Der Hauptmann
Filmstart: 8. Juni
Kleider machen Leute - einmal anders. Hier geht es nicht um eine lustige Köpenickiade, sondern um eine (ebenfalls historische) blutige Tragödie aus den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs. Ein kleiner deutscher Gefreiter hatte sich damals die Hauptmannsuniform eines toten Offiziers angezogen und überlistete damit Freund und Feind. Um nicht aufzufliegen, mußte der Mann immer verbrecherischere Greueltaten erst mit ansehen, dann selbst befehligen, um schließlich als "Henker von Emsland" traurige Berühmtheit zu erlangen. Diese bizarre Geschichte hat der deutsche Regisseur Robert Schwentke in kristallscharfen Schwarzweißbildern nachinszeniert und damit einen der zwiespältigsten, ja unsympathischsten Filme der letzten Zeit geschaffen. Das harsche Urteil hat mehrere Gründe. Zum einen scheint die Wandlung des getriebenen Gefreiten zur mörderischen Bestie hier nicht im mindesten plausibel. Max Hubacher macht den inneren Zwiespalt des "Hauptmanns" angesichts der von ihm verantworteten Bluttaten so lange differenziert deutlich, daß nie wirklich klar wird, wann und warum er letztlich seinem eigenen Schmäh erliegt. Insgeheim berauscht sich dieser Film an jenen Entsetzlichkeiten, die er zu kritisieren vorgibt - eine Verfilmung von Jonathan Littells "Wohlgesinnten" würde, so sie je zustande käme, wohl ähnlich aussehen (müssen). Dazu kommt das alte Dilemma der Nicht-Nachinszenierbarkeit von KZ-Szenen. Auch hier sieht man geschminkte Komparsen und soll dabei an jene ausgemergelten Gestalten denken, die das Dokumentarmaterial überliefert hat. Claude Lanzmann hatte schon recht: Die Shoah läßt sich nicht bebildern, nur imaginieren. Das galt schon für Spielbergs "Schindlers Liste" und das gilt, mehrere Etagen tiefer, auch hier. Insgesamt ein - wenn auch streckenweise faszinierender - künstlerischer Irrweg. (HL)
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