Games_Too Human

Deus et machina

Vor rund zehn Jahren kündigte die Software-Firma Silicon Knights ein Projekt für die erste Playstation an, das zum damaligen Zeitpunkt die gesamte Fachpresse faszinierte. Jetzt ist das "göttliche" Action-Rollenspiel endlich erschienen.    28.10.2008

Das Sammel- und Kampfspektakel "Too Human" wurde trotz großer Erwartungen der Spieler wie der Fachpresse immer wieder verschoben, da sich der Hersteller Silicon Knights in der Zwischenzeit anderen Spielen widmete (z. B. "Eternal Darkness" oder "Metal Gear Solid: The Twin Snakes") und weder genug Zeit noch Manpower hatte, um sein Prestigeprojekt zu verwirklichen. Erst vor drei Jahren fingen die Programmierer ernsthaft mit der Arbeit an der geplanten Trilogie rund um die nordischen Götter an; wahrscheinlich, weil die Rechenpower der Next-Gen-Konsolen - in diesem Fall der Xbox 360 von Microsoft - endlich ausreichend für ihre technischen Ambitionen schien.

Das nun endlich erschienene Game ist in einer für den Menschen wahrlich düsteren Zukunft angesiedelt. Die Erde ist zu einer unwirtlichen Eiswüste degeneriert. Die Menschheit wird in dieser harschen Umgebung von Maschinenwesen terrorisiert, für die wir Warmblüter nicht mehr als eine Rasse von Sklaven sind, deren einzige Aufgabe im Heranschaffen der benötigten Rohstoffe besteht. Glücklicherweise gibt es aber auch einen Gegenpol dazu, der sich nach Jahrzehnten der Passivität endlich bemüßigt fühlt, in dieses traurige Geschehen einzugreifen und die Menschheit aus den Klauen der Unterdrücker zu befreien. Die Asen, bekannt aus der nordischen Mythologie, werden von den Menschen ob ihrer überirdischen Fähigkeiten als Götter verehrt. In Wahrheit sind die Mannen und Frauen rund um "Göttervater" Odin eine außerirdische Rasse, deren Aufgabe es ist, die Menschheit vor den bösen Technokraten zu schützen. Die Basis ihrer göttlichen Fähigkeiten bilden eine fortgeschrittene Technik und das Wissen um die Anwendung von Runen. Letztendlich ist so ein Gott also nichts anderes als ein allzu menschliches Wesen - nur eben mit mehr Hardware wie Cyber-Implantaten, martialischen Rüstungen, dicken Schwertern und allerlei Schießwerkzeug.

Der Spieler übernimmt die Rolle des germanischen Gottes Baldur, der in der nordischen Mythologie als Gott des Lichtes, der Güte, der Reinheit und der Schönheit angesehen wird. Nach der Ermordung seiner Familie ist Baldur auf Rache aus und verbindet somit seinen Auftrag mit einer privaten Vendetta. Auch die anderen Götter wie Odin, Thor, Freya, Heimdall oder gar Loki dürfen in dem Spiel nicht fehlen, obwohl auf sie und ihre Geschichte nicht genauer eingegangen wird (möglicherweise ist das für einen der nachfolgenden Teile geplant). Die Gegenseite paßt ebenfalls perfekt zum Setting - sämtliche Feinde tragen die Namen mythischer Wesen und sehen auch so aus. Mit von der Partie sind Kobolde, Schwarzalben, Trolle und sogar der Dämon Grendel, der spätestens seit dem Film "Beowulf" ein Begriff sein dürfte.

 

Doch so interessant die Geschichte mit ihrer versteckten Symbolik auch sein mag - sie kann leider nicht über das etwas mißglückte Gameplay hinwegtäuschen. "Too Human" fühlt sich wie ein "Diablo"-Klon an, ohne jedoch die Qualität des offensichtlichen Vorbilds in Sachen Hack´n´Slay zu erreichen. Die Levels sind durchwegs äußerst linear gestaltet, die Gegnerschar läßt an Vielfalt zu wünschen übrig, das Gameplay gibt sich daher alles in allem abwechslungsarm und repetitiv. Bis zum Schluß tritt man immer wieder gegen dieselben Unholde zum Kampf an.

Dazu kommt die Bockigkeit der Kamera, die im Laufe der 10 bis 15 Stunden dauernden Einzelspielerkampagne zu unzähligen Toden führt. Der einzige Lichtblick bei den vielen ungewollten Sterbesequenzen: Im Grunde ist es ohnehin egal, ob der Protagonist lebt oder stirbt. Sein Ableben wird nämlich von einer dreißigsekündigen Videosequenz begleitet, in der eine Walküre erscheint und den Körper des leblosen Asen mitnimmt, um ihn gleich darauf wieder lebendig an der gleichen Stelle im Spiel zu plazieren. Getötete Feinde bleiben jedoch tot - und der Schaden, den man bereits angerichtet hat, ist ebenfalls unverändert. Dadurch stellen sogar die relativ anspruchsvollen Boßkämpfe kein Problem mehr dar. Man verspürt einfach nie die Notwendigkeit, den Angriffen der Gegner auszuweichen, da man sie ohnehin langsam, aber sicher in die Knie zwingen kann, auch wenn man dabei selbst ein paarmal ins Gras beißt.

"Too Human" zielt in erster Linie auf Spieler ab, die einen gewissen Hang zur Sammelwut haben. Die gefallenen Gegner lassen haufenweise Ausrüstungsgegenstände fallen, die sich dann zu einzigartigen Sets kombinieren lassen. Glücklicherweise verfügt das Spiel über ein ausgeklügeltes und höchst übersichtliches Inventar, sodaß zumindest dieser Aspekt des Gameplays nicht in einem unentwirrbaren Chaos endet. Lobend erwähnt seien auch noch das für deutsche Verhältnisse ausgezeichnete Voice-Acting und die wirklich gelungene musikalische Untermalung, die einen großen Anteil an der Atmosphäre des Spiels haben.

Wer sich für nordische Mythologie interessiert, vielleicht auch noch mit den Theorien von Michael Tsarion vertraut ist und über einen gewissen Grad an Sammelleidenschaft verfügt, wird an diesem Titel seine helle Freude haben. Alle anderen sollten "Too Human" vor einem Kauf erst einmal genauer in Augenschein nehmen.

Dragan Andjelkovic

Too Human

ØØØ

Leserbewertung: (bewerten)

(Silicon Knights/Microsoft)

 

erhältlich für: Xbox 360

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