Kino_Film-Tips Mai 2016

Gewissensfragen

Wo wohnt das Böse heutzutage? Immer noch in kreuzbürgerlichen Haushalten, wo sich total vergreiste KZ-Schergen verstecken? Draußen im Wald, wo die Hexen und Satanisten auf gute Christen lauern? Oder in den Mafiastrukturen, die heute die Politik ersetzt haben? Wer im Mai ins Kino geht, kann sich selbst eine Meinung bilden - muß aber nicht.    06.05.2016

EVOLVER-Redaktion

Triple 9

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Filmstart: 5. Mai

 

Die Russenmafia - oder wenigstens mafiöse Banden aus der ehemaligen Sowjetunion - beherrscht international weite Teile des organisierten Verbrechens. Das ist nicht nur in der Realität so (da streiten die Experten noch, wer am schlimmsten ist), sondern vor allem in der Welt von Film und Fernsehen. Dort braucht man nahezu unmenschliche, skrupel- und gewissenlose Kreaturen, die auf ihrer Jagd nach Macht und Geld vor nichts zurückschrecken. Wer würde sich da besser eignen als "der Russe" ...? Und weil man sich mit emigrierten Oligarchen, auf die alle obigen Aussagen zutreffen, lieber nicht anlegen will, spannt man halt die Russenmafia zu Hollywood-Thriller-Zwecken ein.

Das hat jetzt auch Regisseur John Hillcoat - seit "Proposition", "The Road" und "Lawless" Liebling aller Kino-Grufties - mit seinem neuen Film "Triple 9" getan. Diesmal verlegt er seinen geliebten Western-Plot nach Atlanta, wo das Verbrechen die ganze Stadt in einen Ausnahmezustand versetzt hat. Hinrichtungen, Schießereien und Folterungen stehen auf der Tagesordnung; gesteuert wird das alles diesmal nicht vom Russen, sondern von der Russin: einer hervorragend besetzten Kate Winslet als Syndikatschefin Irina. Daß da auch einige korrupte Polizisten und Exsoldaten mitmischen, um sich was dazuzuverdienen, ist klar - und da kann man eben keinen neuen Kollegen (Casey Affleck) brauchen, der nicht nur Neffe des Sergeanten (Woody Harrelson) ist, sondern sich auch gesetzestreu in die gewinnbringenden Cop-Banküberfälle einmischen könnte. Doch als Sündenbock eignet sich der junge Mann perfekt; deswegen will ihn sein Partner Marcus (Anthony Mackie) auch bei einem von Irina befohlenen irren Raubzug um die Ecke bringen, damit er auf diese Art die Kollegen in die falsche Ecke der Stadt locken kann. Daß so ein Komplott im Film nicht gutgehen kann, ist klar, weil es ja doch den anständigen Amerikaner gibt ... Umso lobenswerter, daß Hillcoat auf patriotische Klischees weitgehend verzichtet, stattdessen eine chaotische, von Lumpen beherrschte Stadt zeigt und mit viel Spannung sowie einer erstklassigen Besetzung (u. a. Fan-Favorit Norman Reedus aus "Walking Dead") überzeugt.  (ph)

 

 

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Remember

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 Filmstart: 13. Mai 2016

 

Zugegeben, die Suche von Holocaust-Überlebenden nach den letzten NS-Kriegsverbrechern ist jetzt vielleicht nicht das allerinnovativste Filmsujet aller Zeiten ... zumal der sonst mehr für vertrackte Konstruktionen bekannte Kanadier Atom Egoyan ("Das süße Jenseits") hier einen geradezu provokant konventionellen Thriller abgeliefert hat. Aber spannend ist die Geschichte des jüdischen Altersheiminsassen, der sich quer durch Amerika und Kanada auf die Suche nach einem berüchtigten und unter falschem Namen lebenden KZ-Wächter aufmacht, schon. Und glänzend besetzt obendrein: Christopher Plummer, Martin Landau, Bruno Ganz und Jürgen Prochnow in einem Film vereint zu sehen, passiert schließlich nicht alle Tage. Die (fast schon zu) symbolträchtige Handlung wirft immerhin legitime Fragen nach der Abgrenzung von Recht und Rache auf und präsentiert eine Schlußwendung, derer sich selbst ein Leo Perutz nicht hätte schämen müssen.  (HL)

 

 

The Witch

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 Filmstart: 19. Mai

 

Manchmal kommt auch kanadisch-amerikanischer B-Film-Horror in unsere Kinos - zumindest dann, wenn er beim Cineasten-Festival Sundance einen Preis abkassiert hat. "The Witch" ist der Debütfilm von Regisseur Robert Eggers. Der Streifen spielt im New England des 17. Jahrhunderts, wo eine tiefreligiöse Puritanerfamilie sich am Rand eines finsteren Waldes ansiedelt und bald mit dem Unheimlichen in Berührung kommt. Die Ernte geht ein, die Tiere werden wahnsinnig, eine Ziege gibt Blut statt Milch, und schließlich verschwindet auch noch ein Baby. Verantwortlich für all das Unheil ist angeblich eine Hexe, die im nahen Wald haust. Andererseits bezichtigen die Zwillinge ihre eigene Schwester der Hexerei ... Wo lauert das Böse also: draußt im Wald oder innerhalb der Familie?

Die Antwort wird europäische Sundance-Anhänger durchaus überraschen. In Eggers´ Film ist nicht die bürgerliche Kleinfamilie schuld an allem Jammer dieser Welt (eine Theorie, der heute nur mehr österreichische Staatskünstler guten Gewissens anhängen können, weil es dafür ordentlich Subventionen gibt), sondern Satan, Dämonen und Hexen. Die jagen den Leuten aus gutem Grund Angst und Paranoia ein – und dadurch geht auch in "The Witch“ der Familienverband auf unheimliche, tragische und blutige Art zugrunde. Eine echte Genre-Entdeckung.  (ph)

 

 

The Lady in the Van

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Filmstart: 20. Mai

 

Wer sie hauptsächlich aus "Downton Abbey" kennt, wird seinen Augen nicht trauen: Maggie Smith spielt hier eine in Lumpen gehüllte, verwahrloste und - wie einigen drastischen Szenen zu entnehmen ist - stinkende Obdachlose. Die Frau hatte wirklich gelebt und anderthalb Jahrzehnte in einem Lieferwagen Unterschlupf gefunden, der in der Einfahrt des exzentrischen Londoner Schriftstellers Alan Bennett geparkt war. Aus diesem Alltagsdrama, hinter dem sich eine veritable Tragödie verbirgt, hat Nicholas Hytner ("Center Stage", "King George") eine sehr britische Tragikomödie gemacht, der man nicht wirklich böse sein kann - Anglophilie und eine gewisse Grundsympathie für derlei konventionelles Schauspielkino vorausgesetzt. Hytner punktet mit glänzend besetzten skurrilen Vorstadttypen und bringt auch ein paar Polit-Spitzen gegen das englische Gesundheitssystem unter, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß es der sehr statischen Geschichte irgendwie an Drive fehlt. Und daß der von Alex Jennings gespielte Schriftsteller (der die ganze Story auch zu einem Theaterstück verarbeitet hat) nicht nur Selbstgespräche führen, sondern mit einem sichtbaren Double auch noch (tricktechnisch) interagieren muß, ist vielleicht nicht die glücklichste Idee dieser doch reichlich betulichen Arthouse-Wohlfühl-Produktion.  (HL)

 

 

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