Kino_Film-Tips März 2016

Kalauer, KZ und Kommunisten

Borat als Möchtegern-Spion, Oscar-Preisträger und solche, die es mit den bekannten Schmähs werden wollen - und kostenlose Energie für alle. Je vernetzter die Welt wird, desto bekannter kommt einem vieles vor. Auch diesen März im Kino.    10.03.2016

EVOLVER-Redaktion

Der Spion und sein Bruder

(The Brothers Grimsby)

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Filmstart: 10. März

 

Sixties-Spionagefilme sind derzeit wieder sehr angesagt in Hollywood. Nicht die Originale natürlich, sondern die nostalgische Erinnerung daran, die viele Regisseure seit Kindheitstagen mitschleppen und jetzt in postmoderne Filmpastiches umsetzen dürfen. Und da sehen wir dann zwei ungleiche Agenten, die im Namen U.N.C.L.E.s ohne viel Charisma die Welt retten; eine übergewichtige Geheimdienst-Sekretärin, die plötzlich auch mondäne James-Bond-Abenteuer in fremden Ländern erleben darf; oder Buben, die von Gentleman-Meisterspionen ins mörderische Agentenhandwerk eingeführt werden. Das alles funktioniert mehr oder weniger gut, ist mit dem üblichen Action-Gewitter angereichert und verblaßt doch neben Matt Helm oder Derek Flint.

Der neue Kandidat im Spionagespiel ist Sacha Baron Cohen, dem seit "Borat" nichts mehr wirklich Lustiges gelungen ist und der jetzt den Bruder eines MI6-Spitzenattentäters (Mark Strong) geben darf. Die Geschwister wurden bei der Geburt getrennt und von verschiedenen Familien adoptiert; jetzt versucht sich der Nerd und Vater von elf Kindern aus dem englischen Fischerdorf Grimsby in Sachen Familienzusammenführung. Und gerät gleich in einen Plot, der die ganze Welt in Gefahr bringt. Das heißt weiter: ungleiche Brüder, Buddy-Movie, das Abarbeiten an Sechziger-Jahre-Klischees und eher schwache Witzchen.

Wo bleibt Harry Palmer, wenn man ihn braucht?  (ph)

 

Mobilisierung der Träume

(Dreams Rewired)

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Filmstart: 11. März

 

Leute, jetzt heißt es stark sein: ein Found-Footage-Film (!) aus Österreich (!!), dessen Titel (!!!) an abstrakter Sprödigkeit kaum zu überbieten ist. Was ich jetzt schreibe, wird (leider) niemand glauben: Sobald man bei diesem Film im Kino sitzt, fällt einem die Kinnlade herunter - und bleibt dort knappe anderthalb Stunden lang, so a-tem-be-raub-end ist das, was man hier zu sehen und hören bekommt. Es geht um die Anfänge heutiger Technologievernetzung, also um frühes Telefon, Radio und Kino, somit um die ersten Vorboten eines Medien-Booms, der heute via Social Media und Big Data jede Dimension sprengt. Illustriert wird das mit - oft sekundenkurzen - Schnipseln aus etwa 180 Filmen, von Meliès bis Griffith, von Fritz Lang bis Harry Piel, von Werbespots bis zu Computergraphiken. Allein die Rechte-Abklärung dauerte fünf Jahre! Eine suggestive Tonkulisse und ein (in der englischen Fassung von Tilda Swinton gesprochener) Kommentar überhöhen die virtuose Collage zu einem rauschhaften Trip, dessen Sogkraft alle Bedenken wegwischt. Manu Luksch, Martin Reinhart und Tomas Tode heißen die Regisseure, die dieses Wunder von einem Film konzipiert und realisiert haben. Und wenn es eine Gerechtigkeit gibt, müßten diese Namen bald so (relativ) populär sein wie jene von Peter Kubelka, Peter Weibel und Peter Tscherkassky. So süffig und spannend kann sein, was als sogenannte Avantgarde daherkommt.  (HL)

 


   

Aus dem Nichts

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Filmstart: 11. März

 

Freie Energie ist seit vielen Jahrzehnten ein Traum von Wissenschafttlern und Hobbyforschern, die bisher von der konventionellen Physik nicht anerkannte Energieformen anzapfen und mit neuen Technologien nutzen wollen, damit die Menschheit nicht weiterhin von fossilen Rohstoffen, Atomkraftwerken oder ebenso überteuerter wie ineffizienter Alternativenergie abhängig ist. Die sattsam bekannten und stets systemtreuen "Skeptiker" (= langweilige Menschen) machen jedoch alle Experimente und Thesen auf diesem Gebiet lächerlich und stellen die Forscher als arme Narren hin, die immer noch auf der Suche nach dem Perpetuum mobile sind, obwohl dessen Unmöglichkeit längst erwiesen sei.

Die österreichische Dokumentarfilmerin Angela Summereder nimmt sich mit ihrem Werk "Aus dem Nichts" nun auch dieses Themas an, ermöglicht es dem Zuseher aber erfreulicherweise, sich eigene Gedanken zu machen - verfährt also ganz anders als die Doku-Propagandisten vom Schlage eines Michael Moore und seiner unzähligen Nachahmer. Sie erzählt die Geschichte des österreichischen Erfinders Carl Schappeller (von der Blödipedia in Neuer Blödschreibung als "Fantast" denunziert), der in den 20er Jahren eine Maschine konstruiert haben wollte, mit der sich die sogenannte Raumenergie nutzen ließ. Zum einen stellt Summereder fiktional Schappellers Leben und Zeit nach; zum anderen läßt sie später moderne Wissenschaftler und Freie-Energie-Forscher der Gegenwart zu Wort kommen. Damit gibt sie einen tiefgründigen und halbwegs objektiven Einblick in ein Thema, das sonst im Mainstream viel zu kurz kommt; schon dafür verdient "Aus dem Nichts" großes Lob.  (ph)

 

Trumbo

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Filmstart: 11. März

 

Wenn Hollywood einmal damit beginnt, in seinen Filmen nur noch Kommunisten, FeministinnenInnen, vorwiegend am eigenen Geschlecht Interessierte und generell Opfer des bösen kapitalistischen, imperialistischen, patriarchalischen usw. Systems zu heroisieren, dann weiß man, woher der Propaganda-Wind weht. Und darüber kann auch dieses Biopic über den durchaus interessanten Drehbuchautor Dalton Trumbo, der in den Fünfzigern wegen seiner Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei der USA vor den Ausschuß für unamerikanische Umtriebe zitiert wurde, auf die schwarze Liste kam und sogar im Gefängnis landete, nichts ändern. Oder die Tatsache, daß in dem Film von Komödienspezialist Jay Roach ("Austin Powers" 1-3) der großartige Bryan "Breaking Bad" Cranston die Hauptrolle spielt und von wunderbaren Kollegen wie Helen Mirren, Diane Lane, Elle Fanning und John Goodman umringt ist. Man erkennt die Absicht und ist verstimmt, weil Oscar-Bait halt immer denselben Mustern folgt. Das ist wie bei den österreichischen Staatskabarettisten, die halt immer auf den bekannten Feind hinhauen müssen und damit nicht viel mehr als die etwas lustigere Version einer Gratiszeitung darstellen. Also: gut inszeniert, gut gespielt, interessante Story - aber eben doch Propaganda. Und das in einer Zeit, als der Ausschuß für unamerikanische Umtriebe in Politikern und Medienknechten in aller Welt fortlebt ...  (ph)

 

Son of Saul

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Filmstart: 18. März

 

Der heurige Gewinner des "Auslands-Oscars" berührt Grundsatzfragen. Kann/darf man Auschwitz im Spielfilm "nachinszenieren"?  Die eine, radikal ablehnende  Position vertrat Claude Lanzmann, theoretisch und in seinem Maßstab setzenden "Shoah"-Film, der ausschließlich auf Aussagen von Zeitzeugen beruhte und gänzlich ohne historisches Material auskam. Die andere Position manifestierte sich etwa in Steven Spielbergs "Schindlers Liste": Auschwitz als "geschmackvoller" Kostümfilm, inklusive raffiniert ausgeleuchteter Baracken und sanft melancholisch swingender Klezmer-Rhythmen auf der Tonspur. Für mich war das schon immer ein ästhetisches Brechmittel, und auch mit märchenhaften KZ-Überhöhungen à la "Das Leben ist schön" konnte ich mich nie anfreunden. Das ungarische Regiedebüt von László Nemes versucht hier quasi die Quadratur des Kreises: Auschwitz wird hier zwar nachgestellt, bleibt aber trotzdem (fast) unsichtbar.

Das geht so: "Son of Saul" erzählt die Geschichte eines jüdischen KZ-Kapos, der in den letzten Wochen von Auschwitz in einer Kinderleiche seinen Sohn zu erkennen glaubt und ihn ordentlich bestatten will. Doch die Kamera zeigt praktisch die ganze Filmlänge über nichts als diesen Saul in Nah- und Großaufnahme. Alles, was um ihn herum vorgeht, vermittelt sich nur in extremer Unschärfe oder überhaupt nur über den Ton, eine höllische Kakophonie aus Kommandos, Angstschreien und Hundegebell. Das ist als Experiment durchaus beeindruckend, nimmt den Argumenten gegen eine Darstellbarkeit solcher Extremsituationen aber wenig bis nichts von ihrer Gültigkeit. So oder so - ein Film, der mit "interessant" wohl nur unzureichend beschrieben ist.  (HL) 

 

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