren mit ihm führen durfte, beim Komponieren an Liedern des Einer-Kanadiers Gordon Lightfoot orientierte, schreibt aber auch diese Zeile in den Song hinein: "Eigentlich bin ich ja selber schuld". Das stimmt, man muß ja nicht alles so nah an sich ranlassen, auf viele zwischenmenschliche Dinge kann man sich ohnehin das eine oder andere hartgekochte Ei pellen. "She´s Always A Woman" kam in den USA übrigens bis auf Platz 17 der Charts, das in seiner Ganzheit noch sanftere "Just The Way You Are" dagegen sogar bis auf Rang 2.

Für "Just The Way You Are" erhielt Joel einen Grammy und bekommt nun von mir die Ehre, die er verdient. Ich verneige mich vor dir, großer Billy Joel, besonders, weil du und deine aus Männern bestehende Studioband das Lied zunächst gar nicht veröffentlichen wolltet. Erst die Kolleginnen Linda Ronstadt und Phoebe Snow legten ein nachhaltig wirksames Veto ein - und die Ballade wurde zum Hit. Magisch ist der Song, trotz oder weil auch er ambivalente Gefühle erzeugen kann. Zum einen himmelt der Sänger seine Liebste wirklich schon auf Maximal-Level an, zum anderen will er sie tatsächlich mit all ihren Schwächen, Marotten und Eigenheiten annehmen. Ja, er liebt sie gerade deshalb. Natürlich muß und kann man nicht alles an einem anderen lieben - aber sich auf einen Menschen einzulassen heißt, ihn oder sie zu erkennen, wie er oder sie ist. Bevor ich nun aber anfange, hier einen Beziehungsratgeber zu schreiben, sei doch festgestellt, daß "Just The Way You Are" und "She´s Always A Woman" schlicht ergreifende Popsongs sind. Und darin muß nun mal nicht jede Zeile bis ins letzte Detail durchdekliniert werden. Andernfalls hätten Lennon/McCartney wohl nie "She Loves You" schreiben können - oder Train ihr "Angel In Blue Jeans". Letzteres hätte uns allerdings gern erspart bleiben dürfen, yeah, yeah, yeah.

So - und nun wünsche ich euch und euren Liebsten eine - ganz nach eurem Gusto - besinnliche oder heiße Zeit sowie einen guten Rutsch in ein glückliches, gesundes und greatives Jahr 2015. Wir lesen uns, so ihr wollt, am 12. Jänner wieder. Ich melde mich im neuen Jahr frisch erholt und als Neu-Allgäuer mit einem weiteren Leserwunsch zurück: Dann werde ich mämlich über "Hang Me, Oh Hang Me" aus dem Film "Inside Llewyn Davis" schreiben. Ihr könnt derweil ruhig mal die Füße baumeln lassen und vielleicht hier auf EVOLVER.at in alten Texten stöbern. Oder euch ein Lied wünschen, um das ich hier herumschwurbeln soll.