Der seidene Faden
Filmstart: 1. Februar
Von Paul Thomas Anderson ist immer das Unerwartete zu erwarten. Der surrealen Thomas-Pynchon-Verfilmung "Inherent Vice" folgt jetzt ein geradezu klassisches Melodrama um einen Modedesigner im London der 1950er Jahre.
Der unnahbare Spitzenschneider lebt mit seiner energischen Schwester so lange in selbstgewählter splendid isolation, bis er sich just in eine junge Kellnerin verliebt. Was folgt, ist eine fein ziselierte Psychostudie über die zerbrechliche Beziehung zweier schwieriger Alphatiere, die bis zu physischen Attacken geht und letzten Endes offen bleibt. Das alles ist superschön gefilmt, in gemessenem Rhythmus montiert und bis in die Fingerspitzen hinein kontrolliert gespielt – u. a. vom schick ergrauten Daniel Day-Lewis in seiner angeblich letzten Kinorolle. In der ersten Hälfte schüttet Anderson die Bilderflut mit einer extrem üppigen Musiksauce zu, was dem Ganzen eine traumhafte Atmosphäre verleihen soll, letzten Endes aber doch etwas nervt. Dennoch ist dies ein hochinteressanter Streifen geworden, der noch lange nachklingt. Skurriles Detail am Rande: Unter all den Kritikerhymnen, die der Film eingefahren hat, findet sich der gnadenlose Verriß eines schwulen Rezensenten. Sein einziger Vorwurf: Der (fiktive!) Couturier hätte unbedingt schwul gezeichnet werden müssen, da die Modebranche eben von homosexuellen Männern dominiert werde. Wie einem die eigene Befindlichkeit doch den Blick verstellen kann ... (HL)
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