Games_eXpérience 112

Neue Erfahrungen

Das Adventure-Genre hat in den vergangenen paar Jahren eine Art Renaissance erfahren, nicht zuletzt durch Spiele wie "Ankh" oder "Jack Keane". Große Innovationen gab es auf diesem Sektor allerdings nicht - bis jetzt.    24.04.2008

Das Projekt EDEHN (Ethology Department of Extra-Human Neuroscience) wurde gegründet, um unter militärischer Kontrolle geheime Experimente zur Erforschung übernatürlicher Phänomene durchzuführen. Damit die teilnehmenden Wissenschafter ihren Auftrag auch in aller Ruhe durchführen können, wurde kurzerhand ein Supertanker zu einem High-Tech-Forschungsschiff umgebaut und ging in der Nähe einer abgelegenen Pazifikinsel vor Anker. Das war vor mehr als 30 Jahren. Seitdem hat man jeglichen Kontakt zur Crew verloren. Der Spielers soll nun herausfinden, was an Bord des Schiffes geschah und warum das Projekt bis heute geheimgehalten wurde.

Soweit klingt im Falle von "eXpérience 112" alles nach dem üblichen Mystery-Strickmuster. Als Spieler macht man sich schon einmal auf das obligate Point & Click-Adventure gefaßt, bei dem man Gegenstände miteinander kombinieren und mit Dutzenden Personen reden muß. Diese Erwartungshaltung wird aber spätestens nach dem gelungenen Intro jäh zerstört. Die Entwickler von Lexis Numérique gehen einen vollkommen neuen Weg, den man bis dato bei dieser Art von Spielen noch nie gesehen hat.

 

Der Spieler findet sich in einer Kabine des gestrandeten und von tropischer Vegetation überwucherten Tankers wieder. Auf dem Bett liegt eine junge Frau, die an einem Tropf hängt und gerade erwacht. Nachdem sie einen Brief gelesen hat, in dem das Offensichtliche - nämlich, daß sie überlebt hat - festgestellt wird, steht sie auf und bemerkt eine aktive Überwachungskamera, durch die sie der Spieler beobachtet. Sie fragt, ob man sie hören kann und ersucht, in diesem Fall mit der Kamera zu nicken.

So beginnt das neue Adventure von Lexis Numérique. Es wird sofort klar, daß in diesem Spiel einiges anders ist als gewohnt. Statt wie üblich die Rolle des Protagonisten zu übernehmen, beobachtet man hier den Hauptcharakter, was zeitweise schon voyeuristische Züge annimmt. Doch Lea Nichols klärt einen schnell darüber auf, daß man weit mehr kann, als ihr nur zuzusehen. Offenbar sitzt der Spieler in der Sicherheitszentrale des Tankers und hat von dort aus die Kontrolle über das gesamte Überwachungssystem und die Technik des Schiffes.

Damit einem auch wirklich das Gefühl vermittelt wird, in einer hochtechnisierten Schaltzentrale zu sitzen, haben sich die Entwickler etwas völlig Neues einfallen lassen. Statt eines einzigen Bildschirms öffnet sich eine Computerkonsole, auf der in einem Fenster der Bauplan des Schiffes angezeigt wird und man bis zu drei weitere Fenster mit den Feeds der Überwachungskameras hinzuschalten kann. Zudem gibt es noch eine Task-Leiste, mit deren Hilfe man Zugriff auf die Daten der Mitarbeiter der Station, deren Dateien und Mails erhält. Die gesamte Präsentation wirkt derart realistisch, daß man sich schon nach kürzester Zeit nicht mehr in einem Spiel glaubt. Sogar während der Ladezeiten tauchen Codezeilen wie "installing shared volume" auf.

Da man der jungen Dame keine direkten Befehle erteilen kann und die Kommunikation nur einseitig zu funktionieren scheint, muß sich der Spieler anderer Hilfsmittel bedienen. Mit Hilfe von Lichtquellen, elektrischen Geräten und Türen wird der Dame angezeigt, wohin sie als nächstes gehen soll. Schaltet man das Licht am Ende eines Raumes ein, wird Lea diesem Zeichen folgen und sich zu dem gewünschten Standort begeben. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß sich die Lampe in ihrer Sichtweite befindet. Ähnliches gilt für Türen und Computerkonsolen.

 

Typische Inventarrätsel, wie man sie aus anderen Adventures kennt, gibt es in "eXpérience 112" nicht. Vielmehr sind die Rätsel dicht in den Ablauf der Geschichte eingewoben und erwecken zu keinem Zeitpunkt den Eindruck, nur Lückenfüller zu sein. In erster Linie geht es immer um Informationen. Um an diese heranzukommen, ist es aber notwendig, auf die persönlichen Dateien der verstorbenen Crew-Mitglieder zuzugreifen. Dazu werden die jeweiligen Zugangsdaten benötigt, die sich wiederum häufig in den Dateien anderer Mitarbeiter befinden.

Der Aufbau der Rätsel ist immer logisch und sehr oft mit herausfordernder Denkarbeit verbunden. So muß man beispielsweise mit Hilfe vorgegebener Kryptographietafeln verschiedene Codes knacken, um an ein Passwort heranzukommen. In Form von Berichten, Tagebucheinträgen und Mails erfährt der Spieler auch immer mehr über die Station und deren Forschungsarbeit.

Das Spiel erschafft durch diese ungewöhnliche Art der Präsentation eine derart dichte und ungemein realistische Atmosphäre, daß man als Spieler sehr oft Gefahr läuft, sich in der Spielwelt einfach zu verlieren - vor allem, weil es an diesem Titel im Grunde nichts auszusetzen gibt; nicht einmal an der deutschen Sprecherin (Stimme von Kate Austen aus „Lost“).

"eXpérience 112" ist somit ein Titel, der sicher bald Kultstatus erreichen und der Wegweiser für eine neue Art von Spielerlebnis sein wird.

Dragan Andjelkovic

eXpérience 112

ØØØØØ

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(Lexis Numérique/Daedalic)

 

erhältlich für: PC

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