Games_Red Dead Redemption

Outlaws forever

Der Wilde Westen hat nicht nur unzählige Künstler inspiriert, sondern auch Schauspieler berühmt und Autoren reich gemacht. Mit den "Bad Boys" von Rockstar gibt es nun einen Spieleentwickler, der sich ihm mit soviel Leidenschaft, Kreativität und sozialer Kritik widmet wie keiner zuvor.    06.08.2010

Das ehemalige Bandenmitglied John Marston hat sein Leben geändert, die Vergangenheit hinter sich gelassen und mit seiner jungen Familie eine Existenz gegründet. Aber nicht nur  Marston hat sich verändert, sondern auch die Welt, in der er lebt. Die Regierung hat es sich zum Ziel gesetzt, im ganzen Land ihre Gesetze durchzusetzen, koste es, was es wolle.

Als skrupellose Regierungsagenten Johns Frau und Kind entführen und drohen, sie zu töten, wenn er nicht seine ehemaligen Mitbanditen verrät, bleibt John keine andere Wahl, als zu kooperieren. Um seine Familie zu retten, muß er noch einmal zu den Waffen greifen und jene Männer jagen, die einst seine Freunde waren.

 

Marston entpuppt sich dabei als Fossil einer längst vergangenen Zeit. "Red Dead Redemption" spielt nahe der Jahrhundertwende, als der ehemals Wilde Westen gerade von der modernen Welt verändert wurde. Es ist eine Welt, in der einzig und allein der Dollar und die damit einhergehende Macht zählen und Begriffe wie Loyalität oder Ehre langsam in Vergessenheit geraten. Daß Johns Welt einen tiefgreifenden Wandel durchlebt, wird einem schon im gelungenen Intro klar. Der Spieler wird Zeuge eines Gesprächs zwischen zwei alten Damen, von denen eine den klingenden Namen Mrs. Bush trägt. Während des Dialogs stellt sich heraus, daß die Familie Bush nicht nur wohlhabend, sondern auch politisch aktiv ist und sich die notwendigen Stimmen einfach kauft.

Ein weiterer Seitenhieb auf die gegenwärtige amerikanische Gesellschaft kommt in Form eines Gesprächs zwischen einem katholischen Priester und einer jungen Dame daher: Der Geistliche bringt dem Fräulein Unterwürfigkeit und Kritiklosigkeit gegenüber der Kirche bei. Daß diese Form der Indoktrination auch ihre Früchte trägt, erfährt man als Spieler einige Stunden später. Mitten in der Wüste von New Austin trifft man besagte Lady wieder. Zu diesem Zeitpunkt befindet sie sich allerdings schon in einem fortgeschrittenen Stadium religiöser Demenz und weigert sich, Nahrung oder Flüssigkeit zu sich zu nehmen, da sie der Überzeugung ist, daß dies der Wille des Vaters sei. In dieser Szene bewahrheitet sich wieder einmal der beliebte Spruch: "Papa´s gonna fuck you up!"

 

Solchen und noch vielen anderen Charakteren begegnet man im Lauf des Spiels, und jeder einzelne von ihnen hat eine Geschichte zu erzählen. Genau diese kleinen Geschichten und die herausragend ausgearbeiteten Charaktere machen den Zauber von "RDR" aus - um einiges mehr, als es bei "GTA IV" der Fall war. John Marston ist nicht einfach ein Opfer widriger Umstände; vielmehr ist er sich durchaus dessen bewußt, daß er kein Ritter ohne Fehl und Tadel ist und daß ihn seine Vergangenheit früher oder später einholen wird. Und obwohl er bereit ist, den Preis für seine vergangenen Taten zu bezahlen, kommt er mit der Methodik der modernen Welt einfach nicht zurecht.

Im Gegensatz zu den Vertretern der neuen Zeit versucht er seine Handlungen nicht durch abwegige Moralvorstellungen zu maskieren, sondern nennt das Kind beim Namen. Er benutzt nämlich den einzigen moralischen Kompaß, der ihm zur Verfügung steht - sein eigenes Herz. Und dem folgt er auf Gedeih und Verderb, indem er immer das tut, was er für richtig hält, ohne sich im geringsten darum zu scheren, wie der Rest der Welt über seine Handlungen denkt. Man ist fast geneigt, ihn als jungen Clint Eastwood der Videospielszene zu bezeichnen.

In Rockstar-typischer Manier präsentiert "RDR" eine beinharte Spielwelt, in der es kein Schwarz oder Weiß, sondern nur jede Menge Grau in allen Abstufungen gibt. Diese Schattierungen reichen von der skrupellosen Regierungsbehörde bis hin zur Frage, ob die Rebellen in Nuevo Paraiso (Anm.: dem jetzigen Mexiko) unterm Strich nicht schlimmer sind als die alte Diktatur.

 

Doch allen blutigen Shootouts und Revolverduellen zum Trotz bietet "RDR" dem Spieler nicht nur Gewalt, sondern auch Schönheit. Obwohl es im Gegensatz zu "GTA" keine Clubs mit Comedians, Stripschuppen oder zwielichtige Bars gibt, mangelt es "Red Dead Redemption" nicht an Abwechslung. Die offene Spielwelt besticht nicht nur durch wunderbare, authentische Landschaften, die einen förmlich dazu einladen, sich in ihnen zu verlieren, sondern strotzt auch noch vor Leben.

Abseits des blutigen Pfades John Marstons kann der Spieler  die Gegend erkunden; sobald man sich dazu entschlossen hat, wird man aus dem Staunen nicht mehr herauskommen. Die Steuerung des eigenen Reittiers ist derart gut gelungen, daß man in Kombination mit dem einhergehenden Hufgetrappel für kurze Zeit vergessen kann, daß man sich in einem Spiel befindet. Wenn es Nacht wird und man den Protagonisten mitten in der Wüste ein Lager aufschlagen läßt, vergißt man über dem phantastischen Sternenhimmel ganz die eigenen Sorgen und Probleme.

In "RDR" wirkt jede Ecke der virtuellen Welt lebendig, und es gibt immer Neues zu entdecken. Flüchtende Hasen, angriffslustige Berglöwen, Wölfe oder Kojoten warten ebenso wie Geier, Adler und Klapperschlangen an jeder Ecke darauf, den Spieler immer mehr in die Welt des virtuellen Wilden Westens eintauchen zu lassen.

Rockstar bedient auch die Leute, die immer ein Ziel vor Augen haben müssen, da sie sonst keine Motivation haben, um die eindrucksvolle Schönheit der Euphoria-Graphik-Engine zu entdecken: Es gibt mehrere Challenges, die vom Ausmisten eines Banditenunterschlupfs über die Jagd auf bestimmte Tiere bis hin zum Blumenpflücken reichen - für jeden Spielertyp etwas, damit niemandem so schnell langweilig wird.

 

Selbst an die immer größer werdende Gemeinschaft der Online-Spieler wurde gedacht. So gibt es einen "Free Mode", in dem sich bis zu 16 Teilnehmer gleichzeitig tummeln können. Er enthält verschiedene Herausforderungen wie das Ausräuchern von Banditen-Camps oder Revolverduelle. Als Belohnung winken Erfahrungspunkte und Level, die wiederum neue Charaktere, Titel und Reittiere freischalten.

Neben dem Free Mode bietet "RDR" noch die Westernvarianten von "Deathmatch" und "Capture the Flag". Auch hier gibt es natürlich allerlei Belohnungen, Herausforderungen und Level-ups. Und damit sowohl erfahrene Spieler als auch Neulinge Freude am Multiplayer-Part haben, kann man zu Beginn auswählen, ob man lieber die Einsteiger- oder die Expertenvariante spielen möchte.

 

"Red Dead Redemption" ist ein Game, das alle Erwartungen übertrifft und in ein paar Jahren sicher als Meilenstein der Videospielhistorie gelten wird. Was die Buben und Mädchen von Rockstar hier geleistet haben, ist mehr als nur bemerkenswert. In Sachen Atmosphäre, Storyline und Sound gibt es momentan nichts, was sich mit diesem Spiel messen könnte. Der Titel ist ein absoluter Pflichtkauf, der jedem Spieler, egal welcher Couleur, Freude bereiten wird.

Dragan Andjelkovic

Red Dead Redemption

ØØØØØ

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(Rockstar)

 

erhältlich für: Xbox 360, Playstation 3

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