Kino_L.I.E. - Long Island Expressway

Keine Panik bei Pädophilen

Ein äußerst provokantes Drama, dieses Regiedebüt von Michael Cuesta mit Brian Cox als Kinderverzahrer. Dafür arbeitet Cuesta jetzt bei "Six Feet Under".    04.12.2003

Der fünfzehnjährige Howie ist das, was man einen sozial verwahrlosten Jugendlichen nennt. Seit dem Tod der Mutter ist sein Vater mit der viel zu jungen neuen Freundin beschäftigt, und Howie kann sich allein durch die Pubertät plagen. Also beginnt er, mit seinem Kumpel Gary die Gegend am Long Island Expressway (daher der Titel des Films - Long Island ist bekanntlich die nette Nachbarschaft im Südosten von Manhattan) unsicher zu machen. Eines Nachmittags brechen Howie und Gary wieder einmal in den Keller eines der zahllosen Mittelschichthäuser ein. Nur werden sie diesmal erwischt. Es folgt aber nicht die Klamotte vom sozial gebeutelten Jugendlichen, der für eine Bagatelle im Ultra-Hardcore-Knast zum Psychokrüppel gefickt wird. Auch wenn die Sache durchaus mit Ficken zu tun hat. Weil der Mann, der die beiden erwischt (Brian Cox), nämlich auf Buben steht. Aber macht ihn das automatisch zum Monster?

Ein guter Film verfolgt einen länger als bis zum Kinoausgang, was seltener vorkommt als Weihnachten. Und wenn er dabei auch noch Überzeugungen, die im Zuseher geherrscht haben, zumindest soweit aufbricht, daß er sie überdenkt, ist das mehr, als man verlangen kann. Dieser Film ist, wie der Engländer sagt, ziemlich tough - einer der Protagonisten ist schwul und dabei tendenziell pädophil, aber ein eindeutiges Urteil über ihn läßt "L.I.E." nicht zu. Wahrscheinlich startet er deshalb erst mit fast dreijähriger Verspätung bei uns. Michael Cuesta hat jedenfalls mittlerweile drei Episoden der höchst erfolgreichen und vielumjubelten US-TV-Serie "Six Feet Under" inszeniert. Es sei ihm vergönnt.

Klaus Hübner

L.I.E. - Long Island Expressway

ØØØØ

(L.I.E.)


USA 2001

97 Min.

dt. Fassung

Regie: Michael Cuesta

Darsteller: Brian Cox, Paul Dano, Billy Kay u. a.

 

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