Kino_Film-Tips November 2018

Vergangenheitsbewältigung

Dario Argentos Hexen tanzen wieder. Peter Dinklage gräbt in seinen Erinnerungen. J. J. Abrams liefert uns finstere Nazi-Experimente, und Markus Schleinzer widmet sich dem Wiener "Hofmohren". Grau und neblig ist das Kino im November ...    08.11.2018

EVOLVER-Redaktion

Operation: Overlord

Filmstart: 8. November

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Nazi-Zombies. Das ist ein Handlungselement, mit dem einfach nichts schiefgehen kann, wie ja auch schon "Dead Snow" trefflich bewiesen hat. (Der zweite Teil war dann leider Hipster-Schwachsinn.) Jetzt stürzt sich auch Superproduzent und -regisseur und Franchise-König und Spielberg-Zögling J. J. Abrams auf dieses freundliche Subgenre - mit einem Streifen, der den vielversprechenden Titel "Operation: Overlord", also den seinerzeitigen Decknamen (natürlich ohne Doppelpunkt, sowas brauchte man damals noch nicht) für die Landung der Allierten in Frankreich trägt. Am Vorabend des D-Day landet bereits ein Trupp amerikanischer Fallschirmjäger in einem kleinen französischen Dorf, wo die Soldaten einen Radarturm ausschalten sollen - aber halt! Obacht! Was haben die Nazis schon wieder angestellt? Oweh, sie führen Menschenversuche durch, unter einer Kirche, noch dazu mit okkultem Beigeschmack. Aber das ist alles egal, wichtig ist doch nur, was dabei herauskommt: Zombies. Nazi-Zombies. Und die sorgen für eine Menge Blut und Beuschel. Mehr kann und muß man dazu nicht sagen. Wer Nazi-Zombies liebt, wird auch diesen Film lieben. Wer Nazi-Zombies allerdings so liebt wie der Autor dieser Zeilen, den quält eine dräuende Frage: Habe ich genau diesen Plot nicht schon in ein, zwei Filmen gesehen? "Outpost" vielleicht, in einem oder dem anderen Teil? Eventuell auch in Computerspielen gespielt, in Comics gelesen oder in so manchem Zombieroman? Drum merke, Leser: Finger weg von Popkultur-Zombies (nein, nicht Justin Timberlake & Konsorten)! Zuviel davon schadet dem Gedächtnis.  (ph)

 

Angelo

Filmstart: 9. November

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Für Haneke-Hasser ist das nichts. Strenges 4:3-Format, starre Kamera, Schwarzblenden als Szenentrenner und durch Kapitel-Zwischentitel betonte Distanz zu Story und Personal: Schon formal macht Markus Schleinzer ("Michael") deutlich, daß er bei Österreichs Regie-Export Nr. 1 in die Schule gegangen ist. Das muß man, wie es so schön heißt, mögen. Wenn man´s mag, erlebt man faszinierende zwei Kinostunden. Erzählt wird die im Kern authentische Geschichte des einstigen Wiener "Hofmohren" Angelo Soliman, der durch sein finales Ausgestopftwerden traurige Berühmtheit erlangte. Schleinzer entkleidet die Geschichte aller historisierenden Gemütlichkeit. Alle Personen bleiben unbenannt, zu nostalgischer Besinnlichkeit fehlt jeder Anlaß, und das 18. Jahrhundert scheint hier fern wie eine fremde Galaxis. Das ist, auch im Austrofilm, nicht mehr neu ("Amour Fou", "Licht"), wird hier aber mit einer eisigen Konsequenz realisiert, die fast an Kubricks "Barry Lyndon" denken läßt. Wesentliches bleibt mitunter im Off: Angelo wehrt sich gegen Prügel, zu hören sind lediglich seine Protestschreie. Beim Hundekampf bleibt die Kamera auf den pittoresken Gesichtern der Zuschauer. Während einer italienischen Arie macht erst ein Kameraschwenk klar, daß hier ein bärtiger Countertenor am Werk war. Ob Angelo kolonialistisches Opfer oder aber Beispiel früher Integration war, läßt Schleinzer bewußt offen. "Ich bin ein Sohn Afrikas, aber ein Mann Europas", beschreibt Angelo selbst seine ambivalente Situation. Mit einem Afrikaner, den ihm der Kaiser als Gesprächspartner schickt, verläuft die Begegnung wortlos.  Sicher, das alles schreit ganz laut "KUNST", aber toll ist es auch.  (HL)

 

 

Rememory

Filmstart: 9. November

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Apropos Gedächtnis: Es ist nicht leicht für einen Film, in dem es um Erinnerungen geht, gegen ein absolutes Meisterwerk wie "Memento" zu bestehen. Nicht einmal dann, wenn "Game of Thrones"-Star Peter Dinklage darin die Hauptrolle spielt. Dessen Protagonist Sam Bloom hat bei einem Autounfall seinen Bruder verloren. Er saß zwar selbst auch im Wagen und erinnert sich an das traumatische Ereignis - aber wie weit kann man seinen Erinnerungen trauen? Genau: gar nicht. Alles, was wir in unseren Gehirnzellen abspeichern, ändert sich spätestens dann zum ersten Mal, wenn es vom Kurz- ins Langzeitgedächtnis wandert. Und ab dann immer wieder, unzählige Male, durch neue Geschehnisse, die Erzählungen anderer (die meisten Erinnerungen an die eigene Kindheit sind durch die Geschichten von Eltern, anderen Verwandten und Freunden gefärbt). Bloom will also herausfinden, was wirklich los war. Was würde sich dazu besser eignen als das neue Gerät eines Erfinders namens Gordon Dunn (Martin Donovan), das Gedächtnisinhalte aus den grauen Zellen extrahieren und zur externen Betrachtung aufzeichnen kann? Doch bevor Bloom den (nicht unverrückten) Wissenschaftler kontaktieren kann, wird dieser ermordet. Also bietet der kleine Mann der Witwe kurzerhand an, den Fall mit Hilfe der Wundermaschine aufzuklären.

Was dabei herauskommt, ist ein Whodunit-Krimi mit zahlreichen philosophischen Exkursen und vielen Fallstricken für den Zuseher. Weil - wie sollte es anders sein? - man nicht nur seinem Gedächtnis, sondern auch anderen Leuten nicht trauen kann. Weil mit jeder aufgedeckten Erinnerung eine neue Identität auftaucht, etc. pp. Das klingt nach einem interessanten Ansatz, funktioniert aber nur teilweise, da es Filme wie "Memento" eben nur einmal pro Jahrzehnt gibt. An die anderen kann man sich irgendwann einfach nicht mehr erinnern ...  (ph)

 

Suspiria

Filmstart: 15. November

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Vorweg: Mit stilverwandten Giallo-Hommagen à la "Amer - ein Albtraum aus Angst und Begierde" hat diese Neuversion des Dario-Argento-Klassikers von 1977 nichts zu tun. Gleichgeblieben ist allenfalls die Grundstruktur der Handlung: Eine junge Ballettschülerin gerät in einer deutschen Großstadt (im Original Freiburg, jetzt Berlin) in eine Tanztruppe, deren führende Choreographinnen sich als hexenhafte "Mütter" entpuppen. Was bei Argento ein farbsatt-abstraktes finsteres Märchen war, ist nun fest in der jüngeren Zeitgeschichte verankert. Der neue "Suspiria"-Film von "Call Me By Your Name"-Regisseur Luca Guadagnino spielt auf dem Höhepunkt der RAF-Krise in den 70er Jahren und enthält auch Bezüge zur deutschen NS-Vergangenheit. Politfilm ist er dennoch keiner geworden, vielmehr ein funkelndes, vielschichtiges Zweieinhalb-Stunden-Horrorstück, das sich formal ausnimmt wie eine Kreuzung aus Nicolas Roeg ("Wenn die Gondeln Trauer tragen") und RW Fassbinder. Der Schrecken wird subtil aufgebaut: von ersten beiläufigen Verweisen wie einem "Mutter"-Spruch auf einem gehäkelten Wandbildchen bis zur finalen Grand-Guignol-Orgie in Blutigrot (die, nebenbei bemerkt, den absurd gehypeten "Mandy"-Trash lässig auf die Plätze verweist). Kamera, Schnitt und Musik (von Radiohead-Mitglied Thom Yorke!) lassen keinen Wunsch offen, und die Darsteller(innen) haben erkennbar viel Spaß an der sinistren Story. Vor allem Dakota Johnson zeigt, dass sie viel mehr drauf hat als das Sexhascherl in den "50 Shades of Grey"-Schmonzetten zu spielen; Tilda Swinton ist als Quasi-Pina-Bausch-Tanzimpresaria einmal mehr von eisiger Präsenz (und hat auch, wie sich inzwischen zweifelsfrei geklärt hat, noch eine zweite Rolle in dem Film übernommen); und die schrille Damenriege aus den einstigen Stars des Neuen Deutschen Films (Ingrid Caven, Angela Winkler etc.) outriert, daß es eine wahre Freude ist. Kurz: Nix wie hin!  (HL)   

 

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