Tommaso und der Tanz der Geister
6. 3. 2020
Wer ins Kino geht, um einen Abel-Ferrara-Film zu sehen, greift blindlings in eine Wundertüte. Da kann wirrer Trash ("New Rose Hotel") ebenso darunter sein wie atemberaubende Radikalität ("Bad Lieutenant"), uninspiriertes Remake ("Body Snatchers") wie unkonventionelles Biopic ("Pasolini"). Bei "Tommaso" (hier mit dem Zusatz "und der Tanz der Geister" im Kino) weiß man anfangs nicht, was man davon halten soll. Gedreht in Ferraras neuer Wahlheimat Rom, verfolgt der unübersehbar autobiographische Film einen Regisseur (Willem Dafoe) in einer Schaffenskrise. Er arbeitet an einem Drehbuch, leitet einen Tanz-Workshop und versucht, die Beziehung zu seiner jüngeren Freundin zu retten, mit der er eine kleine Tochter hat. Da Tommaso dazwischen immer wieder eine Runde Anonymer Alkoholiker aufsucht, ahnt man bald, daß da etwas im Busch ist - und richtig, blitzkurze Inserts mit TV-Schockszenen (Bär fällt Kind an) und (Drogen-?)Visionen (die Milchstraße dreht sich, als wäre man bei Terrence Malick) bereiten ein drastisches Finale vor, bei dem Dafoe am Kreuz hängt wie einst in Scorseses "Letzter Versuchung Christi". Das ist jetzt nicht rasend spannend, aber man bleibt doch dran - zum einen, weil Ferrara immer wieder Szenen von unerwarteter Zärtlichkeit und Intimität gelingen, und zum anderen, weil man Willem Dafoe auch gern länger zusieht als die zwei Stunden, in denen er praktisch ununterbrochen die Leinwand beherrscht. Auch wenn Vorbilder von "Achteinhalb" bis "Leid und Herrlichkeit" außer Reichweite bleiben: Es gab schon schlimmere Ferrara-Filme, viel schlimmere. (HL)
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