Der wilde Schlag meines Herzens
ØØØØ 1/2
(De battre mon coeur s’est arrèté)
F 2004
107 Min.
OmU
Regie: Jacques Audiard
Darsteller: Romain Duris, Linh Dan Pham, Niels Arestrup u. a.
Der beste neue Scorsese kommt aus Frankreich. Das Porträt des 28jährigen halbkriminellen Tom ist ein echter Glücksfall von Film: hart, intensiv, unberechenbar und gut. 11.11.2005
"Der wilde Schlag meines Herzens" ist das Remake des verschollenen, aber großartigen 70er-Jahre-Meisterstücks "Fingers" von James Toback, in dem Harvey Keitel eine Glanzleistung als vom Klavierspielen besessener Ganove gibt. Eine Story, die stark nach Martin Scorsese riecht; und sowohl Original als auch Neufassung erinnern - zumindest in ihren dunklen, treibenden Grundstimmungen - an "Mean Streets".
Tom ist 28 Jahre alt und hetzt hektisch durch Paris, irgendwie von allem angekotzt und gleichzeitig von allem unbefriedigt, in den immer präsenten Kopfhörern ständig begleitet von Electro und Postpunk-Electroclash, Marke The Kills etc. In schwarzer Lederjacke und Anzughose ist Tom (genial: Romain Duris) optisch eine Mischung aus dem jungen Jean-Paul Belmondo und einem verschollenen Bandmitglied von Mando Diao. Für seinen Vater (Niels Arestrup), einen Immobilienhändler mit dubiosen Methoden, erledigt der permanent Getriebene widerspruchslos die Drecksarbeit: Schulden eintreiben, Menschen bedrohen, lästige Mieter und Obdachlose verprügeln. Seinen Kumpels hilft er privat, ihre Seitensprünge zu tarnen. Tom ist brutal und dabei frei von Skrupeln und doch unbefriedigt, ziellos. Als ihn zufällig der Agent seiner verstorbenen Mutter zum Vorspielen einlädt, schält sich eine zweite Seite heraus.
Die Mutter war eine bekannte Konzertpianistin, von ihr hat er großes Talent geerbt, aber nach ihrem Tod alle Ambitionen aufgegeben, seinem Vater und dessen Busineß zuliebe. Doch mit einem Mal wittert der Desillusionierte eine Chance, den Zwängen seines reizlosen Alltags zu entkommen. Manisch und obsessiv bereitet er sich auf den Vorspieltag vor. Zur Unterstützung nimmt er Stunden bei einer jungen, hübschen, hochbegabten Klavierspielerin (Linh Dan Pham), die nur chinesisch spricht. Tom betreibt die klassische Musik wie die Aufträge seines Vaters - ungeduldig, leidenschaftlich, durchzogen von gewalttätigen Ausbrüchen - und schwankt ständig zwischen Euphorie und Versagensangst. Je näher der Tag der Entscheidung rückt, desto mehr eskalieren die Lebensumstände seines Vaters, der sich ausgerechnet mit der Russenmafia angelegt hat.
Es ist fabelhaft, was der bei uns relativ unbekannte Jacques Audiard, der unter anderem das Drehbuch zum Thriller "Das Auge" schrieb, aus den nicht gerade unbekannten Versatzstücken macht. Der 1952 geborene Autor und Regisseur zelebriert ein atmosphärisch dichtes Stück Kino, intensiv und voller eindringlicher Bilder. Die Zerrissenheit Toms ist fast physisch spürbar, und Romain Duris spielt die Rolle des soziopathischen Pianisten atemberaubend lebensnah. Audiard läßt den Zuseher permanent auf echte, authentische, wunderbar unperfekte Gesichter und Körper und in kleine, bodenlos fiese Abgründe blicken - und in Leben, die an düsteren Abgründen entlangschrammen. Zwischen literweise Blut, Schlägen, ehebrecherischem Sex und der klassischen Poesie einer Bach-Toccata liegen eben Welten aus Schmutz und Schönheit, Brutalität und Zartheit. "Der wilde Schlag meines Herzens" schafft es eindrucksvoll, den radikal existentialistischen Spirit des Seventies-New-Cinema mit modernen Mitteln und Settings entstehen zu lassen. Ein geschmackssicherer Soundtrack und lebendige Charaktere tun ihr übriges für ein kleines Fest von einem Film.
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