Kino_Kino-News KW 26/2004

Hauptsache, schnell

Hektik bei Harlin, Schnellfeuergeplapper bei den Italokanadiern und 16.000 Kilometer Handpedal aus Österreich. Aber kommt diese Kinowoche wirklich in Fahrt?    25.06.2004

 

Klaus Hübner

Mindhunters - Jede Sekunde zählt ...

(Mindhunters)


USA 2004

106 Min.

Regie: Renny Harlin

Darsteller: Val Kilmer, LL Cool J, Christian Slater u. a.

 

Wenn man sich vor versammeltem Publikum lächerlich macht, indem man z. B. während einer Ansprache einen dummen Kalauer zum Besten gibt, bei dem auch das stupideste Gesindel die Nase rümpft und stöhnt, dann bleibt nur eines: drüberhudeln. Mit anderen Worten: schnell weiter im Text, und zwar mit geballter Info, dann ist der Ausrutscher auch gleich wieder vergessen.

So in etwa ist die Systematik im Schaffen des Herrn Harlin gewuchtet. Der Mann drückt bei allen seinen Filmen der letzten Zeit (man nehme nur "Deep Blue Sea") so impertinent aufs Gaspedal, daß auch versierte Filmschauer an den Rand der Motion Sickness gebracht werden, und ihm ist dabei kein Scheißwitz zu deppert. Hier, wo eine Gruppe von FBI-Lehrlingen auf der ominösen "einsamen Insel" in einer Geisterstadt einen fingierten Serienmordfall klären soll, der dann recht schnell böser Ernst wird, geht´s nichts anders zur Sache: Action-Sequenzen, knisternd spannende Momente, Schockeffekte und überraschende Wendungen werden einem wie eine zeitgeraffte Serie aus Geraden und Verkehrten um die Ohren gewatscht, und in jede kleine Spalte ist ein dummer Witz gequetscht. Während man sich die Sache reinzieht, ist man gefesselt - das muß man dem Renny lassen. Aber im Moment des Abspanns bleibt kein Zweifel, daß man gerade zwei Stunden seines Lebens mit Käse verbracht hat.

 

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Mambo Italiano


Kanada 2003

99 Min.

Regie: Émile Gaudreault

Darsteller: Luke Kirby, Paul Sorvino, Ginette Reno u. a.

 

Italiener reden viel und schnell. Sie leben üblicherweise gerne bis ins hohe Alter im Hotel Mama und legen im Umgang mit Frauen bekanntermaßen eine Art an den Tag, die man im emanzipierten Rest der Welt mit "latent schwul" quittieren würde. (Aber so sind sie eben, die Katzelmacher, und das lieben wir ja auch an ihnen ...) Daß sie sich jedoch in einem Loch wie Montreal ansiedeln, wo es dauernd nur regnet und die meisten Leute französisch reden, scheint unvorstellbar. Dennoch: Es gibt sie auch dort. Und sie haben sich ihre südeuropäische Laune erhalten. Nur schwul sein, das gibt´s nicht. Denkt sich zumindest Angelos Vater (Paul Sorvino), als er irgendwann doch noch erfährt, daß sein Sproß einen Mann besteigt - nämlich den hübschen Nino (Peter Miller). Oder besteigt Nino eher Angelo? Darüber sind sich die jeweiligen Elternteile nicht einig. Aber eines wissen sie: Die beiden müssen umgedreht werden. Und das soll Pina (Sophie Lorain) mit ihrer großen Klappe erledigen. Ausgeworfen im Fahrwasser von "My Big Fat Greek Wedding", ist dieser Film auch nicht besonders aufregend, obgleich die Darstellung des Italo-Wesens im Fall von Paul Sorvino und einiger anderer Nebendarsteller auffallend gustiös gerät.

 

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handbikemovie


Ö 2004

99 Min.

Regie: Martin Bruch

 

Martin Bruch leidet seit geraumer Zeit an Multipler Sklerose. Er sitzt seit 1998 im Rollstuhl. Aber er hat sich in den letzten Jahren mit Sicherheit mehr bewegt als der Großteil seiner Landsleute. Und beim Armdrücken dürften seine Chancen ziemlich gut stehen. 16.000 Kilometer legte Bruch mit seinem "Handbike", einem handpedalbetriebenen Rollstuhl-Fahrrad mit montierter DV-Kameraausrüstung, mittlerweile zurück. Er war damit in Wien, Paris, London, New York, Istanbul - und filmte mit. Das Ergebnis, diese Dokumentation, bekam den großen Preis der Diagonale 2004.

 

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