Kino_Kino-News KW 20/2004

Ein teurer Spaß

Mit dem Geld, das für "Troja" ausgegeben wurde, könnte Helge Schneider wahrscheinlich 1000 Filme drehen - und die anderen Neustarts dieser Woche wären auch noch drin.    13.05.2004

 

Klaus Hübner

Troja

(Troy)


USA 2004

159 Min.

Regie: Wolfgang Petersen

Darsteller: Brad Pitt, Orlando Bloom, Eric Bana, Peter O´Toole u. a.

 

Große Gesten, große Muskeln, große Schlachten, großes Produktionsbudget. Leider kann man über die Story von Wolfgang "Das Boot" Petersons Bombast-Streifen, den jüngsten Sandalenfilm in einer über hundertjährigen Geschichte, nicht viel mehr erzählen, als ohnehin bekannt ist: Homer fabulierte schon vor Tausenden Jahren darüber, wie im alten Griechenland einflußreiche Männer wegen einer Frau zahllose Untergebene in einen gewaltsamen Tod schickten - inklusive der sprichwörtlichen Holzpferdfinte. Nach dem Trailer, in dem tausend Milliarden Holzschiffe den Ozean bedecken, war man auf einen großen Batzen Digitalkäse gefaßt - und wird in Folge positiv überrascht: 200 Millionen Dollar Produktionsbuget sind ein sichtbarer neuer Rekord, Brad Pitt ist so auftrainiert wie noch nie, und die Schlachtenszenen können sich bedingt mit jenen von "Herr der Ringe" messen. Insgesamt ein sehr unterhaltsames Stück Popcorn-Kino, wenn die Erwartungen nicht allzu hoch gesteckt sind.

 

Links:

Jazzclub - Der frühe Vogel fängt den Wurm


D 2004

90 Min.

Regie: Helge Schneider

Darsteller: Helge Schneider, Jimmy Wood, Pete York, Susanne Bredehöft u. a.

 

Lustig sein ist schwierig. Helge Schneider kann sehr lustig sein - so sehr, daß man fast am Lachen erstickt. Sein Humor polarisiert und wirkt über weite Strecken achtlos improvisiert. Oft sind seine Gags total bescheuert. Aber er treibt seine Späße mit seltener Konsequenz, was immer wieder zeitlose Juwelen hervorbringt. Man darf auch von "Jazzclub" keinen Kinofilm im klassischen Sinne erwarten: Schneider-Fans bekommen mit der Geschichte des von Erfolglosigkeit geplagten Provinz-Jazzmusikers das Erwartete geboten (Schneider wie üblich in Mehrfachrollen), Novizen könnten sich angesichts der üblichen anarchistischen Demontage der Spießergesellschaft zu Fans entwickeln - aber auch völliges Unverständnis ist möglich. Am besten einfach ausprobieren.

 

Links:

Blueprint


D 2004

100 Min.

Regie: Rolf Schübel

Mit: Franka Potente, Ulrich Thomsen, Hilmir Snaer Gudnason u. a.

 

Siri (Franka Potente) ist der Klon von Iris (Franka Potente), einer schwer MS-kranken, aber sehr ambitionierten Konzertpianistin. Schon da fragt man sich, wie platt Wortspiele mit Eigennamen eigentlich ausfallen können. Sodann sehen wir in Rückblenden, wie sich das Klon-Mädchen entwickelt hat - bis hin zu dem Punkt, wo es in Kanada, dem vorläufigen Endpunkt seiner Identitätssuche, Hirsche photographiert. Es geht nicht um SciFi, sondern um Psychologie: Hat ein Klon ein eigenes Seelenleben? Und gerade in diesem Punkt, der ganz offensichtlichen Hauptthematik und dem wichtigsten Anliegen des Regisseurs, scheitert der Film: Er bleibt - in häufig ungewollt komischer Weise - nahezu völlig an der Oberfläche. Und weil die wissenschaftliche Realität hier nicht beachtet wird, verpufft Franka Potentes Potential ungenutzt.

 

Links:

Historias Mínimas


Argentinien 2002

90 Min.

Regie: Carlos Sorin

Darsteller: Javier Lombardo, Antonio Benedictti, Javiera Bravo, Francis Sandoval u. a.

 

In Patagonien will ein Handelsvertreter seine Angebetete mit einer Torte für deren Sprößling für sich gewinnen, ohne zu wissen, ob es sich um einen Sohn oder eine Tochter handelt. Das ist insofern problematisch, als die vorhandene Torte Fußballform hat und daher nur einen Buben begeistern dürfte. Also muß er eine neutralere Tortenform finden - keine leichte Aufgabe im argentinischen Ödland. Weitere Protagonisten (ein alter Mann, der seinen geliebten Hund sucht, oder die glückliche Gewinnerin einer Küchenmaschine, die keinen Strom zu Hause hat) durchstreifen das Land. Regisseur Sorin punktet mit melancholisch-schrägen Charakteren und bizarren Landschaftsaufnahmen. Meditativ und anspruchsvoll.

 

Links:

Kommentare_

Print
Edward Anres - Nelly und Pan

Der Gott des Irrsinns

Der Debütroman des Deutschen Edward Anres, Neuentdeckung des österreichischen bildmanufaktur-Verlags, ist eine literarische Apotheose in jeder Deutungsvariante: Der Roman erzählt die Geschichte zweier Verrückter, die sich in der Psychiatrie treffen und genau das Verkehrte tun - aber mit der sexuellen Kraft von Donnergöttern und einer Intensität, die beim Lesen schwindelig macht.  

Print
Robert Hübner – kunst werk bild

Wovon man redet, wenn man "Kunst" sagt

Der Maler und Digitalkünstler Robert Hübner, langjähriger Mitarbeiter der Linzer Kunsthochschule, legt mit seiner ersten Wissenschaftspublikation einen Meilenstein der kontemporären Kunsttheorie vor: eine lange überfällige akademische Neustrukturierung des Kunstbegriffs, quasi als Anpassung an die zeitgenössische Realität.  

Video
The Strain

Saugschwengel-Apokalypse

Gegen "The Strain", die Vampir-TV-Serie unter der Schirmherrschaft von Guillermo del Toro, sieht "The Walking Dead" blaß aus. Das Team des Mexikaners schafft einen neuen Rekord beim Qualitätsniveau im Genrefernsehen, wie Klaus Hübner findet.  

Stories
Reisebericht Zypern, Nachwort

Are you talking to me?

Klaus Hübners Reisebericht über seine Abenteuer auf Zypern hat uns einige unzufriedene Kommentare beschert. Jetzt nimmt er dazu Stellung.  

Stories
Reisebericht Zypern, Teil III

Dünen, Wildesel und Polyesterschnitzel

Weitab vom verblassenden Trubel des Massentourismus gibt es in Zypern ein Stück dessen zu entdecken, was vom Paradies übrig ist: einen Traumstrand, wo die Riesenschildkröten ihre Eier ablegen - zwischen Tonnen von Plastikmüll. Dritter und letzter Teil des Zypern-Reiseberichts.  

Stories
Reisebericht Zypern, Teil II

Die Einheimischen und die Krise

Im zweiten Teil des Zypern-Reiseberichts unterhält sich Klaus Hübner mit den Besitzern einer Taverne in Protaras und mit seinen AirBnB-Vermietern - allesamt direkte Leidtragende des Zusammenbruchs des hiesigen Kreditwesens.