Kino_Kino-News KW 23/2004

Reich und häßlich

Harry Potter ist diesmal deutlich schöner anzusehen. Dazu gibt´s Revolutionsnostalgie aus Lennon-Land, Konterrevolutionäres aus China und noch mehr...    03.06.2004

 

Klaus Hübner

Harry Potter und der Gefangene von Askaban

(Harry Potter and the Prisoner of Azkaban)


USA/GB 2004

141 Min.

Regie: Alfonso Cuarón

Mit: Daniel Radcliffe, Emma Watson, Gary Oldman u. a.

 

Potter schreitet zum dritten Schuljahr auf Hogwarts. Heuer ist es ungemütlich: Weil der böse Zauberer und Mörder Sirius Black (Gary Oldman) aus dem Gefängnis von Askaban ausgebrochen ist, wird Harry ständig von den Gefängniswächtern sekiert - den Dementoren. Daß alles auf eine Konfrontation mit Black hinausläuft, klärt ja schon der Filmtitel... Völlige Potter-Ignoranten, die wider besseres Wissen zumindest die ersten beiden Kinofilme besucht haben, werden sich noch daran erinnern können, wie unschlüssig, unzusammenhängend und letzten Endes uninteressant diese Streifen sind, wenn man die Bücher nicht gelesen hat. Aber diesmal wird ein beachtenswerter Regisseur aufgeboten (Cuarón drehte zuvor u. a. "Y tu mamá también"), es gibt ein Wiedersehen mit dem heiligen Gary Oldman, und die Hauptakteuere werden langsam erwachsen. Und das ist bedeutend unterhaltsamer als bisher.

 

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Haus der 1000 Leichen

(House of 1000 Corpses)


USA 2003

88 Min.

Regie: Rob Zombie

Darsteller: Sid Haig, Bill Moseley, Sheri Moon u. a.

 

Rocky Horror Zombie Show. Lesen Sie dazu die ausführliche EVOLVER-Filmbesprechung.

 

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Balzac und die kleine chinesische Schneiderin

(Balzac et la petite tailleuse chinoise)


F/China 2002

116 Min.

Regie: Sijie Dai

Darsteller: Xun Zhou, Kun Chen, Ye Liu u. a.

 

Luo (Kun Chen) und Ma (Ye Liu), zwei bildungsbürgerliche Intellektuellensöhne im China der 70er Jahre, werden in ein maoistisches Umerziehungslager gesteckt. Dort ist Schluß mit wertlosem Bücherlesen; jetzt lernen die Rotzbuben einmal, was gestandene, ehrliche Arbeit ist. Und kaum tanken sie Frischluft und pumpen ein bisserl Blut durch ihre lichtscheuen Streberkörper, spüren sie auch schon, daß es noch ganz andere Interessensgebiete gibt als den Kopf - zum Beispiel den Bereich, der von der Anwesenheit der Schneiderstochter stimuliert wird. Die ist dumm wie Brot, aber dafür sehr sinnlich, und als man dann auch noch über einen Packen Westlerliteratur stolpert, die sich hervorragend zum Vortragen eignet, kristallisiert sich eine perfekte Synthese aus Poesie und Geilheit heraus. Ein ob aufdringlich fernöstlicher Kulturidentität etwas platter, aber recht poetischer Film.

 

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Eher geht ein Kamel durchs Nadelöhr...

(Il est plus facile pour un chameau...)


F 2002

110 Min.

Regie: Valeria Bruni Tedeschi

Darsteller: Valeria Bruni Tedeschi, Jean-Hugues Anglade, Chiara Mastroianni u. a.

 

Die unverschämt reiche Großindustriellentochter Valeria Bruni Tedeschi erzählt von ihrem Leben als Reiche. Wie langweilig das sein kann, wie unbefriedigend, wie schwierig angesichts der immanenten Leichtigkeit - und vor allem wie anstrengend aufgrund der psychischen Probleme, die der maßlose Reichtum mit sich bringt. Das ist nicht dezitiert autobiographisch, könnte es aber sein. Und es ist genauso deppert, wie es sich anhört. Jeder Volltrottel weiß genau (und bekommt es jeden Tag aufs Neue um die Ohren geschlagen), daß Geld ungefähr 99 Prozent des verfügbaren Glücks ausmacht. Wer Geld hat, hat Zeit, Muße und die nötigen Mittel, um beides zu genießen - und wenn´s sein muß, kann er sich die guten Medikamente und Ärzte kaufen. Wenn man sich als gestopfte Sau anmaßt, einen Film darüber zu machen, wie bemitleidenswert die Reichen sind, dann gehört man nackt mit einer Weidenrute wie ein Schwein durch die Armenviertel von Rio getrieben. Früher hätte man dieses bourgeoise Pack mit einem nassen Fetzen erschlagen, aber das geht ja heutzutage leider nicht mehr.

 

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Imagine IMAGINE


Ö/GB 2004

Regie: Frederick Baker

Darsteller: John Lennon, Yoko Ono u. a.

 

Was waren das noch für Zeiten, als John und Yoko die Welt vom Bett aus in Atem hielten - eine Faszination, die sich bis heute hinzieht. Man muß den beiden ja zugestehen, daß sie in vielen Belangen Pionierleistungen erbracht, ja weltverändernde Prozesse mit in Gang gesetzt haben. Aber was ist davon geblieben? Stinkende Ex-Hippies, die jetzt überall in den Ministerien sitzen und sich mit dem fettfressen, was andere erarbeiten. Abgesehen davon ist Frederick Bakers Dokumentarfilm, versehen mit Archivaufnahmen, Interviews und vielen emotionalen Momenten, ein nettes Stück Nostalgie, das davon kundet, wie unsere Alten sich früher eingebildet haben, man könnte die Welt verbessern. Schade, daß wir jetzt um so vieles klüger sind...

 

Il mare e la torta


Ö/I 2003

ca. 60 Min.

Regie: Edgar Honetschläger

 

Dokumentarische Vorführarbeit zum Thema "Wie nutze ich die österreichische Filmförderung?": Edgar Honetschläger will auf Urlaub nach Sizilien fahren, mit seiner Videokamera im Gepäck. Außerdem hat er im Vorfeld recherchiert, wie begeistert einigermaßen berühmtere Leute (z. B. J. W. v. Goethe) schon von der Insel waren. Die Urlaubsvideos sollen mit Zitaten besagter Prominenz unterlegt werden. Und schon hat man ein Projekt, auf dem "Hochkultur" und "Kunstanspruch" steht - im höchsten Maße förderungswürdig also. Herausgekommen ist diese poetische Wanderstunde.

 

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Schultze gets the Blues


D 2003

110 Min.

Regie: Michael Schorr

Darsteller: Horst Krause, Harald Warmbrunn, Karl Fred Müller u. a.

 

Als der frühpensionierte und reichlich antriebslose Bergmann und Hobby-Akkordeonist Schultze durch Zufall den Blues kriegt (indem er im Radio über ein Zydeco-Stück stolpert), glaubt er zunächst noch an einer Krankheit zu leiden. Doch schon bald bemerkt er, daß es sich hierbei um die wohl letzte Herausforderung in seinem Leben handeln könnte. Und er beschließt, den Wurzeln seiner neuen Leidenschaft in den USA nachzuspüren. Wunderbar ungeschwätzige, rührend-komische (und undeutsche) Momentaufnahmen in bester Kaurismäki-Tradition von Regiedebütant Schorr.

 

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