Kolumnen_Al Cook im EVOLVER #7

Kein Glück nach dem Ende

Der EVOLVER veröffentlicht die Kolumne, die der heimische Blues-Traditionalist Al Cook jahrelang für eine heimische Website schrieb, auf seinen Seiten neu - nicht nur, damit die Texte nicht verloren gehen, sondern weil sie so gut sind. Diese Folge behandelt nicht nur Robert Johnsons vorletzte Tage, sondern auch die vielen Plagiatoren, die den Ruf des großen Bluesman bis heute schänden.    23.11.2018

In der vorliegenden Episode, liebe Blues-Fans und Johnsonites, wende ich mich langsam der Endphase von Roberts kurzem, aber ereignisreichem Leben zu - und dem traurigen posthumen Schicksal des legendären Musikers. Immerhin waren die Mythen und Geschichten, die sich um seinen Tod ranken, der ideale Humus für wilde Spekulationen, die dann eine gewisse Eigendynamik bekamen.

Als ich letztens den EMI-Shop in der Wiener Kärntnerstraße besuchte, fiel mir die CD eines der unzähligen Johnson-Jünger auf. Da kein Bild auf dem Cover war, weiß ich nicht einmal, um wen es sich dabei handelte. Anstatt einer Frontpage-Illustration stand da etwa folgendes Statement: "Robert Johnson was found dead in a hotel room." Haben ihn die Schreiberlinge im Feuereifer mit Jimi Hendrix verwechselt oder glaubten sie, mit einem solchen Schmarren die Verkaufszahlen zu pushen?

In den 70ern veröffentlichte CBS eine LP von Bukka White mit einem mega-grauslichen Cover, das bereits Seltenheitswert hat. In einem schmutzigen Glas mit abgestandenem Wasser lag eine Zahnprothese mit schwimmendem Goldfisch und drumherum ausgedrückte totenfarbene Zahnpasta. Wenn ich nicht gewußt hätte, was sich auf der Platte befand, hätte ich die Verkäuferin um ein Speibsackerl gebeten. Was denkt sich die Pop-Industrie noch aus in ihrem perversen Glauben, seriöse Kunst nur mit (schon lange nicht mehr) aktueller Antiästhetik verkaufen zu können?! Als ich 1970 meine erste LP veröffentlichte, hatte ich auch "meinen Kampf" mit den Plattenbossen, die mein Cover mit der Abbildung eines dreckigen alten Schuhs in einer Lache verschandeln wollten.

 

 

Doch was hat das mit Robert Johnson zu tun?

Einiges, würde ich sagen. Die Entdeckung seiner Musik durch Protagonisten der sogenannten "progressiven Popkultur" in den Sixties katapultierte ihn und seinen Blues in eine Zeit, in die beide nicht paßten. Woodstock  war der Auslöser für viele Unbedarfte, sich mit dem Blues auseinanderzusetzen. Aber braucht man wirklich eine Rockband wie Canned Heat, um Henry Thomas kennenzulernen, oder die heiligen Stones, um durch deren fürchterliche Version von "Love In Vain" Robert Johnson kennenzulernen (dem sie sogar die Urheberschaft gemopst haben, indem sie frech "Jagger/Richard" unter den Titel setzten)? Ich glaube einfach nicht, daß das Musikpublikum so borniert und dumm ist, authentischen Blues nur über dessen Vergewaltigung zu begreifen. Aber wie soll es anders gehen, wenn die Medien die Wahrheit mittels ihrer Quotenpolitik verrotten lassen und das Publikum durch Gleichschaltung indoktrinieren?

Ich glaube den diversen Musikern durchaus, daß sie es mit ihrer Verehrung für Robert Johnson ehrlich meinen. Ihr grundlegender Fehler liegt jedoch darin, daß sie sich nie mit der Zeit und den Umständen auseinandergesetzt haben, in der diese Musik entstanden ist. Kurz und gut: sie sehen die 20er und 30er Jahre durch die Brille und mit dem Verständnis der heutigen Zeit. Das geht eben nicht. Man kann die Zeit Mozarts nicht in die Disco versetzen - und doch haben sie genau das getan. Für Falco & Co. war sowas ja offensichtlich auch keine Schwierigkeit.

Besonders fiel mir dieser Umstand bei meinem immer wieder zitierten "Spezi" Eric Clapton auf. Hört man dessen Version von "Cross Road Blues", so entdeckt man, daß er offensichtlich mit einem Originalvers nichts anzufangen wußte. Bei Johnson heißt es: "Well, the sun goin´ down, dark gon´ catch me here." Auf der Suche nach einem Einfüger stellte Clapton einfach eine aus dem Zusammenhang gerissene Textstelle aus dem "Travelin´ Riverside Blues" in den Raum: "I´m goin‘ to Rosedale, take my rider by my side, we can still barrelhouse, cause it´s on the riverside". Was hat das bitte mit der Thematik vom "Cross Road Blues" zu tun??

Ein weißer Engländer der Sechziger hat eben keinen Bezug zu den für ihn nicht existenten Ängsten eines vagabundierenden Schwarzen im tiefen Süden der 30er Jahre. Aber fragen Sie einen Puff Daddy, ob er die ungeschriebenen Regionalgesetze unterhalb der amerikanischen "Weißwurstgrenze" kennt und achtet ... Onkel Tom ist mit der Bürgerrechtsbewegung gestorben - und aus diesem Grund kann man den Blues nur in seiner Ganzheit begreifen, wenn man in den Rückspiegel sieht.

 

Robert Johnsons letzte Jahre sollen angeblich bereits eine Urbanisierung seines Performance-Stils angekündigt haben. Er reiste in den Norden, um in Brooklyn bei der "Major Bowes Show" mitzumachen. Sogar in Kanada nahm er an der "Elder Moten Hour" - einer lokalen Radioshow - teil. Was Robert dort spielte, weiß man nicht, aber es waren sicher keine schmutzigen Barrelhouse-Songs. Er soll auch mit Combo und elektrifizierter Gitarre gespielt haben, was mir aufgrund der Rarität ländlicher Stromanschlüsse und unvergleichlich teurerer Jazzgitarren eher unwahrscheinlich klingt.

Johnson soll sich dann schnell zum lokalen Star entwickelt haben. Der schon damals erscheinende "Melody Maker" schrieb: "Robinsonville’s star is still Robert Johnson". Tatsächlich hat er die Generation der Pattons hinter sich gelassen und mit seinem aggressiven Stil die Weiber sehr direkt angesprochen. Zwar waren die besoffenen Barrelhouse-Schwalben keine Schönheiten, aber in seiner Welt hatte er Erfolg. Scheinbar war es sogar zuviel Erfolg ... Son House, der sich so gern als Roberts väterlicher Freund sah, gab ihm damals den Rat, nicht so furchtbar geil unterwegs zu sein, weil ihn das eines Tages in Teufels Küche bringen würde.

Der August 1938 war nun in drohende Nähe gerückt - und der Löffel, den Robert Johnson bald abgeben mußte, wurde immer schwerer. Papa Legba war auf dem Weg, seine Schuld mit Zinseszinsen einzufordern.

Was den armen Herumtreiber dann schließlich wirklich auf die Bretter schickte, verrate ich nächstes Mal.

 

 

Euer Al Cook

(The White King Of Black Blues)

Al Cook

Al Cook im EVOLVER


Unverfälscht, traditionsbewußt und weitab vom Kommerz-, Radio- und Social-Media-Mainstream: So wie Al Cook Musik macht, schreibt er auch - und zwar exklusiv im EVOLVER. Lesen Sie hier seine sehr persönliche Einführung in die Welt des authentischen Blues-Genres und seiner Position im populärkulturellen Musikgeschehen.

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