Games_Sid Meier´s Pirates!

Goldige Freibeuter

Ein Urgestein der Computerspielgeschichte feiert seine Wiederauferstehung. Putzt die Kanonen, schleift die Säbel und gebt dem Papagei einen Keks - die Piraten kommen!    20.12.2004

Nachdem Sid Meier, einer der Urväter der Spieleentwicklung und Vater des Gedankens hinter Klassikern wie "Civilization", in letzter Zeit nur seinen Namen für Fortsetzungen der "Civ"-Reihe hergab, ist er nun wieder aktiv am Entwicklungsprozeß beteiligt und sorgt für eine Neuauflage des legendären "Pirates!"

Für all jene, die mit diesem Game nichts verbinden (dafür gibt´s nur zwei Möglichkeiten: Man war 1987 noch nicht auf der Welt oder hauste unter einem Stein), hier eine kurze Einführung: Ein junger Seemann zettelt eine Meuterei an und setzt seinen Kapitän auf einer Insel aus, um sich mit dem neuerworbenen Schiff auf die Suche nach Reichtum, Ländereien und den Herzen schöner Gouverneurstöchter zu machen …

Bevor es losgeht, muß man erst einmal einen Charakter generieren. Namen, Fertigkeit und Herkunft wollen wohlüberlegt sein; alles hat Auswirkungen auf das Spiel. Durch die Wahl der Fertigkeit kann man sich als Schwertkämpfer, Kanonier, Navigator etc. spezialisieren. Auch die Herkunft, also die Wahl des Landes, unter dessen Flagge man segeln will (vier stehen zur Auswahl), stellt einen vor die Qual der Wahl. Wählt man ein Land mit vielen Städten und somit vielen freundlichen Anlaufstellen oder ein Land mit wenig Städten, einhergehend mit jeder Menge feindlichen Schiffen und Städten?

Sei es, wie es sei - bald sieht man aus der Vogelperspektive sein Schiff, wie es durchs Meer pflügt … Ob Maus oder Keyboard, die Steuerung ist sehr Action-lastig und geht leicht von der Hand. Eingewöhnungsphase oder Tutorial gibt es nicht; braucht man auch nicht. Die Karibik, die in knalligen Farben dargestellt wird und zum Großteil einen Comic-Look nicht verbergen kann (vielleicht als Anlehnung an "Monkey Island"?), war selten zuvor so wunderschön auf einem PC-Bildschirm zu bewundern. "Doom 3"-Graphikfetischisten werden zwar nicht auf ihre Kosten kommen, dafür sollte (fast) jeder hauseigene PC mit dem Spiel keine Probleme haben.

Nun aber zu den wichtigen Dingen eines Piratenlebens: Schiffskämpfe, Plünderungen, Schatzsuche und als Schwerenöter seine Männlichkeit beweisen. Die Schiffskämpfe sind leicht zu steuern. Wer Windrichtung und Schußwinkel einigermaßen beherrscht, wird hier vor keinerlei Probleme gestellt. Mehrere Munitionsarten stehen zur Verfügung, auch Panzerung und Geschwindigkeit des eigenen Schiffs können erhöht werden. Hat man den Gegner schließlich lange genug aufs Korn genommen, kann man sein Schiff rammen, und es kommt entweder zum Duell oder der feindliche Kapitän gibt auf.

Waren Angriffe auf Städte über den Landweg beim Uraltprodukt wegen dessen komplizierter Steuerung und des hektischen Kampfgewusels eine eher nervige Angelegenheit, so sind sie nun nicht nur deutlich einfacher zu handhaben, sondern dank rundenbasierter Steuerung der Einheiten taktisch zumindest ansatzweise anspruchsvoll.

In den Städten selbst kann man erbeutete Ware gegen Bares eintauschen, sein Schiff reparieren, in der Taverne neue Seemänner anheuern, Informationen, Schatzkarten und bessere Nahkampfwaffen ergattern - und beim Besuch des Gouverneurs erhält man nach erfolgreicher Arbeit ein Stück Land (unwichtig), und/oder es wird einem die hübsche Tochter vorgestellt (wichtig). Um das Herz selbiger zu erobern, muß man nicht nur große Klunker mitbringen, sondern auch auf dem Parkett das Tanzbein schwingen. Wie das geht und was danach folgt, müssen Sie schon selbst herausfinden …

Und es kommt noch besser. Neben all diesen Dingen gibt es noch eine Storyline, die man verfolgen kann oder auch nicht. Grob umschrieben geht es darum, verschollene Verwandte zu finden. Allein dafür kann man schon gute 20 bis 30 Stunden einplanen. Da man aber nicht darum herumkommt, sich bessere Schiffe "anzuschaffen" und gelegentliche Aufträge mit viel Belohnung auch nicht außer acht lassen kann, ist man ziemlich sicher weit mehr als 50 Stunden als Kapitän im Einsatz. Wer jetzt denkt, daß man dabei doch immer dasselbe tut, hat zwar recht, aber langweilig wird "Sid Meier´s Pirates!" trotzdem nie. Der Suchtfaktor ist enorm, und selbst nach dem einmaligen Durchspielen packt einen das Fieber erneut. Zusätzlich stehen wieder verschiedene Szenarien zur Auswahl, bei denen man mit vorgefertigter Flotte und Mannschaft Aufträge innerhalb einer bestimmten Frist erfüllen muß.

Der "Apprentice"-Schwierigkeitsgrad (anfangs steht nur dieser zur Auswahl) richtet sich eher an Neulinge und wird Veteranen leichtes Spiel machen. Erst später gibt es die Möglichkeit, in den "Journeyman"-Schwierigkeitsgrad zu wechseln. Die Änderungen sind dann zwar nicht gravierend, stellen erfahrene Seeräuber aber vor schwierigere Aufgaben beim Kampf auf See und Land und erhöhen somit die Motivation noch um ein gutes Stück.

Kleinere Ungereimtheiten gibt´s natürlich auch: Nach und nach werden die Länder ein Kopfgeld auf einen aussetzen - und je höher dieses steigt, desto attraktiver wird man für Piratenjäger und ähnliches Gesocks. Jedoch sind die Versuche der Gegner, einem nach dem Leben zu trachten, mehr als dürftig. Schon nach ein paar Begegnungen sind die Typen nur noch lästig, und man geht ihnen in der Folge aus dem Weg, weniger aus Angst denn aus Langeweile. Nervend ist auch, daß man befestigte Städte und Siedlungen nicht einfach so angreifen kann. Dafür ist es erst nötig, einige Schiffe des jeweiligen Landes zu versenken oder zu kapern, damit einem die Nation feindlich gesinnt ist. Erst dann hat man die Wahl, die Stadt zu plündern. Das ist auf Dauer sehr anstrengend und auch total unlogisch - man spielt schließlich einen Piraten und keinen Händler. Somit sollte es stets möglich sein, überall und jederzeit ein Blutbad anzurichten, wenn man das wünscht.

Trotzdem ist Herrn Meier alles in allem ein großartiges Remake gelungen. Wer noch nicht weiß, was er zu den Feiertagen tun soll, und einen PC zu Hause herumstehen hat, sollte zu "Pirates!" greifen. Dieses Spiel ist jeden Cent wert und gehört definitiv in die Sammlung.

Christian Krenn