Irina Palm
ØØØØ
GB/B/F/D/L 2007
103 Min.
Regie: Sam Garbarski
Darsteller: Marianne Faithfull, Miki Manojlovic, Kevin Bishop u. a.
Warum befindet sich in einem Sexshop ein Loch in der Wand - und was hat das mit Familiensinn zu tun? Diese und andere Fragen beantwortet ein wunderbarer Film über eine Mittfünfzigerin, die ihr Leben (und vieles mehr) neu anpackt. 20.06.2007
Aus der Vogelperspektive gleitet die Kamera hinab auf eine typische englische Vorstadt. Willkommen im Spießbürgertum, willkommen in Maggies Welt! Maggie (Marianne Faithfull) ist eine anständige Witwe, deren einziger Sinn im Leben ihre Familie ist. Ihr Alltag besteht aus Kochen, Putzen und Teatime mit ihren arroganten Freundinnen. All ihre Energie und ihr Geld steckt sie in die Pflege und ärztliche Versorgung ihres schwerkranken Enkels Olly (Corey Burke). Eine rettende Therapie für den Kleinen ist zwar in Sicht, allerdings könnte die nur im fernen Australien stattfinden - aber dafür fehlt das Geld. Verzweifelt macht sich die aufopfernde Maggie auf die Suche nach einem Job, um ihrem Sohn Tom (Kevin Bishop) und dessen Frau Sarah (Siobhán Hewlett) zu helfen.
Hosteß gesucht? Als Maggie auf ihrer Arbeitssuche den eindeutig einschlägigen Club "Sexy World" im Londoner Stadtteil Soho betritt, landet sie in einer ihr unbekannten und mysteriösen Welt. Die Kamera manövriert sich durch die verwinkelten Gänge des Sexshops und begleitet die naive Mittfünfzigerin zaghaft in die Unterwelt der Erotik.
Doch die neue Arbeitswelt ist für Maggie kein Problem. Herrscht anfangs noch sprachliche Verwirrung, so führt der Club-Besitzer Miki (Miki Manojlovic) ihr bald umso deutlicher vor Augen, was sie in ihrem neuen Job zu tun hat. Ihr Arbeitsplatz: ein graues, neonlichtdurchflutetes Zimmer ohne Fenster, mit einem einzigen Loch. Was Mann da reinsteckt, muß nicht weiter ausgeführt werden. Maggies streichelsanfte Hände tun ihr übriges. Sie ist gut - und zwar so gut, daß sich innerhalb kürzester Zeit eine Schlange vor ihrer Kabine bildet. Ein Künstlername muß her: Maggie wird zu Irina Palm, der wichsenden Witwe, wie sie sich selbst zum Spaß nennt. So funktioniert er halt, der ganz normale Wahnsinn in einer ganz normalen Welt.
Was nach Porno klingt, ist allerdings keiner. Regisseur Sam Garbarski deutet lediglich an, zeigt aber keine entblößten Körperteile. Die Kamera behält das Loch in der Wand und Maggie im Auge. Die wiederum macht sich den Job zur Routine und findet sogar Gefallen daran. Gekleidet in Hausfrauenkittel, bewaffnet mit Kleenex, Gleitgel und Zeitungen geht sie an ihre Arbeit heran. Maggie bricht aus ihrem trostlosen Alltag aus und beginnt ein neues Leben: Sie macht "Karriere", beendet falsche Freundschaften, verdient eine Menge englischer Pfund - und findet eine neue Liebe an einem Ort, wo keiner sie vermuten würde.
Bei der Uraufführung von "Irina Palm" auf der diesjährigen Berlinale erntete der in Deutschland geborene und in Belgien lebende Garbarski Begeisterungsstürme und Standing ovations. Sein zweiter Spielfilm, seiner Beschreibung nach "eine politisch unkorrekte romantische Tragikomödie", hatte jedoch Anlaufschwierigkeiten.
Der Filmemacher meint dazu: "Es ist immer dasselbe: Alle sind auf der Suche nach einem originellen Drehbuch, aber wenn jemand tatsächlich einmal eine gute Idee hat, dann bekommen sie plötzlich kalte Füße." Viele Geldgeber sprangen tatsächlich ab, weil sich das Drehbuch sich zu sehr vom Mainstream-Kino abhob. Zum Glück konnte sich dann ein englischer Produzent für die Story begeistern. Der bestand auf London als Drehort - und tatsächlich paßt die Location zum Film wie die Faust aufs Auge.
Das wahre Highlight von "Irina Palm" bleibt aber dennoch Marianne Faithfull. Durch ihre ausdrucksstarke Mimik, vor allem durch ihre Augen, haucht sie ihrer Figur Leben ein. Das in die Jahre gekommene einstige Edel-Groupie entwickelte gar eine eigene Art zu gehen, sich zu bewegen, zu sitzen und zu schlafen. Um Maggie möglichst nahe zu sein, wurden normale Linsen mit 40 oder 50 mm Brennweite und große Blenden verwendet.
Das Erotikgewerbe wird zwielichtig dargestellt - entsättigte Farben, weiche Kontraste und lebendige Schwarztöne beherrschen die Bilder im Sexshop. Das ist hart, aber poetisch. Klischees? Nein, Sam Garbarski bietet uns einfach Einblicke in eine ganz normale, alltägliche Arbeitswelt. Und somit einen wunderbaren Film, der trotz seiner ernsten Thematik durch mitreißenden Humor besticht.
Irina Palm
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GB/B/F/D/L 2007
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Regie: Sam Garbarski
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